Kurz vor der Wahl im Heimatland: Das denken die Hamburger Türken
1,49 Millionen türkische Staatsangehörige lebten im vergangenen Jahr in Deutschland, in Hamburg waren es 44.615. Bei ihnen im Moment von großem Interesse: die Präsidentschaftswahl, die am Sonntag in dem Land am östlichen Zipfel Europas stattfinden wird. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Edogan und seinem stärksten Konkurrenten Kemal Kilicdaroglu ab. Besonders groß ist die Spannung am Steindamm auf St. Georg, wo es besonders viele Angehörige der türkischen Community gibt. Die MOPO hat sich unter ihnen umgehört, was sie vor der Schicksalswahl denken.
1,49 Millionen türkische Staatsangehörige lebten im vergangenen Jahr in Deutschland, in Hamburg waren es 44.615. Bei ihnen im Moment von großem Interesse: die Präsidentschaftswahl, die am Sonntag in dem Land am östlichen Zipfel Europas stattfinden wird. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Edogan und seinem stärksten Konkurrenten Kemal Kilicdaroglu ab. Besonders groß ist die Spannung am Steindamm auf St. Georg, wo es besonders viele Angehörige der türkischen Community gibt. Die MOPO hat sich unter ihnen umgehört, was sie vor der Schicksalswahl denken.
Fast alle Angestellten im Dönerladen von Vural Yildiz blicken gespannt auf die Wahl am Sonntag in ihrem Heimatland. „Wir haben hier sowohl Erdogan-Befürworter als auch -Gegner“, sagt Yildiz. „Das spielt für mich keine Rolle – auch wenn ich eine eindeutige Meinung habe.“ Der 46-Jährige ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, hat aber zwischenzeitlich mehrmals in der Türkei gelebt und die Dinge zu schätzen gelernt, die der aktuelle Präsident Recep Tayyip Erdogan verändert hat.
Darum würden Hamburger Türken Erdogan wiederwählen
„Du machst den Wasserhahn auf und es kommt warmes Wasser raus“, sagt er. „Früher mussten wir das Wasser zum Duschen kochen und mit kaltem mischen. Gerade hat er einen 14 Kilometer langen Tunnel eröffnet. Er hat für sinkende Energiepreise gesorgt. Mir ist egal, wie der Präsident heißt, aber er muss abliefern. Die Opposition kann so etwas nicht vorweisen und hat auch keine großartigen Pläne.“

Allen Umfragen zufolge liegt Erdogan knapp hinter seinem stärksten Konkurrenten Kemal Kilicdaroglu von der CHP, hinter dem sich sechs oppositionelle Parteien zusammengeschlossen haben. Auch wenn solche Erhebungen zehn Tage vor der Wahl verboten sind, hat das Koda-Institut aktuelle Zahlen veröffentlicht: Demnach liegt Kilicdaroglu bei 49,3 Prozent, Erdogan bei 43,7 Prozent.
Dazu trägt auch bei, dass der Oppositionelle Muharrem Ince seine Kandidatur spontan zurückgezogen hat. Er lag zwar nur bei knapp zwei Prozent, doch seine Wähler dürften größtenteils zu Kilicdaroglu überlaufen. Für einen Sieg im ersten Wahlgang benötigt dieser die absolute Mehrheit.
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Seit 20 Jahren ist Erdogan an der Macht, zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Viele werfen ihm vor, er würde nach dem Aufbau einer Diktatur streben. Dementsprechend kritisch äußern sich die meisten Ladenbesitzer und Passanten, die in dieser Woche am Steindamm unterwegs sind. Wer Erdogan unterstützt, möchte damit lieber nicht hausieren gehen – auch das spürt man.
Keine Hilfe: Familie starb bei dem verheerenden Erdbeben
Cogal Tugay hat gerade Besuch von zwölf Familienmitgliedern, die aufgrund des Erdbebens aus der Türkei geflohen sind. Bei der verheerenden Katastrophe Anfang Februar sind mehr als 51.000 Menschen gestorben. „Der Umgang mit dem Erdbeben ist einer der Gründe, warum wir Erdogan nicht wiederwählen würden“, sagt Tugay.

Er übersetzt, was sein Vetter Nihat (der Nachname wird aus Sicherheitsgründen nicht genannt) aus Antakya ergänzt: „Wir haben drei Tage lang keine Hilfe bekommen. Sie benachteiligen beim Wiederaufbau die Regionen, in denen traditionell weniger Erdogan-Wähler leben.“ Mahmut, ein weiterer Verwandter Tugays, sagt: „Ich habe meinen Bruder und seine Kinder sterben sehen. Dieses Land muss sich verändern!“

Für Cogal Tugay ist es wichtig, dass endlich ein Präsident für alle Türken an die Macht kommt. „Erdogan hat versprochen, dass er Politik für die Türken, Kurden, Aramäer, Lasen, Armenier, Griechen und alle anderen machen wird. Dieses Versprechen hat er gebrochen. Aus diesem Grund würde ihn nicht mehr wählen.“
Doch Tugay hat nicht an der Wahl teilgenommen. „Ich lebe seit fast 50 Jahren in Deutschland und fände es nicht fair, über die Politik dort mitzuentscheiden.“ Seine Verwandten wollen wieder zurück – wann, wissen sie noch nicht. „Erstmal hoffen wir, dass die Wahl in unserem Sinne ausgeht“, sagen sie.