Niemand darf hinein: Dieses Gewölbe in Hamburg birgt ein Geheimnis
Hunderte Menschen besuchen täglich den sehenswerten Erinnerungsort „Mahnmal St. Nikolai“ im Untergeschoss der Kirchenruine an der Willy-Brandt-Straße. Doch dort unten im ehemaligen Heizungs- und Kohlenkeller gibt es neben einer Ausstellung noch einen großen abgesperrten Bereich und der birgt ein Geheimnis.
Hunderte Menschen besuchen täglich den sehenswerten Erinnerungsort „Mahnmal St. Nikolai“ im Untergeschoss der Kirchenruine an der Willy-Brandt-Straße. Doch dort unten im ehemaligen Heizungs- und Kohlenkeller gibt es neben einer Ausstellung noch einen großen abgesperrten Bereich. Und der birgt ein Geheimnis.
Als die Hamburger Hauptkirche 1874 fertiggestellt wurde, war sie mit ihrem 147 Meter hohen Turm das höchste Gebäude der Welt. Aber nur bis 1877, da wurde der 151 Meter hohe Turm der Kathedrale von Rouen in Nord-Frankreich fertiggestellt.

Den Nikolai-Turm wiederum nutzten die Alliierten bei der „Operation Gomorrha“ 1943 als Zielmarkierung für ihre Bomber. Die Kirche wurde stark beschädigt und das, was übrig war, sollte nach dem Krieg auch verschwinden. Vermutlich nur, weil der Hamburger Senat die Abrisskosten scheute, blieb die Kirchenruine dann doch stehen und verfiel immer mehr. 1951 ließen die gottvergessenen Stadtväter deswegen das Kirchenschiff sprengen. Für die Trümmer fand man dann eine typisch hamburgische Lösung: Die Teile wurden für die Uferbefestigung der Elbe im Bereich Haseldorfer Marsch unweit von Uetersen zweckentfremdet. Darunter waren sogar das Taufbecken, Altäre und Skulpturen.
Kirchen-Reste in der Elbe entdeckt
Das alles blieb jahrzehntelang vergessen, bis im Jahr 2000 ein MOPO-Redakteur auf der Elbe segeln war und bei Ebbe plötzlich die Reste des heiligen Johannes entdeckte. Der findige Reporter informierte den Bauunternehmer Ivar Buterfas vom „Förderkreis Mahnmal St. Nikolai“. Buterfas engagierte Taucher, und die bargen mal eben 300 Tonnen Fresken, Figuren und weitere Steinteile. Warum ich Ihnen das alles erzähle?

Weil viele dieser Überbleibsel in dem für die Besucher gesperrten Bereich des Kellers des Kirchen-Mahnmals lagern. Die Atmosphäre in diesen Katakomben ist gespenstisch. Betroffen steht man vor einer kopflosen Statue. Es handelt sich um die Figur des 1540 in Hamburg verstorbenen lutherischen Theologen Stephan Kempe, die ehemals im Südportal der Nikolaikirche stand.

Unsere „Fremdenführerin“ bei diesem Termin ist Nele Fahnenbruck. Sie ist seit 2022 Leiterin der Nikolai-Gedenkstätte und wir plaudern in dieser doch etwas ungemütlichen Atmosphäre: Eigentlich wären diesen Kirchen-Katakomben doch der ideale Ort für einen Weinkeller. Die Historikerin lacht und sagt: „Einen Weinkeller gab es hier schon mal …“
Zuletzt lagerten hier Weine
Tatsächlich: Nachdem hier bis 1885 noch Kohlen für die Kirchenheizung lagerten, wurden danach Weinfässer untergebracht. 1926 pachtete die Weinhandlung C.C.F. Fischer (Motto: „Wer froher Stimmung möchte sein, der trink‘ C.C.F. Fischer Wein“) die Räumlichkeiten. Die Bombenangriffe überstand die Weinhandlung, und nach dem Krieg lagerten hier nach Angaben des Vereins „Hamburger Unterwelten“ bis zu 650.000 Flaschen Wein, und zwar bei idealen Bedingungen.

Lost Places
Der Autor: Thomas Hirschbiegel (l.) ging 1977 direkt von der Schule zur MOPO, war erst zehn Jahre Fotoreporter und dann ab 1987 Redakteur mit dem Spezialgebiet Polizei, Architektur und Stadtentwicklung.
Der Fotograf: Florian Quandt begann seine journalistische Tätigkeit beim „Elbe Wochenblatt“, absolvierte ein Redakteurs-Volontariat beim „ Pinneberger Tageblatt“ und ist seit 2005 Fotoreporter bei der MOPO.
In dem Kirchenkeller herrscht eine konstante Temperatur von etwa 13 Grad bei 75 Prozent Luftfeuchtigkeit. Doch 2005 musste der Traditionsbetrieb Konkurs anmelden. Nun dienen die geheimnisvollen Gewölbe nur noch zur Verwahrung der Trümmer von St. Nikolai.