Die peinliche Wahrheit über den teuren Krötentunnel von Blankenese
Wer hat den inzwischen bundesweit bekannten 420.000 Euro teuren Krötentunnel am Falkensteiner Ufer bewilligt? Unter den Mitgliedern des Altonaer Grünausschusses tun sich anderthalb Jahre später erstaunliche Gedächtnislücken auf, eine Abgeordnete will gar die damaligen Sitzungsunterlagen nachträglich ändern lassen. Die entscheidende Sitzung, so viel steht fest, verlief chaotisch, es wurde spät, das Geld saß lockerer als mancher das heute wahrhaben will. Derweil macht eine PR-Aktion des Steuerzahlerbundes den ehrenamtlichen Krötenträgern große Sorgen.
Katarina Blume, Vize-Landeschefin der FDP und Abgeordnete im Grünausschuss Altona, geißelte das Artenschutzprojekt als „beispiellose Verschwendung von Steuergeldern in Blankenese“, der Verein „Bund der Steuerzahler“ drohte, den Tunnel in sein gefürchtetes „Schwarzbuch“ aufzunehmen – fertig war der Stoff für bundesweite Empörung. Nun tauchte jedoch eine Sitzungsunterlage des Grünausschusses vom 6. September 2022 auf, laut der der Ausschuss den Tunnelkosten von 420.000 Euro an jenem Abend „einstimmig zugestimmt“ habe. Also auch mit den Stimmen der FDP. Wie kann das sein?
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Wer hat den inzwischen bundesweit bekannten 420.000 Euro teuren Krötentunnel am Falkensteiner Ufer bewilligt? Unter den Mitgliedern des Altonaer Grünausschusses tun sich anderthalb Jahre später erstaunliche Gedächtnislücken auf, eine Abgeordnete will gar die damaligen Sitzungsunterlagen nachträglich ändern lassen. Die entscheidende Sitzung, so viel steht fest, verlief chaotisch, es wurde spät, das Geld saß lockerer als mancher das heute wahrhaben will. Derweil macht eine PR-Aktion des Steuerzahlerbundes den ehrenamtlichen Krötenträgern große Sorgen.
Katarina Blume, Vize-Landeschefin der FDP und Abgeordnete im Grünausschuss Altona, geißelte das Artenschutzprojekt als „beispiellose Verschwendung von Steuergeldern in Blankenese“, der Verein „Bund der Steuerzahler“ drohte, den Tunnel in sein gefürchtetes „Schwarzbuch“ aufzunehmen – fertig war der Stoff für bundesweite Empörung. Nun tauchte jedoch eine Sitzungsunterlage des Grünausschusses vom 6. September 2022 auf, laut der der Ausschuss den Tunnelkosten von 420.000 Euro an jenem Abend „einstimmig zugestimmt“ habe. Also auch mit den Stimmen der FDP. Wie kann das sein?
In der jüngsten Ausschusssitzung am Dienstag ließ die Liberale einen zusätzlichen Punkt auf die Tagesordnung setzen: „Änderung der Niederschrift der Sitzung vom 6. September 2022“. Grund: „Die FDP hat so einem Beschluss ganz sicher nicht zugestimmt. Das würde ich niemals tun.“
FDP bestreitet Zustimmung zum Krötentunnel
Katarina Blume ist sicher, dass sie so einem teuren Krötentunnel niemals zugestimmt hätte. Auch in der SPD sind die Erinnerungen an die eigene Zustimmung vage. „Diese Ausgabe versteht da draußen niemand“, sagt Patrick Müller-Constantin.
Sven Hielscher von der CDU hat ebenfalls „keine präzise Erinnerung“: „Das ging alles hoppladihopp. Die Frage ist ja, ob es überhaupt ein geordnetes parlamentarisches Verfahren für so eine extrem teure Maßnahmen gegeben hat.“ Andreas Bernau, Ex-SPD-Mann, nun fraktionslos, springt Blume ebenfalls bei: „Wenn ich wetten müsste, würde ich eher sagen, wir haben den Beschluss nicht gefasst.“
Krötentunnel Hamburg: Gegenwind von den Grünen
Gegenwind kommt von den Grünen. „Das habe ich persönlich anders in Erinnerung“, sagt Lars Andersen, Grüner Ausschussvorsitzender. „Ich räume ein, die Sitzung in der Turnhalle war etwas chaotisch und es standen damals andere Themen im Vordergrund. Ich erinnere mich auch daran, dass wir unter Zeitdruck standen, weil wir aus der Halle mussten. Es hat keine Debatte gegeben, keiner hatte Beratungsbedarf, wir haben der Beschlussempfehlung des Amtes einstimmig zugestimmt.“
In dieser Empfehlung stand: Die Kosten des Tunnels haben sich von 200.000 auf 420.000 Euro mehr als verdoppelt. Die zusätzlichen 220.000 Euro, so steht darin, könne der Bezirk aus den „zuwachsenden Naturschutzmitteln“ bestreiten. Das ist das Geld, das Privatleute zahlen müssen, wenn sie auf ihren Grundstücken etwa wertvolle Bäume fällen oder ein Biotop einem Neubau weichen muss.
Die Grünen-Abgeordnete Gesche Boehlich aus Blankenese wendet sich mit scharfen Worten direkt an Katarina Blume: „Sie haben die Presse mobilisiert, Sie haben gesagt, da werden Gelder verprasst und nun kommen Sie anderthalb Jahre später und wollen ein Protokoll geändert haben. Sie unterstellen den Vertretern des Amtes, die hätten falsch protokolliert, das ist eine Unverschämtheit.“ Auch die Linke wolle die Sitzungsunterlagen nicht nachträglich ändern: „Das ist kein schöner Stil.“
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Die Unterlagen bleiben unverändert – offenbar hat der Ausschuss im September 2022 versehentlich einer Artenschutzmaßnahme zugestimmt, die vielen jetzt unangenehm ist, weil der gefürchtete Steuerzahlerbund sich darüber aufregt.
Inzwischen hat der wirtschaftsliberale Steuerzahler-Verein seine 3000 Hamburger Mitglieder zum Krötensammeln aufgefordert unter dem launigen Motto „Wir helfen Kröten lieber über die Straße, als die Kröten der Steuerzahlenden aus dem Fenster zu werfen.“
Die örtlichen Naturschützer sind entsetzt und sehen ihr Engagement ins Lächerliche gezogen. „Unser Mailfach quillt über“, sagt Dorothea Schrieber, Leiterin der Nabu-Stadtteilgruppe Altona: „Zur Einführungsveranstaltung wollen nun lauter Familien mit Kindern kommen, aber wir brauchen ja Leute, die zuverlässig mehrere Wochen lang morgens gegen 7 und abends gegen 23 Uhr die Eimer kontrollieren, das ist für Kinder ja nur bedingt geeignet.“ Außerdem sind die Eimer oft leer, denn die Wanderungen finden nur zu bestimmten Witterungsbedingungen statt. Schrieber spricht von einem „PR-Gag auf unsere Kosten.“
Es geht um eine Krötenpopulation am Jenischpark, die durch zunehmenden Auto- und Busverkehr auf der Straße Holztwiete (Othmarschen) und durch viele Hunde im Park binnen acht Jahren von 1800 Exemplaren auf im vergangenen Jahr noch 260 Kröten eingebrochen ist.