Impfpflicht in Gesundheitsbranche: Mitarbeiter fühlen sich unter Druck gesetzt
Nur noch drei Wochen, dann gilt in Hamburgs Gesundheitsbetrieben die bundesweite Impfpflicht. Ab 16. März müssen alle ungeimpften Mitarbeiter vom Arbeitgeber an das Gesundheitsamt gemeldet werden. Dann wird es Hausverbote geben. Doch weil die Dienstpläne für den Monat März schon jetzt angefertigt werden, hängt in nicht wenigen Unternehmen der Haussegen schief.
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Nur noch drei Wochen, dann gilt in Hamburgs Gesundheitsbetrieben die bundesweite Impfpflicht. Ab 16. März müssen alle ungeimpften Mitarbeiter vom Arbeitgeber an das Gesundheitsamt gemeldet werden. Dann wird es Hausverbote geben. Doch weil die Dienstpläne für den Monat März schon jetzt angefertigt werden, hängt in nicht wenigen Unternehmen der Haussegen schief.
Rund 800 Menschen sind bei der Sozialkontor gGmbH, der ehemaligen Behindertenhilfe Hamburg, beschäftigt. Die große Mehrzahl ist geimpft. Nach Verkündung der Impfpflicht hat sich die Quote nochmal erhöht. Doch ein harter Kern von ungefähr 20 Personen ist bei seiner Verweigerungshaltung geblieben.
Hamburg: Brief an Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung sorgt für Emotionen
Anfang Februar hat die Geschäftsführung ein Informationsschreiben an alle Mitarbeiter geschickt, das unterschiedliche Emotionen ausgelöst hat. „Wir sind weiterhin der festen Überzeugung, dass wir alles tun müssen, um die vulnerablen Personengruppen, denen wir unsere Assistenz- und Pflegeleistungen zur Verfügung stellen, optimal vor den Folgen einer Covid-19-Infektion zu schützen. Dafür bietet eine Immunisierung den besten Schutz“, heißt es in dem Schreiben.
Auch wie es nach dem 15. März weiter geht, wird angesprochen: Man halte es „nicht für vertretbar, ungeimpfte Mitarbeitende“ in den verschiedenen Abteilungen der Behindertenhilfe einzusetzen. Führungskräfte seien beauftragt worden, mit den betroffenen Beschäftigten ins Gespräch zu gehen und nach Lösungen zu suchen.
Ungeimpfte Mitarbeiter fühlen sich unter Druck gesetzt
Auch wenn offen gehalten wird, was das genau bedeutet, fühlen die Betroffenen sich offenbar unter Druck gesetzt. In einem anonymen Schreiben an die MOPO beklagen sie sich darüber, „dass Mitarbeitende ohne Impfung das Unternehmen verlassen müssen“. Von Kündigungen ist die Rede, von Aufhebungsverträge, von „massivem Druck“ seitens des Arbeitgebers. Die Betroffenen seien nicht über ihre Rechte aufgeklärt worden.
Heinz Renno, Personalleiter bei der Sozialkontor gGmbH, weist die Vorwürfe zurück. „Es ist niemandem gekündigt worden. Wir versuchen, mit jedem eine einvernehmliche Lösung zu finden“, sagt Renno. So habe man einer Mitarbeiterin einen langfristigen, unbezahlten Urlaub gewährt, währenddessen ihr erlaubt ist, eine Nebentätigkeit auszuüben. Für andere seien Aufhebungsverträge durchaus eine Option.
Schutz der Pflegeebedürftigen steht für die Unternehmen im Vordergrund
„Wir wollten mit dem Schreiben unsere Haltung offen legen. Wir betreuen eine sehr vulnerable Klientel mit zum Teil sehr schweren Behinderungen. Eine Corona-Infektion würde für diese Menschen eine große Gefahr bedeuten. Für uns steht im Vordergrund, diese Menschen zu schützen“, so Renno. Insgesamt betreue das Sozialkontor rund 1000 Menschen mit Behinderungen.
Die Betriebsratsvorsitzende bei der Sozialkontor gGmbH bestätigt, dass es zu keinen Kündigungen gekommen ist. „Es haben sich schon Leute bei mir gemeldet, die Fragen hatten. Etwa zum Lohnfortzahlungsanspruch. Aber niemand hat sich beklagt, dass er oder sie massiv unter Druck gesetzt worden sei“, erklärt Veronika Fischer.
In Hamburgs Pflegeeinrichtungen herrscht große Verunsicherung
Fischer, die zugleich in der Fachkommission Soziale Dienstleistungen der Gewerkschaft Ver.di vertreten ist, hat einen guten Überblick über die Lage in der verschiedenen Gesundheitseinrichtungen in Hamburg. „Viele Betriebe sind verunsichert“, sagt Fischer. Überall müssten Dienstpläne angefertigt werden, ohne dass man wisse, wie das Gesundheitsamt über das Schicksal des jeweiligen ungeimpften Mitarbeiters bestimmt.
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„Die Entscheidungen liegen ja beim Gesundheitsamt, nicht bei den Arbeitgebern“, so Fischer. „Wir müssen die Dienstpläne aber trotzdem so schreiben, als wenn die Mitarbeiter nicht da wären.“ Und das bei einer ohnehin schwierigen Personalsituation im Pflegebereich. „Wir haben uns die Impfpflicht ja nicht ausgesucht. Dass uns die Ungeimpften verloren gehen, ist schlimm“, so Fischer.
Pflegegesellschaft fordert mehr Klarheit vom Hamburger Senat
Auch die Hamburgische Pflegegesellschaft fordert mehr Klarheit von Seiten des Senats: „Wir brauchen Verfahrenssicherheit mit klaren Abläufen und klaren Konsequenzen für unzureichend geimpfte Beschäftigte“, so Geschäftsführer Martin Sielaff. In den stationären Pflegeeinrichtungen müssten sie Dienste rund um die Uhr abgesichert werden. In der ambulanten Pflege die Tourenplanung stehen. Sielaff betont, man brauche jetzt die Information, wie die Gesundheitsämter die Meldungen nach dem 15. März bearbeiten, wann und wie sie reagieren und ab wann die Beschäftigten nicht mehr eingesetzt werden dürfen.
Dennoch: Sowohl Sielaff als auch Veronika Fischer stehen zur Impfpflicht: „Wenn da etwas passiert, wenn einer unserer vulnerablen Personen durch eine ungeimpfte Person angesteckt wird und stirbt, dann haftet das Unternehmen, weil es ein Verstoß gegen das Infektionsgesetz wäre“, so die Betriebsratsvorsitzende. Fischer stellt klar: „Wir versuchen unsere Mitarbeiter zu schützen, doch irgendwo gibt es auch Grenzen.“