Am Ende ist die NATO schuld? Die schräge Konferenz der Hamburger Linken-Chefin
Russland bombt – Deutschland debattiert. Während über Waffenlieferungen gestritten wird und ob der Bundeskanzler jetzt endlich mal nach Kiew reisen sollte, zerreißt es vor allem eine Partei: die Linke. Nicht einmal mehr Waffenlieferungen sind ein Tabu bei den Genossen, die sonst oft den Schulterschluss zu Russland suchten und sich einem Grundsatzpazifismus verpflichtet sahen. In der Zeit der Unsicherheit lädt Hamburgs Linken-Chefin nun ausgerechnet zu einem Kongress, der sich bemerkenswert offensiv mit der Rolle der NATO im Krieg und dafür umso weniger mit Russland auseinandersetzt.
Russland bombt – Deutschland debattiert. Während über Waffenlieferungen gestritten wird und ob der Bundeskanzler jetzt endlich mal nach Kiew reisen sollte, zerreißt es vor allem eine Partei: die Linke. Nicht einmal mehr Waffenlieferungen sind ein Tabu bei den Genossen, die sonst oft den Schulterschluss zu Russland suchten und sich einem Grundsatzpazifismus verpflichtet sahen. In der Zeit der Unsicherheit lädt Hamburgs Linken-Chefin nun ausgerechnet zu einem Kongress, der sich bemerkenswert offensiv mit der Rolle der NATO im Krieg und dafür umso weniger mit Russland auseinandersetzt.
Raus aus der NATO, auf diese Forderung konnten sich Mitglieder der Linkspartei seit Jahren nahezu uneingeschränkt einigen. Sie stand in den Wahlprogrammen, wurde in Talkshows getragen und gehörte zur pazifistischen DNA der Partei. Vor allem die USA sind seit jeher ein gut gepflegtes Feindbild einiger Genossen.
Die Linke erlebt ihren Kosovo-Moment
Dieser Tage erlebt die Linke allerdings das, was für die Grünen der Kosovo-Krieg gewesen ist: die Infragestellung ihrer grundsätzlich pazifistischen Haltung und außenpolitischen Ausrichtung. Prominente Vertreter der Partei wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow forderten zuletzt gar Lieferungen schwerer Waffen in die Ukraine.
Auch in Hamburg versucht man zwingend zu vermeiden, den Angriffskrieg der Russen auch nur annähernd zu legitimieren und mit einem zu großen Verständnis für Putin aufzufallen – auch wenn es immer wieder Querschläger aus einzelnen Kreisverbänden gibt. „Die Position der Hamburger Linken ist klar: Russland ist der Aggressor und muss schleunigst raus aus der Ukraine. Natürlich braucht es Friedensverhandlungen und eine pluralistische Debatte, wie diese realisiert werden können“, sagt Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus zur MOPO.
Linken-Chefin lädt zur Diskussion über die NATO
Wie schwer sich die Partei aber mit der neuen (Kriegs-)Realität tut und wie pluralistisch eine pluralistische Debatte bisweilen sein kann, beweist nun eine geplante Konferenz mit dem Titel „Ohne NATO leben – Ideen zum Frieden“, zu der unter anderem Hamburgs Linken-Chefin Żaklin Nastić für den 21. Mai einlädt und deren Einladungsschreiben stellenweise so klingt, als wäre die NATO in Russland einmarschiert und nicht Putin in die Ukraine.
Nach drei die Einladung einleitenden Zeilen, in denen der Angriffskrieg Russlands verurteilt wird, folgen mehr als 60 Zeilen gegen die NATO und die Rolle des Westens. So heißt es darin etwa: „Bundesregierung, NATO und EU haben mit der sogenannten Zeitenwende nicht nur eine neue Politik der Hochrüstung eingeläutet. Jetzt soll auch jeglicher Ansatz von Entspannungspolitik und Friedensdiplomatie diskreditiert und entsorgt werden.“ Es habe in den vergangenen Jahren viel zu wenige Angebote und Diplomatie in Richtung Russland gegeben.
Konferenz will gesichtswahrende Lösung für Russland finden
Während nun also nach dieser Lesart Russland als Konsequenz mangelnder Diplomatie die Ukraine bombardiert, debattiert man in Berlin am 21. Mai, ob die „NATO abgeschafft, überwunden oder reformiert werden“ kann. Außerdem will man nach Wegen suchen, wie der Krieg in der Ukraine gestoppt werden könnte, aber gleichzeitig die „Sicherheitsinteressen der Ukraine und Russland“ gewährleistet werden können und es keinen Gesichtsverlust für die beiden Seiten gibt.
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Das zieht unweigerlich einige Fragen nach sich: Wie das zu bewerkstelligen sein soll oder wie man darauf kommt, sich vor allem mit der NATO zu beschäftigen, während aus dem Kreml der Einmarsch in die Ukraine befohlen wurde?
Nastic: Dieser Krieg kann nur über Verhandlungen beendet werden
„Der Kongress und die Einladung auch durch mich waren lange vor dem russischen Angriffskrieg geplant und er wird von einem breiten friedenspolitischen Netzwerk getragen“, sagt Linken-Chefin Nastić auf Nachfrage der MOPO. Der Krieg könne nur durch Verhandlungen beendet werden. Wie eine gesichtswahrende Lösung für die Ukraine und vor allem auch Russland aussehen kann, das wolle man auf dem Kongress erörtern. „Möglichen Ergebnissen kann ich nicht vorweggreifen.“
Kritik an der Veranstaltung gibt es aus den eigenen Reihen. „Eine ‚Friedenspartei‘, die auf einem Auge blind ist, ist nicht glaubwürdig”, schreibt der Ex-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich. Die Chefin der Nachwuchsorganisation Linksjugend, Sarah Dubiel, pflichtete mit Blick auf die Kongress-Teilnehmerliste drastisch bei: „Lafontaine, Hänsel, Dehm, Dagdelen, Nastic, Neu, Paech. Ne Liste direkt aus der Hölle.”