Nach 140 Jahren: Kult-Kneipe am Isemarkt steht vor dem Aus
Ein verrauchter Gastraum, Inventar aus dem letzten Jahrhundert und resolute Barfrauen, die ihr Herz genau am richtigen Fleck haben: In „der Glocke“ in Harvestehude hat sich seit Jahrzehnten nichts verändert. Niemand aus dem Viertel kann sich die Ecke ohne eine Kneipe vorstellen. Und doch soll hier bald Schluss sein – die Stammgäste sind fassungslos.
Ein verrauchter Gastraum, Inventar aus dem letzten Jahrhundert und resolute Barfrauen, die ihr Herz genau am richtigen Fleck haben: In „der Glocke“ in Harvestehude hat sich seit Jahrzehnten nichts verändert. Niemand aus dem Viertel kann sich die Ecke ohne eine Kneipe vorstellen. Und doch soll hier bald Schluss sein – die Stammgäste sind fassungslos.
Für Handwerker Norbert Kalinna (60) ist die Glocke gegenüber vom Isemarkt wie ein zweites Wohnzimmer. „Wenn ich reinkomme, werde ich mit Namen begrüßt. Die Mitarbeiter wissen sofort, was ich trinken möchte“, erzählt er. „Das liebe ich so. Für mich ist das eine Wohlfühloase: Rauchig, ursprünglich. Viele Menschen kommen her, weil sie sonst nicht wissen, wohin. Was ist mit diesen Leuten, wenn es die Kneipe nicht mehr gibt?“
Glocke in Hamburg: Der älteste Stammgast wird bald 82
Dieses Szenario könnte bald eintreten. Der Mietvertrag der Glocke läuft zum 31. Dezember aus und der Vermieter will nicht verlängern. „Warum, das wissen wir nicht“, sagt Andrea Dührkop (58), Assistentin der Geschäftsführung und Bardame. „Es gab bisher kein vernünftiges Gespräch. Selbst ein paar Gäste haben schon versucht, ihn zu erreichen – ohne Erfolg.“

Dabei besteht hier schon seit mehr als 140 Jahren eine Schankwirtschaft. Seit das Gebäude erbaut wurde, nämlich. Die Lampen, die Stühle, die Fenster, die Kasse: Alles scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Der älteste Stammgast feiert bald seinen 82. Geburtstag – in der Glocke natürlich. „Er hat schon angekündigt, sich am Tresen festzukleben, wenn es zur Schließung kommt“, so Dührkop. „Eine andere Kundin hat bis zum 31. Dezember jeden Abend einen Tisch reserviert. Hier ist es noch voller geworden, seit die Nachricht rum ist.“

Besonders voll ist es an den Markttagen. „Da sind die Tische ab Montag immer ausgebucht“, sagt Andrea Dührkop. „Ein Marktbeschicker sagte scherzhaft, er wolle nicht mehr arbeiten, wenn es die Glocke nicht mehr gibt.“
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Kampflos wollen die Freunde der Glocke nicht aufgeben. „Viele Gäste arbeiten im Hintergrund an einer Lösung. Vielleicht kann man über den Bestands- oder Ensembleschutz etwas machen“, sagt Dührkop. Bis dahin machen sie gute Miene zum bösen Spiel – und hoffen, dass am Ende doch noch alles gut wird.