Krankenschwester bestiehlt sterbenden Patienten: Richter spricht hartes Urteil
„Da ist ein Mann, der um sein Leben ringt und Sie bereichern sich an ihm, das ist höchst verwerflich“ – mit deutlichen Worten begründet der Amtsrichter, warum er eine Hamburger Krankenschwester und alleinerziehende Mutter ins Gefängnis schickt. Die Angeklagte bricht in Tränen aus, als sie das harte Urteil hört. Sie hatte einen sterbenden Patienten auf besonders perfide Art bestohlen. Die Familie des Opfers zeigt sich vor Gericht fassungslos.
Fast 7000 Euro hat die Krankenschwester Franziska M. (30) im Februar 2021 vom Konto des Intensivpatienten Reinhardt L. (†62) abgehoben, während der frühere Bauleiter nach einem schweren Herzinfarkt im Albertinenkrankenhaus im Koma lag und wenig später starb. „Hier verbirgt sich Abgründiges“, wird der Richter später in seiner Urteilsbegründung sagen: „Das hat Auswirkungen auf das Vertrauen von uns allen, dass man in einem Krankenhaus Hilfe bekommt.“
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„Da ist ein Mann, der um sein Leben ringt und Sie bereichern sich an ihm, das ist höchst verwerflich“ – mit deutlichen Worten begründet der Amtsrichter, warum er eine Hamburger Krankenschwester und alleinerziehende Mutter ins Gefängnis schickt. Die Angeklagte bricht in Tränen aus, als sie das harte Urteil hört. Sie hatte einen sterbenden Patienten auf besonders perfide Art bestohlen. Die Familie des Opfers zeigt sich vor Gericht fassungslos.
Fast 7000 Euro hat die Krankenschwester Franziska M. (30) im Februar 2021 vom Konto des Intensivpatienten Reinhardt L. (†62) abgehoben, während der frühere Bauleiter nach einem schweren Herzinfarkt im Albertinenkrankenhaus im Koma lag und wenig später starb. „Hier verbirgt sich Abgründiges“, wird der Richter später in seiner Urteilsbegründung sagen: „Das hat Auswirkungen auf das Vertrauen von uns allen, dass man in einem Krankenhaus Hilfe bekommt.“
Franziska M. (Name geändert) wirkt nach der Anklageverlesung beschämt, räumt die Abhebungen ein und lässt ihren Anwalt Dietmar Cyrus erklären, dass sie sich damals in einer persönlichen Notlage befunden habe. Sie habe gerade eine Verdachtsdiagnose auf Brustkrebs erhalten und sich von dem Vater ihrer inzwischen fünfjährigen Tochter getrennt.
Krankenschwester räumt Konto von Sterbendem leer
Zehn Jahre habe sie im Albertinenkrankenhaus gearbeitet, aber als Krankenschwester in Teilzeit habe sie die Miete für die Wohnung alleine nicht zahlen können. Eine „Person“, deren Namen sie nicht nennen will, habe ihr das Portemonnaie des Patienten gegeben, behauptet sie. „Da hat meine Mandantin den falschen und bedauerlichen Entschluss getroffen, das Geld abzuheben“, so der Verteidiger.
Im Zuschauerraum sitzen Bruder und Schwester des Verstorbenen sowie dessen Schwägerin. Die Geschwister haben dafür gekämpft, dass der Fall, den die Staatsanwaltschaft schon eingestellt hatte, wieder aufgenommen wurde. Jetzt sehen sie Franziska M. zum ersten Mal.
„Ich kann die gar nicht angucken“, sagt Berndt L. (62): „Wie es jemand übers Herz bringt, einen Menschen, der kurz vor dem Tod steht, die Geldbörse wegzunehmen! Wie kann man so skrupellos sein? Ich begreife das nicht.“
Auch Christine L. (59), jüngste der drei Geschwister, hat kein Verständnis: „Wir leben in einem Sozialstaat, da muss doch niemand klauen, weil er in Not ist.“
Geschwister schockiert über Krankenschwester
Die Geschwister standen sich nahe, Berndt L. verschränkt zwei Finger: „So nahe!“ Er war es, der seinen älteren Bruder drängte, am 5. Februar 2021 ins Albertinenkrankenhaus zu gehen: „Das letzte, was ich von ihm hörte, war ,Du hast mein Leben gerettet, ich hatte einen Herzinfarkt‘.“ Niemand rechnete damit, dass der vitale Mann, der oft Baustellen im Ausland betreute, wenige Tage später tot sein sollte.
In der festen Überzeugung, der Bruder käme demnächst in die Reha, war Berndt L. in dessen Wohnung gegangen, um eine Tasche zu packen: „Und da sah ich, dass die Bankordner auf dem Tisch lagen und der Umschlag, in dem die PIN war, der war leer.“ Er selbst sei mit dem Vermieter in die Wohnung gelangt, der Haustürschlüssel, den sein Bruder mit ins Albertinenkrankenhaus genommen hatte, war weg.
Franziska M. lässt ihren Anwalt erklären, dass sie nicht in der Wohnung war. Die PIN-Nummern hätten auf den Karten gestanden. Berndt L. schnaubt verächtlich: „Nie und nimmer hätte mein Bruder das gemacht.“
Auch der Richter nennt die Behauptung der Angeklagten „irrwitzig“: „Sie haben Geldbörse und Schlüssel an sich genommen, sind in die Wohnung gegangen und haben nach dem Umschlag mit den Pins gesucht. Es gibt keinerlei Erkenntnisse, dass noch jemand anderes beteiligt war.“
„Sie machten einfach weiter, das ist eine unfassbare Dreistigkeit“
Bei einer Hausdurchsuchung hatten die Ermittler die gesuchte Geldbörse im Auto der Angeklagten gefunden. Was die allerletzte Chance der alleinerziehenden Mutter auf eine Bewährungsstrafe zunichte machte, ist jedoch ihr Verhalten nach der Durchsuchung: Sie fälschte an ihrem Computer Krankschreibungen und ergaunerte zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 rund 2500 Euro Krankengeld von ihrer Krankenkasse.
„Sie machten einfach weiter, das ist eine unfassbare Dreistigkeit“, so die Staatsanwältin, die wegen der „kriminellen Energie“ der Angeklagten sogar drei Jahre Haft gefordert hatte. Der Amtsrichter verurteilte Franziska M. zu zwei Jahren und vier Monaten Haft wegen besonders schweren Diebstahls und Computerbetruges. Die inzwischen arbeitslose Krankenschwester kann gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen
Urteil: Zwei Jahre und vier Monate Haft
Die Geschwister sind nach dem Urteil erleichtert, haben Tränen in den Augen. Der Richter hatte in seiner Urteilsbegründung auch über ihre Gefühle gesprochen: „Es ist für die Angehörigen schwer zu ertragen, dass ihr Bruder in den letzten Tagen seines Lebens Opfer von Straftaten geworden ist.“ Franziska M. schluchzt, will den Saal verlassen, wird von ihrem Verteidiger sanft zurück auf den Stuhl gedrückt.
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Die Geschwister hatten das Erbe nach dem Tod ihres Bruder ausgeschlagen, aus Angst, Franziska M. habe mit seinen Daten einen Haufen Schulden gemacht. Einen bereits bewilligten Kredit über 100.000 Euro auf den Namen ihres Bruders, abgeschlossen wenige Tage nach seinem Tod, haben sie zufällig entdeckt. Als Kontaktadresse war die E-Mail-Adresse der Angeklagten hinterlegt. Die Staatsanwaltsanwaltschaft hat diesen Anklagepunkt eingestellt.