Köhlbrandbrücke blockiert! Wer steckt dahinter?
Sie hungern, kleben sich auf Autobahnen fest und blockierten jetzt auch die Köhlbrandbrücke: Die Klimaaktivist:innen der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ werden immer lauter – und legten am Montag Teile des Hamburger Hafens lahm. Wer steckt hinter den extremen Aktionen?
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Sie hungern, kleben sich auf Autobahnen fest und blockierten jetzt auch die Köhlbrandbrücke: Die Klimaaktivist:innen der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ werden immer lauter – und legten am Montag Teile des Hamburger Hafens lahm. Wer steckt hinter den extremen Aktionen?
Was ist am Montagmorgen passiert?
Mehr als 30 Aktivist:innen versammelten sich im morgendlichen Berufsverkehr und blockierten die Köhlbrandbrücke und eine Zufahrt, in dem sie sich teilweise mit Sekundenkleber und Bauschaum festklebten und mehrere Kanister Rapsöl auf der Straße verteilten. Damit sorgten sie für kilometerlange Staus. Rund drei Stunden war die Verkehrsachse gesperrt. Zwei weitere Demonstrant:innen klebten sich auch auf der Kattwykbrücke fest, die die Süderelbe überquert. „Die massiven Störungen im Hafen sind nichts im Vergleich zu Störungen durch Fluten, Dürren, Essensknappheit“, twitterte die Gruppe dazu. „Es ist unsere Pflicht, gegen eine todbringende Politik Widerstand zu leisten.“ Abends gab es eine weitere Aktion. Um 17.30 Uhr teilte die Polizei mit, dass rund zehn Aktivisten erneut die Zufahrt zur Köhlbrandbrücke blockiert hatten, die Brücke wurde gesperrt. Es bildeten sich erneut Staus.
Protest auf der Köhlbrandbrücke: Diese Aktivisten stecken dahinter
Wer hat da protestiert?
Die Aktivist:innen gehören zu der kleinen Gruppe „Aufstand der letzten Generation“. Anfangen im Spätsommer 2021 in Berlin haben sich die Proteste mit jeweils etwa einem Dutzend Aktivist:innen auf andere Städte ausgeweitet. Bekannte Mitglieder sind Henning Jeschke und Lea Bonasera, die sich mit ihrem extremen Hungerstreik vor dem Kanzleramt vor der Bundestagswahl ein Gespräch mit Olaf Scholz (SPD) erkämpften.
Was sind die Forderungen?
Die Aktivist:innen wollen einen „umfassenden Wandel“. Unter dem Motto „Essen retten, Leben retten“ fordert die Gruppe als erstes ein Gesetz, das große Supermärkte dazu verpflichtet, nicht verkaufte Lebensmittel zu spenden und damit nicht zu entsorgen. Zudem fordern sie die Regierung auf, eine „echte Agrarwende bis 2030“ zu beschließen, um Klimagase aus der Landwirtschaft zu reduzieren.
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Was hat weggeschmissenes Essen mit dem Klimawandel zu tun?
Wenn man die globalen Zusammenhänge betrachte, sei der Lebensmittelbereich ein wichtiger Faktor für den Klimaschutz, erläutert der renommierte Klimaforscher Mojib Latif gegenüber der MOPO. „In der Lebensmittelproduktion werden viele Ressourcen wie Wasser, Landfläche und Energie verwendet und Treibhausgase entstehen, doch weltweit erreichen rund ein Drittel der Lebensmittel nicht die Teller“, so der Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Etwa vier Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen entstünden in Deutschland aus der Lebensmittelverschwendung. „Diese Emissionen einzusparen, kann das Klima allein zwar nicht retten, aber es wäre ein wichtiger Baustein.“ Laut Kritikern werden jedoch am meisten Lebensmittel in privaten Haushalten weggeschmissen, die das geforderte Gesetz nicht einbezieht.
„Ziviler Ungehorsam”: Deshalb halten ihn die Aktivist:innen für nötig
Warum wählt die Gruppe einen so extremen Protest?
Die Gruppe setzt auf gewaltfreien zivilen Ungehorsam und damit auf Aktionen, die eigentlich illegal sind, wie „containern“ oder die Autobahn-Blockaden. Sie argumentiert, dass nur auf diese Weise schnelle Änderungen erreicht werden können. „Wenn wir alle in eine Zukunft blicken, die absolut katastrophal ist, dann sehen wir leider keine andere Möglichkeit, als diese Mittel auszuschöpfen“, sagte Sprecherin Aimée van Baalen dem „Deutschlandfunk“. Die Gruppe hat weitere Störungen von Häfen und Flughäfen angekündigt. Van Baalen betont jedoch, dass der Protest gewaltfrei bleiben soll.
Wo ist der Unterschied zu Extinction Rebellion?
Auch die Gruppe „Extinction Rebellion“ (XR) arbeitet mit gewaltfreiem zivilem Ungehorsam. XR ist jedoch größer und international aktiv. Diese Aktivist:innen fordern, dass die Politik den Klimanotstand ausruft, die Treibhausgas-Emission bis 2025 auf null reduziert und eine Bürger:innenversammlung über die Klimapolitik bestimmen soll.
Wie reagiert die Politik?
In der FDP, CDU und AfD sorgte die Aktion im Hafen für Unmut. Hamburgs CDU-Fraktionschef Dennis Thering etwa nannte den Prost „inakzeptabel und unzulässig“. Die Stadt dürfe sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen. Auch Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) zeigte kein Verständnis für „Protest mit der Brechstange“. Auf Bundesebene hatte Grünen-Chefin Ricarda Lang zivilen Ungehorsam hingegen als legitimes Mittel des politischen Protests bezeichnet, solange er friedlich sei.
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Und was sagt Hamburgs Fridays-for-Future?
Von diesen Klimakämpfer:innen heißt es: „Mit dem Protest am Hamburger Hafen thematisiert die Gruppe eine der größten klimapolitischen Baustellen. Hier tut sich eben so wenig wie im Verkehrs- oder Gebäudesektor. Mit dieser mangelhaften Politik kann sich Hamburg schon lange nicht mehr als Vorreiterin präsentieren. Genau wegen dieser politischen Untätigkeit gehen wir freitags auf die Straße”, sagte die Sprecherin Lou Töllner zur MOPO.