Lasst uns bitte arbeiten! Wie eine Familie gegen die Abschiebung kämpft
Deutschland gilt als Land, in dem kranken Menschen geholfen wird. Das hat Alqi S. (50) zumindest gelesen. Er, sein Sohn Enkel (17) und seine Frau Dhurata (41) klammern sich an diese Hoffnung, kommen 2019 aus Albanien her. Um das Leben von Dhurata zu retten. Doch sie dürfen nicht bleiben..
Deutschland gilt als Land, in dem kranken Menschen geholfen wird. Das hat Alqi S. (50) zumindest gelesen. Er, sein Sohn Enkel (17) und seine Frau Dhurata (41) klammern sich an diese Hoffnung, kommen 2019 aus Albanien her. Um das Leben von Dhurata zu retten. Doch sie dürfen nicht bleiben.
Dhurata S. sitzt in ihrer Wohnung in Billstedt auf dem Sofa, Hände im Schoß, Blick gesenkt. „Die Krankheit macht mir zu schaffen. Dazu die Frage nach unserem Aufenthaltsstatus. Ich habe Angst und weiß, wenn ich zurückmuss, werde ich sterben“, sagt sie und kämpft mit den Tränen. Die 41-Jährige wirkt, als trage sie die ganze Last der Welt auf ihren Schultern – wie die mythologische Figur Atlas, nur dass sie das Gewicht nicht mehr stemmen kann.
Hamburg: Albanischer Familie droht Abschiebung
Dhurata hat Zystennieren, eine chronische Erkrankung. Sie ist erblich und führt unbehandelt zu Nierenversagen, da das funktionstüchtige Gewebe durch Zysten verdrängt wird. Oft hilft am Ende nur eine Transplantation. Ihr Vater bekam keine neue Niere – und starb mit 42 Jahren. Dhurata hat bereits Niereninsuffizienz, Stadium 4. Bei Stadium 5 versagt das Organ. Sie muss dreimal die Woche zur Dialyse, ist depressiv, wollte sich umbringen.
Alqi knetet seine Hände. Ihm steigen immer wieder Tränen in die Augen. „Die Angst um meine Frau hat uns nach Deutschland getrieben“, erklärt er. „Wir sind dankbar für die Hilfe, die sie hier erhält. Ich möchte in Hamburg arbeiten, mein Sohn hat sich sehr gut in der Schule integriert. Ich wünsche mir, dass wir hierbleiben dürfen, damit meine Frau gesund wird. Werden wir nach Albanien zurückgeschickt, wird das Leben meiner Frau extrem verkürzt.“
Familie S. lebt seit September 2019 nur mit einer Duldung in Deutschland. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Sie gelten damit als „vollziehbar ausreisepflichtig“. Albanien ist als sicheres Herkunftsland gelistet: kein Krieg, kein Terror. Nur weil die Eltern krank sind – auch Alqi hat schwere psychische Probleme – werden sie derzeit nicht abgeschoben. Doch der Status der Duldung bringt ein erhebliches Problem mit sich: Niemand in der Familie darf arbeiten – obwohl sie das alle drei wollen.
Familie S. lebt mit einer Duldung in Deutschland
Alqi war in Albanien zuletzt als Wasserinstallateur tätig, davor im Baugewerbe. „Ich möchte unseren Lebensunterhalt durch meine Arbeit bezahlen“, sagt er. Doch die Gesetzeslage lässt es nicht zu.
Enkel besucht die 10. Klasse einer Stadtteilschule. Seine Deutschkenntnisse habe er schnell verbessert, sich initiativ um Praktika bemüht und einen Ausbildungsplatz angeboten bekommen, berichten seine Lehrer. Er möchte in die Pflege. Deutschland braucht Pflegekräfte. Dem Institut für deutsche Wirtschaft zufolge, könnte die Versorgungslücke im Pflegebereich bis 2035 auf knapp 500.000 Fachkräfte steigen. Doch Enkel ist in der Schleife gefangen, die viele Migranten nur zu gut kennen: Für einen Ausbildungsplatz braucht es eine Aufenthaltserlaubnis, für die Aufenthaltserlaubnis einen Ausbildungsplatz. Es könnte eng werden: Am 23. Oktober wird er 18 Jahre alt. Ab da kann man ihn abschieben – auch wenn seine Eltern bleiben dürfen.
Ein Dilemma, jedoch kein Einzelfall. Hont Péter Hetényi, der Anwalt von Familie S., hofft, dass Enkel trotz Duldung einen Arbeitsvertrag bekommt. Diesen könnte er dann zusammen mit seinem Schulzeugnis bei der Ausländerbehörde einreichen, um eventuell eine Ausbildungsduldung zu erhalten.

Bis dahin versucht er über einen weiteren Härtefallantrag, ein dauerhaftes Bleiberecht für die Familie zu erwirken. „Aus rechtlicher Sicht ist das Verhalten der Ausländerbehörde und der bisher bemühten Gerichte im Falle der Familie S. wohl nachvollziehbar, aus menschlicher Sicht jedoch eine Katastrophe“, sagt er.
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Der FDP-Politiker Sami Musa ist von der Geschichte der Familie ebenfalls berührt. Er hat sie im Rahmen seiner Reihe „Abgeordneter vor Ort“ kennengelernt: „Wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, bin ich für eine schnellere Abschiebung. Aber diese Familie möchte sich anpassen, integrieren und ihren Beitrag leisten. Ich finde es traurig, wenn am Ende die Schwächeren leiden.“
Die Duldungsfrist der Familie wurde im Januar noch einmal verlängert. Doch die Ungewissheit ist ein ständiger Begleiter. „Ich habe nicht erwartet, dass es so schwer wird“, sagt Alqi und wischt sich über die Augen.