Vor den Toren Hamburgs: Ein Lost Place inmitten von Neubauten
Jahrzehntelang lang hallten hier scharfe Kommandorufe über das Areal, wurde zackig marschiert und militärisches Wissen gepaukt. Die Eggerstedt-Kaserne in Pinneberg war einer der großen Militärstützpunkte Schleswig-Holsteins. Heute befindet sich hier das „Silicon Valley“ von Pinneberg und viele innovative Unternehmen haben am Eggerstedter Weg ihren Sitz. Doch es gibt auf dem riesigen Gelände noch Kasernengebäude, echte Lost Places.
Jahrzehntelang lang hallten hier scharfe Kommandorufe über das Areal, wurde zackig marschiert und militärisches Wissen gepaukt. Die Eggerstedt-Kaserne in Pinneberg war einer der großen Militärstützpunkte Schleswig-Holsteins. Heute befindet sich hier das „Silicon Valley“ von Pinneberg und viele innovative Unternehmen haben am Eggerstedter Weg ihren Sitz. Doch es gibt auf dem riesigen Gelände noch Kasernengebäude, echte Lost Places.
Vor genau 86 Jahren begann der Kasernenbau auf dem 36 Hektar großen Areal. Pünktlich kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 zogen dann knapp 1000 Soldaten des Luftgau-Nachrichtenregiments 11 ein. 1943 waren dann schon bis zu 2000 Luftwaffensoldaten hier stationiert. Nachrichten-helferinnen ,auch „Blitzmädel“ genannt, wurden ausgebildet und kurz vor Kriegsende war in der Eggerstedt-Kaserne sogar die Kommandozentrale der „Luftflotte Reich“.

Nach Kriegsende im Mai 1945 bezogen britische Truppen die Kaserne und richteten eine Sammelstelle für deutsche Kriegsgefangene ein, bis zu 3400 Mann drängelten sich auf dem Areal. Um Platz zu schaffen. entließen die Briten erst mal Hunderte Luftwaffenhelferinnen, die noch in den Kasernenbauten untergebracht waren. Die Frauen mussten dann teilweise in Baumschulen der Umgebung arbeiten und leben.
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Schon im Sommer 1946 zogen die Briten ab, die Kriegsgefangenen wurden entlassen und stattdessen zogen im Zweiten Weltkrieg heimatlos gewordene Menschen („Displaced Persons“) ein. Diese wurde hier noch bis 1950 von der UN betreut. Ab 1948 produzierte auf dem Areal eine Kaugummi-Fabrik und es gab neben einer Grundschule dort auch eine Kohlenhandlung.
Lost Place bei Hamburg: Die rotten Reste einer Luftwaffen-Kaserne
1955 ist die Bundeswehr gegründet worden und die Soldaten benötigten natürlich Kasernen. 1956 wurden deswegen alle Verträge mit zivilen Nutzern auf dem Kasernengelände gekündigt, aber erst Ende 1959 zogen die ersten Bundeswehrsoldaten ein. Dabei handelte es sich um Teile des Luftwaffenausbildungsregiments 1 und eine Sanitätsstaffel. Die Bundeswehr blieb bis 2001 auf dem Gelände, zuletzt befand sich hier die Standortverwaltung Pinneberg. Der Bund bot schließlich das Areal an und 2013 kaufte es die Stadt Pinneberg für 3,9 Millionen Euro.

Nach Pannen mit einem Investor begann die Stadt ab 2015 das Grundstück selbst zu entwickeln, es wurden schließlich 250 Wohneinheiten, vor allem in Einzelhäusern und Stadtvillen geschaffen. Aber auch diverse Firmengebäude entstanden, das Ganze wurde „Parkstadt Eggerstedt“ genannt, aber Pinnebergs frühere Bürgermeisterin Urte Steinberg sprach auch schon vom „Silicon Valley“ der Gemeinde. So befinden sich aktuell am Standort der Softwareentwickler „ProLogistik“, das Steuerberaterbüro Jucknat, eine „Investment-Akademie“ und ein Ingenieursbüro.

Laut der Stadt Pinneberg gibt es für das Areal mehr Bewerber, als Flächen vorhanden sind. Zuletzt wurde Anfang dieses Jahres vermeldet, dass die „Tews Technologies GmbH“ sich ansiedeln wolle – immerhin ein weltweit tätiger Entwickler von hochspezialisierten Computerboards, die auch in der Raumfahrt Verwendung finden.

Lost Places
Der Autor: Thomas Hirschbiegel (l.) ging 1977 direkt von der Schule zur MOPO, war erst zehn Jahre Fotoreporter und dann ab 1987 Redakteur mit dem Spezialgebiet Polizei, Architektur und Stadtentwicklung.
Der Fotograf: Florian Quandt begann seine journalistische Tätigkeit beim „Elbe Wochenblatt“, absolvierte ein Redakteurs-Volontariat beim „Pinneberger Tageblatt“ und ist seit 2005 Fotoreporter bei der MOPO.
Doch zwischen diesen Neubauten und Hightech-Firmen steht noch ein massiver Kasernenblock. Gut zu sehen ist auch das Gebäude der Alten Wache, dort gibt es noch Arrestzellen für Soldaten mit vergitterten Fenstern.
Auf MOPO-Anfrage erklärte die Stadt, es sei der Abriss geplant und auf dem 19.000 Quadratmeter großen städtischen Grundstück sollen weitere Gewerbebetriebe angesiedelt werden.