Lisa Jaspers vom „Fair Fashion“-Label Folkdays (li) trifft sich mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann auf ein Wasser.
  • Lisa Jaspers vom „Fair Fashion“-Label Folkdays (li) trifft sich mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann auf ein Wasser.
  • Foto: Patrick Sun

„Made in Bangladesh“ als Zeichen für hochwertige Handarbeit

Die MOPO stellt gemeinsam mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann in der Serie „Auf ein Wasser mit …“ Unternehmer:innen und Vordenker:innen vor, die eine bessere Welt schaffen. Heute spricht sie mit Lisa Jaspers, die mit ihrem „Fair Fashion“-Label Folkdays zeigt, dass man auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann, ohne dabei das soziale Miteinander aus den Augen zu verlieren. „Made in Bangladesh“ ist bei Folkdays kein Zeichen für „Fast Fashion“, sondern ein Merkmal für hochwertige traditionelle, aber gleichzeitig auch designbewusste Handarbeit.

Carolin Stüdemann: Moin Lisa, in deinen Laden kann man sich wirklich verlieben. Wie bist du auf die Idee gekommen, dich im Fair-Trade-Bereich selbstständig zu machen?

Lisa Jaspers: In meinem Studium habe ich mich mit Handelspolitik, internationalen Warenströmen und dadurch auch mit dem Konzept des „fairen Handels“ vertieft beschäftigt. Dessen Grundmotivation, Wertschöpfungsketten so zu gestalten, dass alle Teilnehmenden profitieren, deckten sich mit meinen Überzeugungen. Was mir aber fehlte, war eine Umsetzung, die mich als jungen, design-affinen Menschen angesprochen hat. Wir arbeiten mit kunsthandwerklichen Betrieben im globalen Süden zusammen und erschließen konsequent eine neue, jüngere Zielgruppe, die bisher kaum Berührungspunkte mit dem klassischen „fairen Handel“ hat.

„Fair Fashion“-Label Folkday bezieht Waren aus Bangladesh

Ihr produziert vor allem im Ausland. Aus welchen Ländern kommen aktuell eure Waren?

Wir beziehen unsere Produkte aus über 30 Ländern aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Darunter sind auch Länder, die typischerweise nicht unbedingt für gute Produktionsbedingungen stehen wie Bangladesch oder Kambodscha. Doch neben großen Textilfabriken gibt es dort auch viele kleine kunsthandwerkliche Betriebe, die tolle Produkte fertigen und mit ihren Angestellten verantwortungsvoll zusammenarbeiten. Bei Folkdays wollen wir eine Plattform für solche Betriebe und die besonderen kunsthandwerklichen Techniken sein.

Dabei legt ihr besonderen Wert darauf, dass alle innerhalb der Wertschöpfungskette davon profitieren können. Wie sichert ihr das ab?

Wir arbeiten vor allem mit Organisationen und Unternehmen in den Produktionsländern zusammen, die sich mit dem Konzept von fairem Handel bereits beschäftigen und dafür stehen. Die finden wir beispielsweise über das Netzwerk der World Fair Trade Organisation (WFTO) und andere Partner:innen vor Ort. Das sind oft lokale Sozialunternehmen, die die Kunsthandwerkenden in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen.

Häufig sind Lieferketten nicht mehr transparent, da viele Zwischenhändler beteiligt sind. Lässt sich das verändern?

Die Lieferketten werden immer komplexer, weil es einen immensen Preisdruck vor allem im Textilsektor gibt. Es wird immer weiter ausgelagert, um flexibler, schneller und preislich immer günstiger zu werden. Diese Entwicklung ist ziemlich neu. Davor sahen Lieferketten vollkommen anders aus: Viele Textilien wurden beispielsweise noch in Europa produziert. Dahin will ich natürlich nicht zurück, aber die Verantwortung für die eigenen Produktionsketten muss ganz klar bei den Unternehmen liegen, die die Produkte am Ende verkaufen. Deshalb haben wir uns mit unserer Kampagne #fairbylaw für ein Lieferkettengesetz starkgemacht, das Unternehmen dafür haftbar macht, wenn es zu Menschenrechtsverletzungen in den eigenen Lieferketten kommt.

Auf ein Wasser mit: Die Interview-Reihe von Viva con Agua und MOPO Viva con Agua
Viva con Agua
Auf ein Wasser mit: Die Interview-Reihe von Viva con Agua und MOPO

Bedeutet bei euch denn „Fair Fashion“ auch automatisch höhere Preise?

„Fast Fashion“ ist ja nur so billig, weil die negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft aktuell nicht eingepreist werden, sondern wir beziehungsweise die Produzierenden vor Ort dafür aufkommen müssen. Diese negativen Auswirkungen sind zum Beispiel ein schlechter Arbeitnehmendenschutz, die schlechte Qualität, sodass viele Kleidungsstücke nur wenige Male getragen werden können, die schlechte Bezahlung von Mitarbeitenden in „Fast Fashion“-Läden hier in Deutschland und so weiter. Damit muss die Antwort natürlich „Ja“ lauten.

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Oft kommt dann das Argument der sozialen Verträglichkeit von „Fair Fashion“. Dazu kann ich nur sagen: Es hängt alles zusammen. Es ist die Nicht-Wertschätzung der Arbeitskraft von Menschen in bestimmten Sektoren, sowohl hier wie im globalen Süden, die das Problem ist. Dadurch sind Menschen mit geringerem Einkommen dazu gezwungen, Teil des ausbeuterischen Systems zu bleiben, denn sie haben finanziell gar keine andere Wahl. Das ist so fundamental falsch, dass es immer wieder benannt werden muss.

„Starting a Revolution“: Business-Buch für Frauen

Du hast mit Naomi Ryland das Buch „Starting a Revolution“ geschrieben. Dabei habt ihr progressive Unternehmerinnen interviewt, die neue Ansätze für die Wirtschaft anstreben. Habt ihr euch bewusst nur für Frauen entschieden?

Ja, haben wir. Denn als Unternehmerinnen fehlte uns diese Perspektive oft sehr, sowohl in Business-Büchern, Zeitschriften als auch Podcasts. Für das Buch haben wir uns aber nicht „irgendwelche“ erfolgreichen Unternehmerinnen gesucht, denn auch unter Frauen gibt es viele, die ein eher traditionelles Bild von Führung und Arbeit leben. Die sieben Frauen, mit denen wir für das Buch gesprochen haben, zeigen hingegen, dass es Unternehmerinnen gibt, die in ihren Unternehmen menschenzentriertes Arbeiten leben, die Dinge ganz neu und anders denken. Die Prinzipien dahinter sind: Selbstreflexion, Selbstführung – die Idee, sich selbst zu führen, bevor man andere führt –, Machtteilung, Zusammenarbeit, Transparenz, Sinnhaftigkeit und Verantwortung. Dabei geht es nicht darum, weiße Frauen in den Vordergrund zu stellen, sondern Machtverhältnisse so zu ändern, dass ALLE profitieren.

Hier enthalten sind auch Business-Tipps und Ideen für eine neue Wirtschaftsweise. Gibt es etwas, was du (zukünftigen) Gründer:innen und Unternehmer:innen mitgeben möchtest?

Unsere Prinzipien des revolutionären Arbeitens sind, denke ich, ein guter Anfang. Dazu gehört zum Beispiel: „Trau dich, du selbst zu sein“, „Hinterfrage alle Business-Tipps, die du bisher bekommen hast. Befolge nur die Ratschläge, die sich für dich richtig anfühlen.“ oder „Mach dich verletzlich, um mutige Entscheidungen treffen zu können.“

5 Infos zum Mitnehmen

  1. 8000 Liter Wasser werden für die Produktion einer Jeans benötigt. Besonders Baumwollanbau und Färbung sind sehr wasserintensiv.
  2. Zertifizierte „Fair Trade“-Produktionen gibt es in 75 Ländern. Immer mehr große Handelsketten und Modemarken setzen auf „Fair Trade“.
  3. 90 % unserer Kleidung werden in Asien produziert. Also fast alles. Ein weiterer großer Standort ist die Türkei.
  4. Wegwerf-Mode Im Durchschnitt wird ein Klamottenteil nur viermal getragen, bevor es als Altkleidung aussortiert wird (Quelle: fairfashionguide).
  5. 1,95 Milliarden Euro gaben Verbraucher:innen in Deutschland im Jahr 2020 für Kleidung mit Fair-Trade-Siegel aus.

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