Hier räumt die Bundeswehr Hamburgs Dschungel-Friedhof auf
Fähnrich Jaqueline Rösicke (21) greift erst zur Harke, dann schippt ein Leutnant das Laub in eine Schubkarre. Einsatzgebiet der Soldaten ist der verwahrloste jüdische Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf. Seit Jahren tut sich hier nichts, obwohl der Bund fast fünf Millionen Euro für eine Sanierung der heruntergekommenen Anlage bereitgestellt hat. Jüdische Aktivisten, denen der Friedhof am Herzen liegt, sind sauer auf die Stadt und sehen sich als Opfer eines behördlichen Ämter-Wirrwarrs. Wie konnte es so weit kommen?
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Fähnrich Jaqueline Rösicke (21) greift erst zur Harke, dann schippt ein Leutnant das Laub in eine Schubkarre. Einsatzgebiet der Soldaten ist der verwahrloste jüdische Friedhof an der Ilandkoppel in Ohlsdorf. Seit Jahren tut sich hier nichts, obwohl der Bund fast fünf Millionen Euro für eine Sanierung der heruntergekommenen Anlage bereitgestellt hat (MOPO berichtete). Jüdische Aktivisten, denen der Friedhof am Herzen liegt, sind sauer auf die Stadt und sehen sich als Opfer eines behördlichen Ämter-Wirrwarrs.
In ganz Deutschland gibt es nur noch zwei Friedhöfe für vor allem im Ersten Weltkrieg gefallene jüdische Soldaten. Diese Begräbnisanlage in Hamburg wurde 1922 angelegt – auf dem Gelände des jüdischen Friedhofs llandkoppel. Zusammen mit dem „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ engagieren sich die Soldaten hier.
Jüdischer Friedhof: Experte entsetzt über Zustand
Doch während dieser „militärische“ Teil des jüdischen Friedhofs inzwischen in einem akzeptablen Zustand ist, verfällt ein großes Areal mit Hunderten Gräbern gleich daneben. Dutzende Bäume sind umgestürzt, haben teilweise Grabsteine zerstört. Dr. Christian Lübcke ist Landesgeschäftsführer des Volksbundes in Hamburg. Er sagte der MOPO: „Als ich das erste Mal den Friedhof besuchte, war ich entsetzt. Ich dachte, ich befinde mich irgendwo im peruanischen Dschungel.“ Nun versucht Lübcke mit Freiwilligen und Soldaten der Bundeswehr-Hochschule in Jenfeld den „Dschungel“ zu roden und die Gräber endlich wieder in einen würdigen Zustand zu versetzen.
Mika Harari ist Lübcke dafür sehr dankbar. Sie ist Vorsitzende des Vereins „Chewra Kadischa“, der bei der Jüdischen Gemeinde am Grindelhof ansässig ist und die Federführung bei der Sanierung des Friedhofs hat. Von der Gemeinde aus machte sich jetzt auch Landesrabbiner Shlomo Bistritzky auf, um sich selbst ein Bild vom Zustand des verfallenen jüdischen Friedhofs zu machen.
Mika Harari und ihre Mitstreiter sind inzwischen beinahe verzweifelt, was den Einsatz der Gelder vom Bund für den Erhalt des Friedhofs angeht.
Sie werfen der Stadt vor, ihre Arbeit zu blockieren und durch Einwände und Vorschriften „Geld zu verbrennen“. So hat das Denkmalschutzamt gefordert, einen gut bezahlten Projektsteuerer zu engagieren. Dadurch und durch weitere „Wünsche“ der Ämter und Behörden würden am Ende nur noch 2,2 Millionen Euro aus Berlin für die eigentliche Sanierung zur Verfügung stehen, so der Vorwurf.
Das Denkmalschutzamt erklärte gestern, dass es „üblich“ sei, bei Projekten dieser Größenordnung eine Person zur Steuerung zu berufen. Die ebenfalls beteiligte Behörde für Stadtentwicklung sprach von einem „sehr komplexen Projekt“. Wie komplex das Ganze ist, zeigt auch die Tatsache, dass nicht ganz klar ist, wem das Friedhofs-Grundstück eigentlich gehört – zwei Drittel der Stadt, so die Stadtentwicklungsbehörde.
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Doch der Vertrag, der das 1970 festgelegt haben soll, der ist verschwunden und auch nicht im Staatsarchiv auffindbar. Gleichzeitig soll das Grundbuch „bereinigt“ worden sein. Senatsdokumente von 1968 legen nahe, dass in der Nazizeit Anrainern Friedhofs-Grundstücke überlassen worden waren, die nach 1945 in den Besitz der Stadt gelangt sind.