Riesige Demo gegen Rechts: Verwirrung um Teilnehmerzahl
Hamburg hat heute Nachmittag ein starkes Zeichen gegen Rechts gesetzt: Unter dem Motto „Hamburg steht auf! Gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke“ wurde am Freitagnachmittag zuerst auf dem Jungfernstieg und später auf dem Rathausmarkt demonstriert. Die MOPO hat die Demo im Liveticker begleitet.
50.000? 80.000? 130.000? Wie viele Menschen am Freitagnachmittag in Hamburg gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstriert haben, ist auch Stunden nach dem vorzeitigen Ende nicht ganz klar: Während die Polizei gewohnt konservativ von 50.000 Teilnehmern spricht, gehen die – gewohnt optimistischen – Schätzungen der Veranstalter deutlich darüber hinaus. 80.000 meldet der DGB, Kazim Abaci, der als Mitglied der „Unternehmer ohne Grenzen“ ebenfalls als Mitorganisator auftrat, spricht von 130.000 Menschen.
Klar ist, dass eine immense Menge Menschen Flagge gezeigt hat gegen den Rechtsruck. So viele, dass es zwischendurch für einige Teilnehmer zu bedrohlichen Szenen kam. Ganz vorn im Bereich der Bühne „retteten“ sich Dutzende in das Foyer der Haspa, Hunderte weitere schoben sich durch das Alsterhaus, um aus der Demo zu gelangen. Die Zahl der Rettungseinsätze ist bislang nicht klar, die Polizei hat noch keine verlässlichen Zahlen dazu vorliegen. Sicher ist, dass die Veranstalter die Demo vorzeitig beendeten – und viele Teilnehmer trotz des ursprünglichen Verbots auf dem Rathausmarkt weiter demonstrieren durften.
Lesen Sie hier, wie die Großdemo gegen Rechts verlief
17.47 Uhr: Während am Jungfernstieg bereits die Bühne und die Absperrungen abgebaut werden, läuft die Demo auf dem Rathausmarkt weiter. Trotz Glatteis und Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt harren viele Teilnehmer weiter aus. Einige klettern auf die Laternen auf dem Rathausmarkt und verteilen „FCK AfD“-Aufkleber.
17.27 Uhr: Mit 10.000 Demonstranten hatten die Veranstalter gerechnet, gekommen sind in jedem Falle deutlich mehr Menschen. Kazim Abaci, der die Demonstration mitorganisiert hatte, sprach von 130.000 Teilnehmern, der DGB sprach von „mindestens 80.000“. Eine offizielle Teilnehmerzahl steht aber weiter aus. Die von der Polizei zwischenzeitlich genannten 30.000 scheinen aber deutlich übertroffen worden zu sein.
17.26 Uhr: Vom Andrang überrascht wurden anscheinend sowohl Veranstalter als auch Polizei. An verschiedenen Stellen kam es zu großem Gedränge, Rettungswagen kamen nicht zum Einsatzort, mehrere Teilnehmer sollen kollabiert sein. Dutzende „retteten“ sich ins Foyer der Haspa am Jungfernstieg und harrten dort aus, bis sich die Menschenmenge verteilt hatte.
17.21 Uhr: Zwar ist die Demonstration offiziell beendet, dennoch stehen weiterhin Hunderte auf dem Rathausmarkt. Dort hatte die Demo eigentlich stattfinden sollen – die AfD durchkreuzte diese Pläne, indem sie eine Fraktionssitzung am Nachmittag anmeldete. Dadurch grifft das Bannmeilengesetz und die Demo musste verlegt werden. Jetzt stehen die Demonstranten doch vor dem Rathaus und skandieren Slogans wie „Ganz Hamburg hasst die AfD“, „Um Europa keine Mauer, Bleiberecht auf Dauer“ und „AfD raus aus dem Rathaus“. Zwischendurch werden vereinzelt Rauchtöpfe gezündet.
17.14 Uhr: Die Veranstalter haben die Demo gegen 16.40 Uhr von sich aus vorzeitig abgebrochen, hieß es von der Polizei. Bis zu 50.000 Menschen sollen nach einer aktuellen Schätzung teilgenommen haben. Die Menge verteilt sich jetzt in die Innenstadt und zieht weiterhin vor allem auf den Rathausmarkt.
17.11 Uhr: Diverse Rettungswagen sind mittlerweile im Einsatz, hat ein MOPO-Reporter beobachtet.
17.02 Uhr: Die Demonstranten verlagern sich jetzt auf den Rathausmarkt, der schon sehr voll ist.
16.57 Uhr: Eine MOPO-Reporterin berichtete von weiteren Problemen: So hatte ein Krankenwagen Probleme, sich durch die Menge zu kämpfen. Das Alsterhaus hatte zeitweise die Türen geschlossen, berichtete ein MOPO-Reporter, es wurde so gequetscht, dass sie die Türen wieder öffnen mussten.
16.38 Uhr: Die große Menge an Demonstranten hat einen gravierenden Nachteil: Wer wieder weg möchte, steht vor dem Problem, dass kaum ein Durchkommen ist – und kaum ein Wegkommen, weil die U-Bahnen derzeit nicht am Jungfernstieg halten. Hunderte Menschen bahnen sich einen Weg durchs Alsterhaus, um über die Poststraße zur nächsten U-Bahn-Station zu gelangen.
16.35 Uhr: Mehr als 30.000 Menschen sind auf die Straße gegangen, hieß es von der Polizei. Die Zahl nehme weiter zu. Die Veranstalter sprachen von 35.000 Teilnehmern. Bei beiden Zahlen handelt es sich um vorläufige Schätzungen, die endgültige Teilnehmerzahl dürfte noch einmal höher liegen.
16.32 Uhr: Mittlerweile sollen weit mehr als die zehntausend Demonstrierenden, mit denen die Veranstalter gerechnet hatten, in der Innenstadt sein. Am Neuen Wall ist es so voll, dass die Polizei die Protestierenden umleitet, weil kein Durchkommen mehr ist. Auch die Bahnen sind weiterhin überfüllt: Aus Sicherheitsgründen fahre die U1 in der Innenstadt nur noch durch, so ein MOPO-Reporter.
16.18 Uhr: Aus der Menge heraus meldete sich Journalist, Seenotretter und Notfallsanitäter Tobias Schlegl im Netz zu Wort. „So voll. Man kann sich nicht mal umdrehen“, schrieb er.
16.10 Uhr: Auch unter den Arkaden und am Alsterfleet haben sich inzwischen viele Menschen versammelt. Sie rufen: „Wir sind mehr“ und klatschen laut. Auch anderswo wird fleißig gegen rechts skandiert: „Ganz Hamburg hasst die AfD“, oder „Wir sind stärker und jetzt erst recht“.
16.07 Uhr: Aktuell spielt die Hamburger Band Kettcar auf der Bühne ein paar Songs. Kleines Problem: Es fehlt an Lautsprechern, wer einige Meter entfernt steht, hört schon kaum mehr was, lauten erste Beschwerden. „Lauter“, ruft das Publikum – Stimmung scheint noch nicht recht aufzukommen.
16.02 Uhr: Unter den Demonstrantinnen und Demonstranten befindet sich auch die Gruppe „Omas gegen Rechts“, um sich lautstark gegen Rechtsextremismus und die AfD zu wehren.
15.57 Uhr: In der Straße Plan in Rathausnähe ist es mittlerweile so voll, dass die Polizei die Gitter um gute 25 Meter zurückbauen musste. Das Handynetz sei so gut wie tot, berichtete ein MOPO-Reporter.
15.52 Uhr: Die Stadt dürfe stolz darauf sein, dass so viele Menschen an diesem Nachmittag zusammengekommen sind. „Hamburg ist eine Freie Hansestadt, eine Stadt der Vielfalt und der Demokratie, eine Stadt der aufrechten Bürgerinnen und Bürger, die Rechtsradikalen und Verfassungsfeinden entschlossen entgegentreten und mit starker Stimme rufen: Nie wieder!“
15.51 Uhr: Für Tschentscher sei ein Punkt erreicht, an dem „alle Demokratinnen und Demokraten aufstehen müssen und Haltung zeigen.“ Er richtete sich mit klaren Worten an die AfD: „Wir sind die Mehrheit und wir sind stark, weil wir geschlossen sind und weil wir entschlossen sind, unser Land und unsere Demokratie nach 1945 nicht ein zweites Mal zerstören zu lassen.“
15.49 Uhr: Jetzt spricht Bürgermeister Peter Tschentscher: „Es ist ermutigend zu sehen, wie viele Tausend Menschen heute zu dieser Kundgebung gekommen sind, um in der vielleicht kritischsten politischen Phase unseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg auf der richtigen Seite zu stehen“, sagte der SPD-Politiker.
15.46 Uhr: Kazim Abaci, migrationspolitischer Sprecher der SPD, übernahm die offizielle Begrüßung. „Hier steht die Mitte der Gesellschaft“, sagte der 58-Jährige.“ „Wir verhindern dass, sich das dunkelste Kapitel unserer Geschichte wiederholt.“
15.39 Uhr: Da die AfD am Nachmittag eine Fraktionssitzung abhält, greift vor dem Rathaus eine Bannmeile. Die Polizei macht am Rathausmarkt die Wege eng, damit diese auch eingehalten wird. Zu ihrer Sitzung hat die AfD übrigens Ulrich Vosgerau eingeladen, der sich aktuell mit einem möglichen Parteiausschluss aus der CDU konfrontiert sieht – er war beim berüchtigten Potsdamer Treffen rund um die Massendeportationspläne dabei.
15.32 Uhr: Chawla warb dafür, wieder mehr für ein „solidarisches Miteinander“ zu streiten. „Wir brauchen mehr solidarische Politik und soziale Gerechtigkeit. Abstiegsängste führen zu oft in das rechts-konservative Milieu. Deswegen lasst uns diese Ängste ernst nehmen.“ Für die Gewerkschafterin war das Motto des Tages klar: „Alle zusammen – gegen den Faschismus!“
15.30 Uhr: Die erste Rede hielt, schon kurz vor dem offiziellen Start der Demo, die Hamburger DGB-Vorsitzende Tanja Chawla. „Letzten Freitag, vor genau einer Woche, haben wir uns auf der Demo vor dem Büro der AfD ge-wünscht, dass nun doch alle aufstehen müssten: gegen Rechts“, sagte sie – und heute stehe bereits ein „sehr breites Bündnis“ auf dem Jungfernstieg.
15.25 Uhr: Es wird immer voller in der Innenstadt – und auch die Bahnen platzen aus allen Nähten. „Umfallen kann man nicht mehr“, nehmen manche Demoteilnehmer in spe die erschwerte Anreise mit Humor.
15.04 Uhr: Schon rund eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn der Demo haben sich Tausende am Jungfernstieg eingefunden. Auch Fußball-Fans zeigen Flagge gegen Rechts: Eine Gruppe von HSV-Supportern steht samt Flagge in der Menschenmenge.
14.48 Uhr: Langsam, aber sicher machen sich die Menschen auf den Weg in die Innenstadt. Die S-Bahn ist rappelvoll wie im Berufsverkehr, berichtet ein MOPO-Reporter. Viele wollen zur Demo, hört man aus den Gesprächen. Am Rücksack einer Frau hängt ein Pappschild, darauf steht die Botschaft „Kein Millimeter nach Rechts“. Auf der Sitzbank nimmt ein Mädchen im Schneeanzug mit ihrem Vater Platz. Es schreibt mit einem roten Filzstift auf eine Pappe: „Deutschland soll BUNT bleiben“.
14.21 Uhr: Auch in der Fußball-Bundesliga sind die Proteste gegen Rechtsextremismus dieser Tage ein großes Thema. „Es liegt an der Zivilgesellschaft und jedem einzelnen, eine Haltung dazu zu haben. Und diese Haltung kann man am Wochenende sichtbar machen. Das ist in diesen Zeiten wichtiger denn je“, sagte Werder Bremen-Trainer Ole Werner am Freitagmittag.
13.07 Uhr: Nicht nur in Hamburg wird demonstriert, auch in vielen weiteren Städten im Norden gibt es am heutigen Freitag Protestaktionen. Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg zeigte sich davon beeindruckt. „Schon viel zu lange haben die Lauten und die Schrillen die öffentliche Debatte dominiert und damit Hass und Spaltung Raum bekommen. Es ist höchste Zeit, dass die breite Mehrheit der Gesellschaft ihre Stimme erhebt und für die liberale Demokratie, Solidarität und Freiheit auf die Straße geht“, sagte die Grünen-Politikerin.
12.48 Uhr: Unter dem Motto „Hamburg steht auf!“ sollen möglichst viele Menschen auf die Straße ziehen – auch diejenigen, die ansonsten nicht so oft an Demonstrationen teilnehmen. Für Familien und Kinder gibt es deshalb auf dem Ballindamm zwischen Alstertor und Kunsthalle eine eigene Schutzzone. In diesem Raum sollen sie protestieren können, ohne dass es viel zu laut oder viel zu voll wird.
+++ Ursprünglich sollte die Demo auf dem Rathausmarkt stattfinden, gestern wurde sie auf den Jungfernstieg verlegt. Dafür hat die AfD mit einem Trick gesorgt: Sie meldete eine Fraktionssitzung in der Bürgerschaft an. Dadurch kommt das Bannmeilengesetz zum Tragen – Demos dürfen dann nicht im Umkreis von 350 Metern um das Rathaus stattfinden. Daher wurde die Demo kurzerhand auf den Jungfernstieg verlegt. Mehr dazu lesen Sie hier.
+++ Zahlreiche Redner:innen haben sich angekündigt: Erwartet werden unter anderem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, Bischöfin Kirsten Fehrs, der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbands UVNord, Michael Thomas Fröhlich, sowie der Intendant des Thalia-Theaters, Joachim Lux.
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Demo in Hamburg: Promis rufen zur Teilnahme auf
+++ Viele Promis haben bereits im Vorfeld zur Teilnahme an der Demo aufgerufen. Eine Auswahl finden Sie hier.
+++ In einer gemeinsamen Erklärung zur Demo betonen die Initiatoren, zu denen auch Prominente wie der Klimaforscher Mojib Latif, der Musiker Udo Lindenberg, der Polarforscher Arved Fuchs und die protestantische Bischöfin Kirsten Fehrs zählen, „dass Hamburg eine internationale und vielfältige Stadt ist. Wir wollen, dass das so bleibt!“
Der Hamburger Klimaforscher Mojib Latif sagte zur MOPO: „Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Diversität sind in höchster Gefahr. Seit vielen Monaten wächst in mir das Unbehagen darüber, dass Demokratiefeinde in Deutschland immer mehr Zulauf haben. Es ist an der Zeit, dass wir uns gegen solche Tendenzen erheben, bevor es zu spät ist. Geschichte darf sich in diesem Punkt nicht wiederholen.“
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+++ Hintergrund des Protests sind erschütternde Recherchen von „Correctiv“: Das Medienhaus hatte vorige Woche über das bis dahin nicht bekannte Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU in einer Potsdamer Villa vom 25. November berichtet.
Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Mehr dazu hier.
Demo „Hamburg steht auf!“: Tausende erwartet
+++ Erwartet werden heute Nachmittag Tausende: Die Organisator:innen des Protests unter dem Motto „Hamburg steht auf! Gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke“ gingen am Donnerstag davon aus, dass etwa 10.000 Menschen kommen werden.
Bereits am vergangenen Freitag wurde in Hamburg demonstriert: Vor dem AfD-Büro in der Innenstadt versammelten sich etwa 2000 Menschen.
+++ Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Kulturschaffenden, Wirtschaftsverbänden, Parteien und Vereinen hat heute zum Protest in der Innenstadt aufgerufen: Die Demo soll am heutigen Freitag um 15.30 Uhr am Jungfernstieg beginnen.