Prinzessin, Ex-Kanzler, Lindemann: Warum Promis am liebsten in Hamburg klagen
Till Lindemann ist seit mehreren Monaten heftigen Vorwürfen ausgesetzt: Der Rammstein-Sänger soll Frauen sexuell missbraucht haben. Er zog vor das Landgericht Hamburg, um gegen die Vorwürfe zu klagen. Auch viele andere Promis kamen hierhin, um sich gegen Medien-Berichte zu wehren – unter anderem eine Prinzessin und ein Ex-Kanzler. Warum aber ist Hamburg bei den VIP-Anwälten so beliebt?
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Till Lindemann ist seit mehreren Monaten heftigen Vorwürfen ausgesetzt: Der Rammstein-Sänger soll Frauen sexuell missbraucht haben. Er zog vor das Landgericht Hamburg, um gegen die Vorwürfe zu klagen. Auch viele andere Promis kamen hierhin, um sich gegen Medien-Berichte zu wehren – unter anderem eine Prinzessin und ein Ex-Kanzler. Warum aber ist Hamburg bei den VIP-Anwälten so beliebt?
Rund drei Monate ist es her, dass die Nordirin Shelby Lynn den Rammstein-Skandal auslöste: Die 22-Jährige erhebt schwere Vorwürfe gegen Frontmann Till Lindemann. Lynn soll im Rahmen eines Rammstein-Konzerts von Frontmann Till Lindemann sexuell angegriffen worden sein. Daraufhin meldeten sich zahlreiche Frauen – teilweise anonym – und berichteten von ähnlichen Vorfällen. Lindemann weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück.
Lindemann: Unterlassungsklage gegen Shelby Lynn vor dem Landgericht Hamburg
Lindemann ist gegen die Vorwürfe von Shelby Lynn gerichtlich vorgegangen, hat eine Unterlassungklage eingereicht – vor dem Landgericht Hamburg am Sievekingplatz (Neustadt). Und das, obwohl Shelby Lynn aus Nordirland kommt und Lindemann aus Berlin.
Das ist möglich, weil es beim Presserecht den sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“ gibt. Das bedeutet: Der Kläger kann sich aussuchen, wo er seine Klage einreicht. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Radio- und TV-Sendungen in ganz Deutschland zu empfangen und Zeitungen und Magazine bundesweit zu kaufen sind – Prozesse sind deshalb in jeder Stadt möglich.
Und: Das hiesige Landgericht ist bei Promis sehr beliebt. Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat hier zum Beispiel geklagt und erreicht, dass eine Nachrichten-Agentur nicht mehr verbreiten darf, dass sich der Politiker seine Haare färbe.
Prinzessin und Ex-Kanzler: Die VIPs lieben das Hamburger Landgericht
Ein anderes Beispiel: Moderatorin Maja Prinzessin von Hohenzollern klagte vor dem Dresdner Landgericht wegen eines Artikel der „Dresdner Morgenpost“ über eine Strafanzeige von ihrem Ex-Mann. Sie scheiterte, klagte vor dem Hamburger Landgericht nochmal – und bekam dieses Mal recht.
Till Lindemann hat neben Lynn auch gegen unterschiedliche Medien, unter anderem gegen die „Süddeutsche Zeitung“ und „tagesschau.de“, Unterlassungsklagen eingereicht – allesamt vor dem Hamburger Landgericht.
Warum aber ausgerechnet Hamburg? „Das Hamburger Landgericht hat den Ruf, eher pressekritisch zu urteilen. In der Vergangenheit hat die Pressekammer des Landgericht Hamburgs in bestimmten Fragen eher im Sinne des Klägers entschieden“, erklärt Experte Michael Fricke. Der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht ist unter anderem auch für die MOPO tätig.
Hamburger Landgericht hat den Ruf, pressekritisch zu urteilen
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Unterlassungsklage durchgeht, ist in Hamburg also tendenziell größer als in anderen Städten. So waren die Unterlassungsklagen von Lindemann gegen den „Spiegel“, „tagesschau.de“ und „Süddeutsche Zeitung“ – zumindest teilweise – erfolgreich.
Aber: „Natürlich gibt es auch Fälle, bei denen das Landgericht Hamburg im Sinne der Medien entschieden hat – da gibt es keine Garantie, das hängt immer vom Einzelfall ab,“ so Experte Fricke. So war es auch im Fall von Lindemanns Unterlassungsklage gegen Shelby Lynn. Diese hat das Landgericht Hamburg nämlich zurückgewiesen.
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Die Begründung: Die Nordirin werfe Till Lindemann kein systematisches Vorgehen vor, vielmehr handele es sich um eine „Wertung, bei der sie nicht behaupte zu wissen, wie ihr die Drogen verabreicht worden seien oder gar wer ihr die Drogen verabreicht habe“, so das Gericht. Deshalb greife hier die Meinungsäußerungsfreiheit – und diese überwiege im Vergleich mit den Persönlichkeitsrechten von Lindemann. Gestern gab die Staatsanwaltschaft Berlin bekannt, das Ermittlungsverfahren gegen Lindemann mangels hinreichenden Tatverdachts einzustellen.
Dass die VIP-Anwälte die freie Wahl des Gerichtsstandes ausnutzen, um Unterlassungen im grundsätzlich pressekritisch eingestellten Hamburger Gericht durchzuklagen, könne man kritisieren, sagt Anwalt Michael Fricke – diese Vorgehensweise sei aber legitim. Der Experte: „Es ist schließlich die Aufgabe des Anwalts, seinen Mandaten bestmöglich zu vertreten.“