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  • „Hansi“ (37) ist Schausteller in vierter Generation. Wenn er nicht bald wieder zu Jahrmärkten fahren darf, ist er im nächsten Jahr pleite. Mit Erlaubnis der Behörden darf er nun in Barmbek auftreten.
  • Foto: Patrick Sun

Lichtblick für Schausteller : Behörden erlauben „Mini-Jahrmärkte“ in Hamburg

An die 70 Schausteller haben mit einer Genehmigung der Behörden in ganz Hamburg ihre Buden aufgebaut und locken die Kunden mit Essen und Fahrgeschäften. Das bringt den Betrieben „ein paar Euro“ – aber retten wird es sie nicht.

Es leuchtet und blinkt farbenfroh in Hans-Heinrich Dieckmanns Kinderkarussell – ein Anblick, auf den der Schausteller, den alle nur Hansi nennen, viel zu lange verzichten musste, während das Fahrgeschäft neben den anderen Buden in der Garage des 37-jährigen herumstand.

Nach der langen coronabedingten Pause durfte Dieckmann in Barmbek nun zumindest zwei seiner Geschäfte aufstellen – das Karussell mit den kleinen Autos und Booten und einen Schwenkgrill für Bratwurst und Krakauer. Eine Genehmigung der Hamburger Behörden erlaubte es nun nämlich etwa 70 Schaustellern, ihre Betriebe in der Stadt verteilt aufzustellen und die Hamburger mit Essen und Fahrgeschäften zu beglücken.

Fast 70 Schausteller haben in Hamburg ihre Buden aufgestellt

Neben Dieckmanns zwei Geschäften gibt es noch drei weitere in Barmbek, außerdem zwei in Altona, jeweils drei in Bergedorf und Eimsbüttel, vier in Niendorf, jeweils eins in Klein-Flottbek und Langenhorn, 24 am Hafen und 23 in der Innenstadt. An fast jeder Ecke wartet inzwischen ein kleines Mini-Jahrmarkt-Erlebnis auf die Hamburger.

„Das ist eine Win-Win-Situation für die Schausteller, die nun zumindest ein paar Euro verdienen, und die Hamburger, vor allem die Kinder, die ein wenig Ablenkung vom Corona-Alltag bekommen“, sagt Wilfried Thal, Präsident des Landesverbandes des Ambulanten Gewerbes und der Schausteller Hamburg e.V. (LAGS).

Hamburger Schausteller: „Lange werden wir das nicht mehr durchhalten“

Die Hamburger Schaustellerverbände waren es auch, die sich für die Aktion eingesetzt haben. Denn an der prekären Situation der Betriebe hat sich nichts geändert: Jahrmärkte und Volksfeste dürfen nach wie vor nicht stattfinden. Und für Schausteller gibt es zwar Unterstützung durch den Staat, aber dieser würde nur die Betriebskosten zu 80 Prozent erstatten, berichtet Thal. „Die Lebenserhaltungskosten der Familien sind damit nicht abgedeckt, und sie leben von ihren Ersparnissen.“

Corona-Regeln

Hansi hofft, dass er bald wieder zu Jahrmärkten fahren darf. Bei seinem kleinen Auftritt in Barmbek beweist er, dass er darauf vorbereitet wäre.

Foto:

Patrick Sun

Laut Dieckmann kann das niemand auf Dauer durchhalten. „Wenn es so weiterläuft, schaffen wir das kein Jahr mehr. Das Hemd sitzt extrem eng.“

Die kleinen Auftritte in der Stadt sind ein Lichtblick für den Schausteller in vierter Generation. Vor allem aus emotionaler Sicht: „Zuhause ist mir echt die Decke auf den Kopf gefallen. Von klein auf an habe ich in den Geschäften mitgeholfen. Das Schaustellersein ist einfach mein Leben, und ich kann mir nichts anderes vorstellen.“

Hamburger Schausteller hoffen auf den Winterdom

Die Einnahmen aus den „Mini-Jahrmärkten“ seien in keinem Fall mit denen auf einem normalen Volksfest zu vergleichen und würden die Schausteller kaum aus ihrer Notlage befreien können. Dieckmann ist aber froh „über jeden Euro“, der ihm hilft, den Kühlschrank zu füllen.

Perspektivisch hofft er – ebenso wie der LAGS –  auf den Winter. Wenn Weihnachtsmärkte und der Winterdom stattfinden könnten, wäre das ein Segen. Laut Verbandschef Thal stehen die Chancen dafür sehr gut, da die Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden sehr gut funktioniere.

Hansi und Schild

Zu Hansis Hygienekonzept gehören auch Aufkleber, die die Kunden zur Einhaltung des Mindestabstandes bewegen sollen.

Foto:

Patrick Sun

„Die Verluste aus dem bisherigen Jahr könnten wir mit den Winterveranstaltungen zwar nicht aufholen – normalerweise sind wir auf bis zu 30 Veranstaltungen vertreten –, aber zumindest könnten wir damit unser Überleben sichern“, erzählt Dieckmann.

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Die Existenzsicherung der Schausteller hat für den LAGS höchste Priorität. „Die Schausteller werden als viel zu selbstverständlich angesehen, denn sie sind für Kultur und Gesellschaft von hoher Bedeutung. Wenn es sie nicht mehr gäbe, ginge ein Teil unserer Traditionen verloren“, sagt Thal.

Hamburger Schausteller: „Wir fühlen uns vergessen vom Staat“

Schausteller Dieckmann fühlt sich manchmal vergessen vom Staat. „Wenn überfüllte Einkaufszentren und Freizeitparks geöffnet sein und die öffentlichen Verkehrsmittel normal fahren dürfen, verstehe ich nicht, warum Jahrmärkte noch verboten sind“, sagt er und verweist darauf, dass Volksfeste unter freiem Himmel stattfinden würden und die Anbieter ausgeklügelte Hygienepläne in petto hätten. 

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Jetzt genießt er aber erstmal das Stück Normalität, das ihm durch die Auftritte in Barmbek gegeben wird, und das „Leuchten in den Kinderaugen“, das er nun wieder sehen darf. Denn für den Schausteller „mit Leib und Seele“ ist klar: „Einen anderen Job möchte ich nicht machen.“

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