Streit eskaliert! Linken-Abgeordneter verlässt Fraktion und spricht von Mobbing
Die Linksfraktion in der Bürgerschaft verliert einen Abgeordneten! Mehmet Yildiz hat seinen Austritt aus der Fraktion angekündigt. Dem vorausgegangen war ein eskalierter Konflikt zwischen ihm und seinen Parteifreunden. Yildiz fiel mit kruden Corona-Thesen auf – nun fühlt er sich gemobbt. Doch so einfach ist es nicht. Es geht bei dem Zoff auch um schwere Vorwürfe gegen die eigene Parteispitze – und um eine mögliche Nähe zur Querdenker-Szene.
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Die Linksfraktion in der Bürgerschaft verliert einen Abgeordneten! Mehmet Yildiz hat seinen Austritt aus der Fraktion angekündigt. Dem vorausgegangen war ein eskalierter Konflikt zwischen ihm und seinen Parteifreunden. Yildiz fiel mit kruden Corona-Thesen auf – und attackierte parallel die eigene Partei. Nun fühlt er sich gemobbt.
Markige Worte erwartet man von einem Oppositionspolitiker normalerweise gegenüber dem Senat, doch Mehmet Yildiz (Linke) attackierte zuletzt lieber seine eigene Partei. Jüngster Grund: Die Linke organisierte in Billstedt eine Impfaktion, das brachte Yildiz auf die Palme. Unter dem Titel „Die fragwürdigen Impfaktionen einiger Parteimitglieder“ warf er seinen Genossen auf seiner Website vor, nun ja, eine Impfaktion organisiert zu haben.
Abgeordneter kritisiert Impfaktion der eigenen Partei
„Es ist nicht Aufgabe der Partei, die Menschen zu impfen, sondern die der Ärzte“, ließ er wissen. Und ohnehin: „Partei und Fraktion sind in dieser Krise voll und ganz gescheitert.“ Das machte er im Gespräch mit der MOPO daran fest, dass die Abgeordneten seiner Partei während der Corona-Krise Büros aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen hätten, anstatt Menschen mit offenen Türen zu empfangen und zu beraten. Des Weiteren sei man den Herrschenden und ihrer Politik kritiklos hinterhergelaufen. Außerdem kritisierte er den distanziert-kritischen Umgang seiner Partei mit den Corona-Demonstrationen in der Stadt. Zitate aus einem Gespräch mit der MOPO am Dienstag zu dem Thema wollte er allerdings im Anschluss nicht mehr so gesagt haben und freigeben.
Am Donnerstagmorgen dann der Paukenschlag: Yildiz verkündet seinen Austritt aus der Fraktion. Er fühle sich gemobbt und der Fraktionsvorstand sei ihm rassistisch gegenüber. „Da ich eine Politik auf Grundlage des Parteiprogramms und Beschlüssen sowie in Zusammenarbeit mit der Arbeiterklasse betreibe und mir nicht den Mund verbieten lasse, werde ich systematisch bekämpft“, heißt es in seiner Erklärung. Die Spitzen der Fraktion der Linken wies die Vorwürfe zurück. „Mit dem Austritt aus der Fraktion vollzieht Mehmet Yildiz den letzten Schritt. Seit dem Sommer 2020 hat er die Kommunikation mit der Fraktion abgebrochen und Gesprächsangebote abgelehnt. Weder konnte so über seine Kritik noch über seine fehlende Fraktions- und Parlamentsarbeit ein Austausch stattfinden“, so die Co-Fraktionsvorsitzende Sabine Boeddinghaus.
Yildiz machte zuletzt wenig parlamentarische Arbeit
Yildiz sitzt seit 2008 in der Hamburgischen Bürgerschaft und war bis zu dieser Woche Sprecher der Linksfraktion für Sport- und Friedenspolitik. Auf der Website der Linken ist er der einzige Abgeordnete, der nicht auf dem gemeinsamen Gruppenfoto posiert. Hört man sich um, dann gilt er einigen schon länger als Problemfall für die Partei. Offenbar ließ er auch seine Arbeit im Parlament schleifen – die letzte Schriftliche Kleine Anfrage, die er allein einreichte, ist auf April des Vorjahres datiert, untypisch für einen Oppositionspolitiker.
Dass Yildiz innerhalb seiner Fraktion zuletzt auf keinen breiten Unterstützerkreis mehr zählen konnte, dafür sprach zusätzlich die deutliche Distanzierung, die die Fraktionsspitze auf MOPO-Anfrage gegenüber Yildiz am Mittwoch aussprach. „Mehmet Yildiz spricht nur für sich“, ließen Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus wissen. Man werbe selbstverständlich fürs Impfen und packe deshalb auch selbst mit an.
Fraktionsvorstand distanzierte sich von eigenem Abgeordneten
„Hamburgs Linke hat mit insgesamt fünf niedrigschwelligen Impfangeboten viele hundert Menschen in Stadtteilen wie Dulsberg oder Jenfeld erreicht. An allen Angeboten waren auch qualifizierte Ärzt:innen beteiligt.“ Dass er auf seiner Website die Impfstoffe als nicht langfristig wirksam bezeichnet und den „Mainstreammedien“ vorwirft, Nebenwirkungen zu verschweigen, sorgt für weitere Irritationen. „Auch hier gilt: Was Mehmet Yildiz da sagt, ist ausschließlich seine eigene Meinung“, so die beiden Vorsitzenden.
Die nun völlig eskalierte öffentliche Konfrontation zwischen Yildiz und seiner Ex-Fraktion war nur eine Frage der Zeit. Während Yildiz bereits 2020 in einem Interview davon sprach, Corona sei in einem Labor entwickelt worden und „dient den Imperialisten dazu, China aufzuhalten und den Klassenkampf von oben zu verschärfen“, organisierte er kürzlich – zumindest für einen Bürgerschaftsabgeordneten der Linken – fragwürdige Zusammentreffen.
Diskussionsveranstaltung sorgte für Wirbel
Am 18. Februar lud er zu einer Diskussionsveranstaltung unter dem Motto „Wie kann eine solidarische Perspektive als Weg aus der Corona-Krise aussehen?“ nicht nur Menschen aus dem Dunstkreis der Linken ein, sondern diskutierte munter mit Akteuren aus der Querdenker- und Corona-Demoszene, die wiederum über Mitglieder der Linken herzogen, weil diese sich in der Vergangenheit kritisch über die Demos geäußert hatten. Auch hier ging die Fraktion auf Distanz zu ihrem Ex-Mitglied. „Mehmet Yildiz verbindet seinen Austritt mit einer Vielzahl von ehrabschneidenden Vorwürfen gegen den Fraktionsvorstand – so hält er uns, also auch mir persönlich, nicht nur Mobbing vor, sondern sogar ‚white supremacy‘-Rassismus. Das irritiert auch und gerade vor dem Hintergrund, dass Yildiz sich bei seiner Veranstaltung gemein gemacht hatte mit Akteur:innen aus dem Lager der Querdenker:innen“, so die Co-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir.
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Die Frage, die bis zum Donnerstagmorgen blieb, war, wie wie lange sich die Fraktion der Linken die Ausfälle gegenüber der Partei und die merkwürdigen Corona-Positionen Yildiz‘ noch bieten lassen würde. Ein Ausschlussverfahren wurde nicht angestrebt, nun zieht sich Yildiz selbst zurück. Doch ob damit die Situation befriedet ist, darf bezweifelt werden. Ende März steht der Parteitag der Linken an und Yildiz ist nicht aus der Partei, sondern nur aus der Fraktion ausgetreten. Er selbst verfügt über nicht wenige Unterstützer an der Basis – die Versammlung könnte für die Fraktionsspitze ungemütlich werden.