Legendäre Konzerte in Hamburg: Wie die Rolling Stones für Randale sorgten
Diese fünf schmalen Bürschchen, die am 13. September 1965 milchgesichtig die Flugzeugtreppe in Fuhlsbüttel hinabsteigen, sollen die härteste Band der Welt sein? Die Rolling Stones treffen an diesem Montag zu ihren ersten Konzerten in Hamburg ein, bekreischt von 2000 jungen Fans. Die Engländer sorgen am Ende des Tages nicht für Angst und Schrecken. Aber ihre Fans – denn die randalieren nach den Auftritten sechs Stunden lang.
Diese fünf schmalen Bürschchen, die am 13. September 1965 milchgesichtig die Flugzeugtreppe in Fuhlsbüttel hinabsteigen, sollen die härteste Band der Welt sein? Die Rolling Stones treffen an diesem Montag zu ihren ersten Konzerten in Hamburg ein, bekreischt von 2000 jungen Fans. Die Engländer sorgen am Ende des Tages nicht für Angst und Schrecken. Aber ihre Fans – denn die randalieren nach den Auftritten sechs Stunden lang.
„Härteste Band der Welt“ – dieses Image hat das Management Mick Jagger & Co. verpasst, um sie von den braven Beatles abzugrenzen. Funktioniert hervorragend. Fans der vier Pilzköpfe gelten bei Stones-Anhängern als Weicheier, sie selbst sehen sich als Rebellen, die aufbegehren gegen das Establishment.
Die zwei Konzerte der ersten Deutschland-Tour in Hamburg sind ruckzuck ausverkauft. Die Teenie-Postille „Bravo“ präsentiert die Band. Dasselbe Magazin übrigens, das sie kurz vorher noch als „ungewaschene, ungehobelte Rüpel“ bezeichnet hatte.

Vor den zwei kurzen Auftritten in der damaligen Ernst-Merck-Halle (heutiges Messegelände) am Dammtor ist die Hamburger Polizei nervös, denn die Fans der Rolling Stones sind bei Konzerten an den Tagen zuvor mächtig durchgedreht. In Dublin stürmten Fans die Bühne, in Düsseldorf hielt die Polizei Wasserwerfer auf Randale-Anhänger.
„Wir sind auf alles vorbereitet, aber wir nehmen an, dass nichts passieren wird“, sagt Hamburgs Polizeidirektor. Vorsichtshalber wappnen sich die Beamten mit Schlagstöcken, bringen Hundestaffeln in Alarmbereitschaft und postieren zwei Wasserwerfer in der Nähe.
Rolling Stones in Hamburg 1965: Am Flughafen ist alles noch friedlich
Am Fuhlsbüttler Flughafen ist noch alles friedlich, als die Band gegen 11 Uhr eintrifft. Zwar gibt es lautes Geschrei und Gegröle, aber alle bleiben brav hinter den Absperrgittern. Rauchend gibt die Band nach ihrer Ankunft eine Pressekonferenz, danach geht es ins Hotel. Vor der Herberge in der Ernst-Merck-Straße (St. Georg) stoßen vier Autos zusammen, solch einen Auflauf gibt es dort.
Das könnte Sie auch interessieren: Als die Fans von Pink Floyd im Stadtpark die Zäune niedertrampelten
Am späten Nachmittag ist die Ernst-Merck-Halle proppenvoll. Die meisten der 6000 Besucher sind unter 18 Jahre alt, sie haben zwischen acht und 16 Mark für ihre Karte bezahlt. Manche haben sich in ihren besten Sonntagsanzug geworfen. Um 17.30 Uhr ist es endlich so weit. Mick Jagger, optisch brav in Sakko, Rollkragenpulli und Karo-Hose, und seine Kumpanen Keith Richards, Bill Wyman und Charlie Watts betreten die Bühne. Und dann rollen die Steine los. Jagger singt und zuckt, wackelt mit Kopf, Armen, Beinen, mit allem, was er hat. Dieser Aufritt ist schroff, wild, ekstatisch.

Das Publikum kreischt und schreit, drängt nach vorn. Irgendwann steht die halbe Halle auf den Klappstühlen. „Frauen stöhnen verzückt, schluchzen, werden von Ordnern auf ihre Plätze zurückgedrängt, heulen weiter“, notiert ein Reporter später in seinem Bericht. Ein Mann beginnt sich auszuziehen – und bekommt ebenfalls Ärger mit dem Aufsichtspersonal. Von der Musik hört man nicht viel, weil das Gekreische alles übertönt. Nach nur acht Liedern, darunter „Satisfaction“ und „The Last Time“, ist alles schon vorbei – nach gerade mal 20 Minuten. Ohrenbetäubende 107 Phon Lautstärke misst die Polizei beim Schlussjubel.
Vor der Ernst-Merck-Halle gibt es Randale
Vor der Tür der Ernst-Merck-Halle geht es später richtig rund. Um 21 Uhr beginnt der zweite Kurz-Auftritt der Stones. Der Frust der Fans, die keine Karte abbekommen haben, entlädt sich in purer Gewalt. Rund 2000 junge Leute fangen an, zu randalieren und rufen „Jetzt gibt’s Putz!“ Mittendrin: Eine Gruppe von Jugendlichen, die in der Stadt schon als „Krawallmacher“ bekannt sind.

Rund um die Halle und den angrenzenden Park gerät die Lage außer Kontrolle. Zwei Parkwächter-Häuschen werden umgeworfen, Kioske und Bänke demoliert, Autos beschädigt, Bäume ungeknickt und Schaufenster zerstört. Berittene Polizisten und die Motorradstaffel versuchen, die Menge auseinander zu treiben. Schließlich werden zwei Wasserwerfer eingesetzt. Der Verkehr in der Innenstadt bricht völlig zusammen.

Erst in den frühen Morgenstunden herrscht wieder Ruhe. Die Randale-Bilanz des ersten Konzerts der Rolling Stones in Hamburg: 47 Festnahmen, Sicherstellung von Schlageisen, Messern und Brecheisen sowie – nach heutigem Geld – 60.000 bis 80.000 Euro Sachschaden. Acht Menschen werden verletzt.

Und die Randale-Tour geht noch weiter. Einen Tag nach Hamburg treten die Briten in München auf, danach in der Waldbühne in Berlin. Und dort wüten die Fans noch heftiger als in Hamburg: 2000 Anhänger liefern sich eine Schlacht mit der Polizei. Am Ende gibt es fast 100 Verletzte, 85 Festnahmen und eine völlig zerlegte Konzertstätte, auf der es jahrelang keine Shows mehr gibt.
Das könnte Sie auch interessieren: Wie die „Beatles“ 1966 in Hamburg für Chaos sorgten
In der Hamburger Ernst-Merck-Halle treten die bösen Buben im April 1967 wieder auf. Krawalle gibt es danach keine mehr.