Wanderweg am Alsterzufluss: Hier starben 40 Menschen
Wer an der Brücke Wendemuthstraße den Wandsewanderweg einschlägt, genießt den Blick auf das kleine gurgelnde Flüsschen, dem Wandsbek seinen Namen verdankt. Aber niemand nimmt Notiz von dem wild bewachsenen Hügel, auf dem sich Trampelpfade schlängeln. Doch vor rund 80 Jahren spielte sich hier die größte Katastrophe ab, die sich jemals im Stadtteil ereignet hat.
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Wer an der Brücke Wendemuthstraße den Wandsewanderweg einschlägt, genießt den Blick auf das kleine gurgelnde Flüsschen, dem Wandsbek seinen Namen verdankt. Aber niemand nimmt Notiz von dem wild bewachsenen Hügel, auf dem sich Trampelpfade schlängeln. Doch vor rund 80 Jahren spielte sich hier die größte Katastrophe ab, die sich jemals im Stadtteil ereignet hat.
Nur eine unscheinbare Hinweistafel weist auf die Geschehnisse in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 hin. Im Rahmen des „Führer-Sofortprogramms“ wurde damals an der Ecke Wendemuth-/Hogrevestraße ein massiver Hochbunker für die Bewohner des dicht besiedelten Gebiets unweit vom Wandsbek Markt hochgezogen.
In dieser Sommernacht heulten die Sirenen, weil englische Bomber die Wandsbeker Wohngebiete bombardierten. Etwa hundert Menschen liefen in Panik zum Bunker und suchten hier Schutz. Doch der Bau war noch nicht fertiggestellt, er bot damals wohl nur sicheren Schutz gegen Bombensplitter, nicht aber gegen Volltreffer eines Sprengkörpers. Und genau das geschah in dieser Nacht. Mindestens 40 Menschen verloren ihr Leben.
Vierköpfige Familie ausgelöscht
Die Liste mit den Opfern ist erhalten geblieben. So ist zu lesen, dass die Familie Hogreve ausgelöscht wurde: Vater Andreas Paul Willi Hogreve (geb. 1903), ein Dreher, der an der Schmüserstraße 16a gelebt hatte. Seine Frau Emma-Dorothea, geb. 1909, und die Kinder Andreas (9) und Heidi (6).
Lost Places
Der Autor: Thomas Hirschbiegel (re.) ging 1977 direkt von der Schule zur MOPO, war erst zehn Jahre Fotoreporter und dann ab 1987 Redakteur mit dem Spezialgebiet Polizei, Architektur und Stadtentwicklung.
Der Fotograf: Florian Quandt begann seine journalistische Tätigkeit beim „Elbe Wochenblatt“, absolvierte ein Redakteurs-Volontariat beim „Pinneberger Tageblatt“ und ist seit 2005 Fotoreporter bei der MOPO.
Als Todeszeit wird 1.30 bis 2 Uhr angegeben. Bei einigen der Opfer wie bei der elfjährigen Edith Röhrs ist sogar die Todesursache vermerkt: „Verbrennungen 4. Grades“.
Nur einmal ist ein Bestattungsort vermerkt: Das 29 und 23 Jahre alte Ehepaar Stuhr wurde zusammen mit der vierjährigen Tochter Marion und der erst neun Wochen alten Heike auf der Kriegsgräberstätte Tonndorf „Block ZF Reihe ZG, Grab 40“ beigesetzt.
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Auch heute noch schaudert es einen, wenn man diese Liste liest. Noch bis 1972 waren die Reste des Bunkers an der Wendemuthstraße sichtbar, dann wurden die Trümmer mit Erde bedeckt und der Hügel entstand.
Natalie Hochheim, Fraktionschefin der CDU in der Bezirksversammlung Wandsbek, ist es ein Anliegen, die Erinnerung an diese furchtbare Nacht wachzuhalten, sie fordert die Schaffung einer „naturnahen Gedenkstätte“. Das Bezirksamt unterstützt das Vorhaben. Denkbar wäre ein Mahnmal auf dem Hügel oder am Wandsewanderweg.