Zu Besuch in der Grusel-Psychiatrie
Sanft wiegen sich die Bäume im Sommerwind, die Sonne spiegelt sich auf der Wasseroberfläche des kleinen Domjüchsees mitten in Mecklenburg. Ein idyllisches Bild. Und doch liegt eine unbehagliche Stimmung über allem, denn die heruntergekommenen Gebäude der Psychiatrie am Ufer bergen ein dunkles Geheimnis.
Sanft wiegen sich die Bäume im Sommerwind, die Sonne spiegelt sich auf der Wasseroberfläche des kleinen Domjüchsees mitten in Mecklenburg. Ein idyllisches Bild. Und doch liegt eine unbehagliche Stimmung über allem, denn die heruntergekommenen Gebäude am Ufer bergen ein dunkles Geheimnis: Die Psychiatrie Domjüch war für viele Kranke einst die letzte Station auf dem Weg in die Gaskammern.
Die ehemalige „Landesirrenanstalt“ (damals der übliche Ausdruck für eine psychiatrische Klinik) liegt verborgen im Schutz der Bäume am Rande der beschaulichen Stadt Neustrelitz. Wer das große Tor passieren möchte, muss sich zuvor beim „Verein zum Erhalt der Domjüch“ anmelden – er wurde gegründet, nachdem in den leerstehenden Gebäuden allzu viel randaliert wurde.
Mecklenburg: Alte Irrenanstalt ist jetzt ein Lost Place
Rückblick: Fertiggestellt wird die Domjüch, bestehend aus einem Verwaltungsgebäude, vier Krankenhäusern, Küche und Waschküche, Landwirtschaftsgebäude und Maschinenhaus mit imposantem Wasserturm und Schornstein, im Jahr 1902. Im Altstrelitzer Gefängnis war es zu eng geworden und man will psychisch kranke von gesunden Straftätern trennen.

Für ihre Zeit ist die Domjüch eine vorbildliche Einrichtung, die ohne hohe Mauern, Gitter, Wachhunde und Isolationszellen auskommt. Stattdessen gibt es große Fenster und freundliche Räume, eine eigene Kapelle und Ausflüge für die anfangs 70 Patientinnen und 60 Patienten. Sie arbeiten auf den Feldern und in den Gärten der Anstalt, leben fast autark. Nur das Brot wird vom Bäcker geliefert.

Die leitenden Ärzte Carl Serger (er war Chef von 1902-1913) und sein Nachfolger Herrmann Starke (1913-1935) sind Anhänger der neuen Beschäftigungstherapie. Statt Patienten ruhigzustellen oder wie Verbrecher zu behandeln, schicken sie sie zum Arbeiten in die hauseigene Nähstube, Tischlerei, Schusterei, Schneiderei, Schlosserei oder Tapezierwerkstatt. Der Fokus liegt auf Behandlung und Heilung statt auf Verwahrung.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges geht die Zahl der Patienten um mehr als die Hälfte zurück. Bis 1927 und 1928 werden ein Landessäuglings- und Landeskinderheim in den frei gewordenen Räumlichkeiten untergebracht.
120 psychisch Kranke von den Nazis ermordet
Der Wandel der Domjüch von der vorbildlichen Heilanstalt zu einem Ort des Schreckens beginnt mit der Machtergreifung der Nazis: Zwischen 1935 und 1941 werden hier mindestens 42 Frauen und 52 Männer zum „Schutz der deutschen Rasse vor Erbkrankheiten“ zwangssterilisiert. Schließlich erreicht ein Brief der Euthanasiezentrale in Berlin die Domjüch, der das Schicksal von etwa 120 Patienten besiegelt: Sie werden im Rahmen der „Aktion T4“ in grauen Bussen mit verdunkelten Fenstern in die Gaskammern der für Mecklenburg zuständigen NS-Tötungsanstalt Bernburg verbracht und ermordet.

Nach einer Zwischennutzung als Tuberkuloseheilstätte wird das Gelände der Domjüch am Ende des Zweiten Weltkrieges von der Roten Armee besetzt und bis 1993 militärisch genutzt. Seit dem Abzug der Soldaten sind die Gebäude Verfall und mutwilliger Zerstörung ausgesetzt. Fenster werden eingeschlagen, Gegenstände gestohlen, Wände beschädigt – bis die „Ingenieurbüro Strelitz GmbH“ das Gelände erwirbt und der „Verein zum Erhalt der Domjüch“ gegründet wird.

Das könnte Sie auch interessieren: Sogar die Pin-up-Poster hängen noch: Dieser Geister-Knast im Norden ist zu verkaufen
Die Kapelle wurde inzwischen saniert, die Räumlichkeiten zum Teil aufgeräumt und als Erinnerungsort hergerichtet. Auf der ausladenden Veranda und den weitläufigen Grünflächen finden Veranstaltungen statt. So sollen Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft werden – doch die Geschichte der Domjüch hängt wie eine dunkle Wolke über den verlassenen Gebäuden am Ufer des kleinen Sees.