Köhlbrandbrücken-Streit: Geheimes Dokument aufgetaucht – wurde im Hafenamt getrickst?
Neuer Wirbel um die Köhlbrandquerung: Der MOPO liegt ein geheimes Dokument vor – mit einem Verdacht, der es in sich hat. Die zuständige Hafenbehörde soll bei der Frage, was die alte Köhlbrandbrücke ersetzen kann, absichtlich eine Variante bevorzugt haben. Und zwar die deutlich teurere. Mittlerweile wurde die gesamte Planung gestoppt, das Verfahren neu gestartet, die Hafenbehörde entmachtet. Wurde absichtlich getrickst?
Neuer Wirbel um die Köhlbrandquerung: Der MOPO liegt ein geheimes Dokument vor – mit einem Verdacht, der es in sich hat. Die zuständige Hafenbehörde soll bei der Frage, was die alte Köhlbrandbrücke ersetzen kann, absichtlich eine Variante bevorzugt haben. Und zwar die deutlich teurere. Mittlerweile wurde die gesamte Planung gestoppt, das Verfahren neu gestartet, die Hafenbehörde entmachtet. Wurde absichtlich getrickst?
Der MOPO liegt eine als streng vertraulich eingestufte Untersuchung der Hamburg Port Authority (HPA) von 2021 vor. Darin notiert ein Brückenexperte des Unternehmens den Verdacht, dass in der Frage des Ersatzes der Köhlbrandbrücke absichtlich nicht alle Kriterien berücksichtigt wurden – und zwar, damit am Ende ein bestimmtes Ergebnis rauskommt.
Köhlbrandquerung: Das kritisiert der Experte
In dem 40-seitigen Papier vermutet er, „dass eine mögliche Zukunftsfähigkeit einer Brücke absichtlich nicht ausgearbeitet wurde, da sie gegebenenfalls ein höheres Zukunftspotenzial aufweisen könnte als eine Tunnelvariante.” Heißt: Ob eine neue Brücke womöglich die bessere Wahl wäre, soll nicht richtig geprüft worden sein, weil man von Anfang an einen Tunnel wollte – obwohl dieser deutlich teurer wäre.
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Das wäre ein ungeheuerlicher Vorgang: Jahrelang stand in Frage, ob ein Tunnel oder eine neue Brücke die alte Köhlbrandbrücke ersetzen soll. In einer Machbarkeitsstudie von Ende 2018 wurden Brücke und Bohrtunnel technisch fast gleichwertig bewertet, der Tunnel aber als deutlich teurer. Weitere Untersuchungen folgten.
Mitte 2020 fiel die Entscheidung für den Tunnel, die sich zum Jahreswechsel auch im Haushaltsplan des Senats wiederfand – genauer im Einzelplan der Wirtschaftsbehörde unter dem damaligen Senator Michael Westhagemann (parteilos). Kurz darauf stellte Westhagemann im Wirtschaftsausschuss klar, dass eine Brücke nicht weiter verfolgt werde. Das sorgte für Wirbel in der Bürgerschaft, einige Mitglieder fühlten sich übergangen.

Der Tunnel wurde bevorzugt, weil ihm ein größeres Zukunftspotenzial zugesprochen wurde – doch genau diese Untersuchung der HPA greift der Experte in dem als vertraulich deklarierten Papier an.
Experte: Auch eine Brücke könne 130 Jahre halten
Für einen Tunnel spricht zwar, dass er, anders als eine Brücke, die Schiffshöhe bei einer Durchfahrt nicht begrenzt. Aber das sei auch gar nicht notwendig, wenn die Brücke von Anfang an hoch genug konstruiert wird. Zudem sei nicht klar, ob so große Schiffe überhaupt im Köhlbrand fahren können.
Auch das Argument, ein Tunnel könne langfristig eine höhere Belastung tragen, sei nur begrenzt richtig. Auch dabei komme es auf die Konstruktion der entscheidenden Teile an, egal ob Brücke oder Tunnel.
Das Argument zur Nutzungsdauer, dass ein Tunnel 130, eine Brücke aber nur 70 Jahre lang halte, hatte auch Westhagemann betont. Laut des ehemaligen HPA-Brückenexperten könnte aber auch eine Brücke so gebaut werden, dass sie so lange hält.
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Eine Einschätzung, die der Präsident der Bundesingenieurkammer, Heinrich Bökamp, teilt: Tunnel hätten zwar eine höhere zu erwartende Lebensdauer, aber „natürlich sind wir technisch in der Lage auch Brücken für eine höhere Lebensdauer zu bauen”, sagt er der MOPO – aber die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Kosten gerate dann zunehmend in Gefahr.
Im Fall der Köhlbrandquerung wäre der Tunnel allerdings deutlich teurer geworden. Die horrenden, neu kalkulierten Kosten von 5,3 Milliarden Euro waren auch der Grund, weshalb die neue Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) die Planung in diesem Frühjahr überraschend stoppte. Ein Bohrtunnel hatte sich als komplizierter herausgestellt als angenommen – daher lässt sie nun wieder eine Brücke prüfen.
Auffällig dabei: Mit der Begründung, man brauche klare Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen, entzog sie zugleich der HPA die operative Planung und übertrug sie einer städtischen Realisierungsgesellschaft.
Nach Vorwurf: HPA sieht keinen Nachholbedarf
Was sagt die HPA zu dem Vorwurf? Das Unternehmen betonte gegenüber der MOPO lediglich, dass eine Reihe unterschiedlicher Faktoren in die damalige Variantenbetrachtung eingeflossen seien und auf Basis der Machbarkeitsstudie keine Variante ausgeschlossen worden sei. Einen Nachholbedarf siehe man nicht.

Linken-Hafenexperte Norbert Hackbusch kritisiert das gesamte Verfahren massivst: „Die Pannen und Pleiten bei der Köhlbrandquerung sind der Wahnsinn“, sagt er der MOPO. Die Bürgerschaft sei jahrelang nicht informiert worden, dann habe die Wirtschaftsbehörde „grobe Fehler” in der Machbarkeitsstudie entdeckt. „Jetzt wird bekannt, dass gute Argumente für eine Brückenlösung unterdrückt wurden und die Tunnelvariante augenscheinlich mit aller Macht durchgedrückt wurde!“ Er habe kein Vertrauen in HPA und Behörde – und fordert, dass alle Studien veröffentlicht werden.