Lange Lieferzeiten, extreme Preise: Handwerker in Not
Wer sich mit Handwerkern unterhält oder Freunde hat, die gerade bauen, der kennt sie, die Geschichten vom Materialmangel. Dachziegel? Kann man in ein paar Monaten mal wieder nachfragen. Backsteine? Ausverkauft. Heizkörper? Lieferzeit 16 Wochen. Baustahl? Der Preis kann sich bis zum Liefertermin verdoppeln. Dämmmaterial, Wärmepumpen, überall gibt es Probleme. Oft sind es kleine Teilchen, deren Fehlen große Wirkung hat.
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Wer sich mit Handwerkern unterhält oder Freunde hat, die gerade bauen, der kennt sie, die Geschichten vom Materialmangel. Dachziegel? Kann man in ein paar Monaten mal wieder nachfragen. Backsteine? Ausverkauft. Heizkörper? Lieferzeit 16 Wochen. Baustahl? Der Preis kann sich bis zum Liefertermin verdoppeln. Dämmmaterial, Wärmepumpen, überall gibt es Probleme. Oft sind es kleine Teilchen, deren Fehlen große Wirkung hat.
Marco Zahn ist Inhaber einer Vier-Mann-Dachdeckerfirma und nicht nur wegen der drei schweren Frühjahrsstürme komplett ausgebucht bis Jahresende. Dachziegel sind derzeit Gold wert: „Einige Hersteller nehmen schon gar keine Bestellungen mehr an, andere vergeben Kontingente an die Großhändler, und wenn die Ware von Juni und Juli schon vergeben ist, kriegt man eben erst im August wieder was.“
Handwerker leiden unter langen Lieferzeiten
Und ein Dach besteht ja nicht nur aus Ziegeln. Da kann alles mögliche fehlen. Holzfaserdämmmplatten etwa, oder Steinwolle: „Sechs Monate Lieferzeit“. Bei Flachdächern sieht es nicht besser aus: Bitumenbahnen sind derzeit bis zu 40 Prozent teurer, weil Produktionsstätten in der Ukraine ausgefallen sind.
„Wir kaufen jetzt etwas ein, ohne zu wissen, was die Ware bei Lieferung in drei, vier Monaten kostet,“ sagt Zahn. Ein Beispiel: Dachlatten. „Im Februar 2021 habe ich 70 Cent für den laufenden Meter bezahlt, im August 2021 waren wir dann bei 2,60 Euro, jetzt hat sich der Preis bei 1,15 Euro einigermaßen stabilisiert.“
Und Kupfer! Das Metall, das Deutsche unter anderem gerne für ihre Dachgauben verwenden, kam zum großen Teil aus Russland. „Im September kostete das Kilo 7,60 Euro, jetzt liegen wir bei 12,50 Euro“, rechnet der Dachdecker vor. Elektriker berichten, dass es zeitweise fast unmöglich war, überhaupt irgendwo Kupferkabel zu ergattern.
Fehlende Kleinigkeiten legen Baustellen lahm
Manchmal sind es kleinste Dinge, die dafür sorgen, dass die Zahnräder auf den Baustellen nicht mehr ineinander greifen. So wie Ortgangssteine, die die Abschlusskante des Ziegeldaches bilden. Oder die Endsteine für den Dachfirst. Wenn die nicht lieferbar sind, kann das Gerüst nicht abgebaut und der Auftrag nicht beendet werden. Dachdecker Zahn: „Dann haben wir eine letzte Rechnung von 10.000 Euro offen, weil Kleinstelemente für 500 Euro fehlen.“
Hinter Mangel und Preissteigerungen steht ein enggeknüpftes Netz von Ursachen. Der Ukrainekrieg, der den Nachschub von Baustahl aus Russland gestoppt hat und die Preise für alles, was aus Erdöl hergestellt wird (Folien, Kunststoffrohre), in ungeahnte Höhen treibt. Dann der Lockdown in China, der dafür sorgt, dass elektronische Komponenten sich in den Containern im Hafen von Shanghai stapeln. Und oben drauf kommt in vielen Bereichen noch eine explodierende Nachfrage – etwa bei allem, was Hausbesitzern Unabhängigkeit von Putins Gas verspricht, zum Beispiel Wärmepumpen und eigener Strom aus Sonnenenergie.
Gigantische Nachfrage nach Photovoltaik
„Derzeit sind, auch aufgrund der enormen Nachfrage, etwa Wechselrichter für Photovoltaikanlagen nur sehr schwierig zu bekommen“, sagt Dennis Liehr, Geschäftsführer der Hermann Stitz & Co. KG in Barsbüttel. Die fehlenden Komponenten sorgen dafür, dass der Gleichstrom aus den Solarzellen in Wechselstrom umgewandelt wird – ohne diese Steuerungsanlage im Keller nützen einem die Platten auf dem Dach gar nichts.
Das Unternehmen gehört zur GC-Gruppe, einem Verbund von Großhändlern im Haustechnikbereich. Oft könnten Teile, die gerade nicht zu bekommen sind, durch Alternativen aus den riesigen Lagerhallen in Barsbüttel ersetzt werden, aber: „Die Situation ist ungewöhnlich“, sagt auch der Großhändler Liehr.
Völlig außer Kontrolle ist die Preissituation bei Stahl: „Baustahl wird nach Tagespreisen verkauft“, sagt Jan Beutel, Geschäftsführer der Bau-Innung Hamburg: „Das macht eine Kalkulation fast unmöglich, weil man nicht weiß, was die Bestellung bei Lieferung kostet. Da sehen wir horrende Preise, Baustahl ist fast 100 Prozent teurer als vergangenes Jahr.“ Der Stahl, etwa für die Gitter in deutschen Betondecken, kam zum großen Teil aus Russland: „Die Auftragsbücher sind voll, aber an allen Ecken und Enden fehlt Material“, sagt Beutel.
Monatelange Wartezeit auf Heizkörper
Firmenchef Lars Rückert beschäftigt in der Arnold Rückert GmbH und der Schwesterfirma Lengemann & Eggers rund 150 Mitarbeiter in den Bereichen Heizung, Lüftung und Sanitär. „Unser gängiges Material vor der Wand, etwa der Standardheizkörper oder die WC-Keramik, war bisher noch immer zu kriegen, nur zu welchen Preisen, das fragt man besser nicht“, sagt Rückert, „zum Glück haben wir durch die Läger der Großhändler einen gewissen Puffer.“ Aber eine Lieferung kann im Moment auch sehr viel länger dauern als gewohnt: „Wir warten jetzt manchmal nicht zwei Wochen auf eine Lieferung Heizkörper, sondern je nach Serie auch mal drei, vier Monate.“
Die Folge: Firmen gucken in ihre überquellenden Auftragsbücher, bestellen so früh wie möglich beim Großhändler alles, was sie kriegen können – und müssen bei vorzeitiger Lieferung plötzlich 300 Heizkörper zwischenlagern, weil eine Großbaustelle dem Zeitplan hinterher hinkt, nachdem man dort so lange auf den Baustahl warten musste: „Ein Teufelskreis“, so Rückert.
Echte Engpässe bemerkt der Heizungsfachmann aber in anderen Bereichen: „Zum Beispiel bei Pumpen, bei denen Elektronikteile fehlen, die in Asien hergestellt werden. Oder bei Kesseln, da haben die Hersteller das Produkt zu 99 Prozent fertig, können aber nicht ausliefern, weil eine Platine oder ein Kabelbaum fehlt.“
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Große Hoffnung, dass die Situation sich entspannt, besteht in der Branche nicht: „Ich sehe da erst mal keinen Silberstreif am Horizont“, sagt Jan Beutel von der Bau-Innung: „Inzwischen werden ja auch die Banken nervös bei den Finanzierungen, weil kein Mensch weiß, wie viel ein Bau am Ende kosten wird.“