Lost Place: Hier drangsalierten DDR-Kontrolleure Reisende
Wer heute mit bis zu 230 km/h im ICE von Hamburg nach Berlin rauscht, sieht kurz hinter der Landesgrenze Mecklenburg-Vorpommerns ein schäbiges graues Gebäude neben den Gleisen. Noch vor 35 Jahren herrschte hier ein Oberstleutnant der Stasi. Die heutige Ruine war auf dem Grenzbahnhof Schwanheide das Hauptquartier der berüchtigten Passkontrolleinheiten (PKE).
Scheiben zertrümmert, die unteren Fenster zugenagelt, die Räume voller Dreck und Schimmel. Der dreistöckige DDR-Bau ist abrissreif. Bis 1989 herrschte hier ein Klima der Angst. Der Grenzbahnhof war mit einem massiven Stahlgitter umgeben, das Areal wurde nachts taghell ausgeleuchtet. Soldaten der Grenztruppen patrouillierten mit geschulterten Kalaschnikow-Sturmgewehren auf zwei Postenbrücken über den Gleisen.
Lost Place im Norden: „Genossen” stürmten Züge
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen //
online kündbarMOPO+ Jahresabo
für 79,00 €Jetzt sichern!Spare 23 Prozent!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach zum gleichen Preis lesen //
online kündbar
Wer heute mit bis zu 230 km/h im ICE von Hamburg nach Berlin rauscht, sieht kurz hinter der Landesgrenze Mecklenburg-Vorpommerns ein schäbiges graues Gebäude neben den Gleisen. Noch vor 35 Jahren herrschte hier ein Oberstleutnant der Stasi. Die heutige Ruine war auf dem Grenzbahnhof Schwanheide das Hauptquartier der berüchtigten Passkontrolleinheiten (PKE).
Scheiben zertrümmert, die unteren Fenster zugenagelt, die Räume voller Dreck und Schimmel. Der dreistöckige DDR-Bau ist abrissreif. Bis 1989 herrschte hier ein Klima der Angst. Der Grenzbahnhof war mit einem massiven Stahlgitter umgeben, das Areal wurde nachts taghell ausgeleuchtet. Soldaten der Grenztruppen patrouillierten mit geschulterten Kalaschnikow-Sturmgewehren auf zwei Postenbrücken über den Gleisen.
Lost Place im Norden: „Genossen” stürmten Züge
Ihre „Genossen“ mit Schäferhunden stürmten beim Einlaufen eines Zuges Richtung Bundesrepublik auf die Waggons zu. Die Hunde mussten geduckt unter den Zug kriechen und dort nach „Grenzverletzern“ schnüffeln, die in den Westen wollten. Gleichzeitig wurden die Fahrgäste in das Stasi-Abfertigungsgebäude geführt und überprüft, nicht selten auch durchsucht.
Dabei trugen diese Kontrolleure die olivgrüne Uniform der DDR-Grenztruppen. Doch das war nur Tarnung. Die Männer waren Angehörige der Stasi Hauptabteilung 6, die für die Kontrolle des gesamten Reiseverkehrs an den Grenzen der DDR zuständig war. Erich Mielkes Kontrollgruppe war wegen ihres scharfen, oft sogar beleidigenden Tons gefürchtet. Wessen Personalpapiere bei der Ausreise aus der DDR nicht in Ordnung waren, für den endete die Reise hier – und zwar ganz schnell auch in einer Zelle.
Das könnte Sie auch interessieren: Gestapo-Folterkeller: Es droht neuer Streit um Stadthaus
Wer dann nach drei Kilometern im Bahnhof Büchen das Gebiet der Bundesrepublik erreicht hatte, blickte auf einen Stein, auf dem stand „Tor zur Freiheit“ und nach den fiesen Kontrollen im „Ersten Deutschen Arbeiter- und Bauernstaat“ fand man den Spruch vielleicht auch gar nicht mehr pathetisch.
Im Bundesarchiv befindet sich der Reisepass des Liedermachers Wolf Biermann. Im Pass ist ein Visumstempel zur Genehmigung der Ausreise über Schwanheide zu einem Konzert 1975 in Offenbach. Doch die DDR-Führung hatte im letzten Augenblick entschieden, Biermann die Ausreise zu verweigern. So kassierte die Stasi den Pass mit dem Visum ein und der Künstler bekam einen neuen Pass ohne Visumstempel.
Noch heute Haltepunkt – doch das Gebäude verfällt
Ganz viel deutsche Geschichte rankt sich also um den Bahnhof Schwanheide, der heute nur noch ein Haltepunkt für den Regionalverkehr nach Schwerin oder Rostock ist.
Das könnte Sie auch interessieren: Lost-Place bei Hamburg: Das Geisterhotel am Wald
Das DDR-Abfertigungsgebäude verfällt immer mehr. Als vor Jahren ein Makler die Immobilie als „gut gelegenes Objekt“, das sich für ein Callcenter oder Büros eignen würde, anpries, lachten die Bewohner der 737-Einwohner-Gemeinde Schwanheide nur. Und kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, als sie den geforderten Preis erfuhren: 135.000 Euro. Niemand zeigte sich interessiert.