Legendäres Konzert: Als „Fettes Brot“ trotz Hausverbot in der Roten Flora rappten
Dass einer Band per Strafanzeige ein Auftritt untersagt werden soll – skurril. Genauso ist es aber vor knapp neun Jahren in der Sternschanze geschehen. Die HipHopper von „Fettes Brot“ wollten in der Roten Flora am Schulterblatt ein Konzert geben, der damalige Eigentümer dies mit Hilfe der Justiz verhindern. Vergebens, die Brote traten trotzdem auf – und legten einen Auftritt hin, der für mächtigen Nachhall sorgte.
Dass einer Band per Strafanzeige ein Auftritt untersagt werden soll – skurril. Genauso ist es aber vor knapp neun Jahren in der Sternschanze geschehen. Die HipHopper von „Fettes Brot“ wollten in der Roten Flora am Schulterblatt ein Konzert geben, der damalige Eigentümer dies mit Hilfe der Justiz verhindern. Vergebens, die Brote traten trotzdem auf – und legten einen Auftritt hin, der für mächtigen Nachhall sorgte.
3. November 2013, 17 Uhr. Ein kalter Herbstwind pfeift über das Schulterblatt, doch den Fans, die vor der Roten Flora in der Schlange stehen, ist das Wetter egal. In drei Stunden sollen „Fettes Brot“ in dem autonomen Zentrum auftreten – eine in Hamburg besonders beliebte Band, die sonst die großen Hallen füllt. Eintritt: 5 Euro. Vor dem Gebäude sind riesige Boxen und Leinwände aufgestellt, damit auch draußen jeder mitbekommt, was drinnen vor sich gehen wird.

Zu diesem Zeitpunkt schwelt seit längerem ein Streit um die Zukunft und einen möglichen Verkauf der Roten Flora. Besitzer Klausmartin Kretschmer, eine schillernde Figur auf dem Hamburger Immobilienmarkt, hatte das Gebäude 2001 vom rot-grünen Senat für 370.000 Euro gekauft. Nun will er das Autonomen-Zentrum zu einem sechsstöckigen Kulturzentrum mit Konzerthalle ausbauen. Die Linksautonomen bezeichnen die Pläne als grotesk und kündigen Widerstand an. „Nach 24-jähriger nichtkommerzieller Nutzung des Hauses als besetztes politisches Projekt steht dessen Fortbestand nicht im Ansatz zur Disposition“, heißt es aus der Roten Flora.
„Fettes Brot“ geben Konzert in der Roten Flora – aus Solidarität
Die Band „Fettes Brot“ steht auf Seite der Autonomen. „Wir unterstützen die ,Flora‘ als Kulturstätte. So ein neues Entertainment-Zentrum am Schulterblatt braucht kein Mensch“, sagte König Boris damals der MOPO. Die Musiker wollen ihr neues Album „3 ist ’ne Party“ dort präsentieren. Eigentümer Klausmartin Kretschmer stellt sich auf die Hinterbeine, um das zu verhindern. Es gelingt ihm jedoch nicht.

5000 Euro hatte Kretschmer von der Band für die Nutzung seines Gebäudes verlangt, doch die lehnt ab. Der Eigentümer spricht vor dem Auftritt ein Hausverbot aus und zeigt die Band bei der Polizei an – wegen der „drohenden Straftat eines Hausfriedensbruchs“. Die Anzeige stellt er per Fax, E-Mail und Bote, sicher ist sicher.
Von der Polizei erwartet er, dass sie sein Eigentum vor den rappenden Eindringlingen schützt, doch die Beamten erteilen dem Investor eine Abfuhr. Es handele sich um eine zivilgerichtliche Auseinandersetzung, bei der vorranging die Zivilgerichte, und nicht die Polizei zuständig sei.

Doch die Band lässt sich von ihrem Auftritt nicht abbringen. Als die Musiker um 21.37 Uhr die Bühne entern, sind das Gebäude und das Schulterblatt proppenvoll. „Schön, dass ihr alle da seid“, ruft Björn Beton – dann kommt der Bass von „Wackelige Angelegenheit“.
Schulterblatt wird zur riesigen Freiluft-Party
Mit dem Hit „Erdbeben“ und einer brachialen Elektro-Version von „Emanuela“ heizen die Brote ein. Die Rap-Dinos toben so wild über die Bühne, als wäre dies ihre erste Show vor rappelvollem Haus. In der Roten Flora und davor tanzen die Massen, das Schulterblatt wird zur riesigen Freiluft-Party.

Nachdem im Gebäude die letzten Bässe verklungen sind, taucht das HipHop-Trio auf dem Vordach des Gebäudes für eine Zugabe auf, stimmen „An de Eck steiht ’n Jung mit’n Tüdelband“ und „We love St. Pauli“ an, die Masse grölt mit. Bengalos werden gezündet und Raketen abgefeuert – die Stimmung aber bleibt friedlich. Ab etwa 23.30 Uhr ändert sich das, als etwa 400 zum Teil Vermummte durch die Schanze ziehen, Mülltonnen auf die Straße werfen und Baustellenabsperrungen umreißen. Die Polizei ist mit 120 Beamten vor Ort.
Rotfloristen sehen Konzert von „Fettes Brot“ als Erfolg
Die Rotfloristen selbst sehen das Konzert als großen Erfolg. „Das war alles absolut positiv. Wir freuen uns sehr, dass die Band ,Fettes Brot‘ das durchgezogen hat und die sich nicht ins Bockshorn haben jagen lassen. Sie haben sich von dem Verbot nicht abschrecken lassen“, sagt ein Sprecher der Roten Flora.
Aber die Geschichte geht noch weiter. Am Tag nach dem Konzert schießt Klausmartin Kretschmer erneut aus allen Rohren. Er erstattet eine weitere Strafanzeige gegen die Band, die geforderte Mietgebühr will er einklagen. „Auch die Herren von Fettes Brot müssen sich an Gesetz und Recht in Deutschland halten“, lässt er schriftlich verlauten.
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Ein Jahr später ist der Investor insolvent. Die Gläubigerversammlung beschließt, der Stadt die Rote Flora für 820.000 Euro zu verkaufen – seit November 2014 gehört das Gebäude der städtischen Lawaetz-Stiftung. „Fettes Brot“ haben Ende August erneut mit einem Konzert für Furore gesorgt, als sie auf einem Schiff die Elbe entlang mehrere Gratis-Konzerte spielten. Im kommenden Jahr geht die Band auf Abschiedstour, danach will sie sich nach 30 Jahren auflösen.