Food-Experte: „Fleisch wird von unserem Speiseplan nie ganz verschwinden“
Weniger Fleisch, mehr Sojaschnitzel. Weniger Milch, mehr Haferdrink. Unser Essverhalten ist im Wandel. Wie ernähren wir uns in zehn Jahren? Darüber hat die MOPO mit Hannes Arendholz gesprochen. Der 39-Jährige ist gelernter Koch, Produktentwickler für die Lebensmittelindustrie und einer der beiden Gründer der digitalen Rezept-Plattform „Foodboom“, auf der sein Team regelmäßig Rezepte und aktuelle Foodtrends vorstellt. Ein Interview über unseren Fleischkonsum, Restaurant-Sterben und Salatfelder auf dem Supermarkt-Dach.
Weniger Fleisch, mehr Sojaschnitzel. Weniger Milch, mehr Haferdrink. Unser Essverhalten ist im Wandel. Wie ernähren wir uns in zehn Jahren? Darüber hat die MOPO mit Hannes Arendholz gesprochen. Der 39-Jährige ist gelernter Koch, Produktentwickler für die Lebensmittelindustrie und einer der beiden Gründer der digitalen Rezept-Plattform „Foodboom“, auf der sein Team regelmäßig Rezepte und aktuelle Foodtrends vorstellt. Ein Interview über Koch-Roboter, Salatfelder auf dem Supermarkt-Dach und Einkaufstüten aus Bananenschalen.
Herr Arendholz, wenn es um das Essen der Zukunft geht, ist oft die Rede von Insekten-Burgern oder sogar Quallen-Chips, die Protein liefern sollen. Was halten Sie davon?
Hannes Arendholz: Ich finde es spannend, dass sich damit auseinandergesetzt wird. Vieles sind aber in erster Linie Ideen und teilweise auch Hirngespinste. Ich glaube nicht, dass sich die Insekten als Lebensmittel im großen Stil durchsetzen werden. Für den Großteil der Verbraucher ist die Abneigung gegenüber Insekten dann doch einfach zu groß, wenn im Burger-Patty Mehlwürmer oder Heuschrecken verarbeitet wurden. Das gilt natürlich auch für Quallen (lacht). Was sich allerdings gut als neues Lebensmittel durchgesetzt hat, ist die Meeresalge. Die wird mittlerweile ja sehr viel verarbeitet, für Sushi, als Chips oder einfach als Salat. Statt Insekten wird es noch viel mehr Fleisch- oder Fischersatz auf Basis von Erbsen, Cashews, Mandeln oder anderen pflanzlichen Rohstoffen geben. In der Entwicklung befinden sich seit einiger Zeit Fleisch und Fisch aus dem Labor, das aus den Zellstrukturen gewonnen wird.
Essen wir in zehn Jahren noch Fleisch?
Essen wir in zehn Jahren noch Fleisch?
Fleisch wird nie ganz verschwinden, das gehörte für die Menschen schon immer auf den Speiseplan. Die Anzahl an Flexitariern wird sich erhöhen, die zumindest gelegentlich Fleisch essen. Aber Fleisch wird sich zu einem edlen Genussmittel entwickeln, das man wirklich genießt. Ich vermute, in zehn Jahren gibt es im Supermarkt-Kühlschrank 95 Prozent pflanzliche Lebensmittel und nur noch fünf Prozent Fleisch. Da wird ein kompletter Wechsel stattfinden. Und wir werden, nicht nur beim Fleisch, mehr auf die Kleinstproduzenten setzen, bei denen wir wissen, woher das Fleisch oder die Rohstoffe kommen. Ökologisch-nachhaltig produzierte Lebensmittel werden in Deutschland weiterhin an Zuspruch gewinnen.
Kommen auch ganz neue Lebensmittel auf den Teller?
Alte Getreidearten, die schon lange in Vergessenheit geraten sind, werden in Zukunft wieder vermehrt auf unseren Tellern landen. In der Ackerkultur wird mittlerweile auch wieder Emmer angebaut. Für den Boden der Äcker und Felder ist es besser, wenn darauf möglichst viele verschiedene Kulturen und Getreidesorten angebaut werden. Quinoa und Süßkartoffel haben es mittlerweile ja auch auf unsere Felder in Deutschland geschafft.
„Die Restaurants im Mittelfeld sterben aus“
Gehen wir dann noch in Restaurants?
Ja, aber nur noch selten. Wir werden eher Essen nach Hause bestellen – der Trend zur Bequemlichkeit und des Überangebotes setzt sich fort. Zum anderen fehlt uns einfach das Geld für häufige Restaurantbesuche. Es werden sich nur individuelle, kleine Restaurants durchsetzen können, die saisonal und regional kochen und auch auf Wünsche der Gäste eingehen. Die mit Herzblut rangehen und dem die Gäste vertrauen. Sie haben eine kleine Speisekarte mit etwa sieben Gerichten, die sie dafür aber in Perfektion auf den Tisch zaubern. Auch die ganz großen Ketten, zum Beispiel Burgerketten oder Schnellrestaurants, werden nicht so schnell aussterben – weil sie einfach ganz anders kalkulieren können als kleine Restaurants, die die Warenwirtschaft selber bestreiten müssen. Verschwinden werden die Restaurants im Mittelfeld.
Die Gastrobranche leidet unter enormem Personalmangel. Wie entwickelt sich die Lage?
Zumindest in den großen Restaurantketten werden in zehn Jahren keine Köche mehr arbeiten, sondern Koch-Roboter und Servier-Automaten. Der Fachkräftemangel wird so kompensiert. Wir bei Foodboom sind im permanenten Austausch mit Firmen, die zukunftsweisend auf diesem Gebiet sind. Es gibt längst erste Tests mit Robotern in der Gastronomie. Bei Foodboom haben wir für 2023 die ersten Anfragen, Roboter mit Rezepten anzulernen. Der Kochroboter wird die Aufgaben 1:1 im Restaurant nachkochen können.
„Auf den Dächern der Supermärkte wird es ganze Felder mit Salat, Obst und Kräutern geben“
Erste Restaurants bauen schon Salat und Kräuter selbst an. Ist das zukunftsträchtig?
Es wird neue Technologien geben, mit denen Salate in den Restaurants noch viel schneller wachsen. Da wird derzeit an neuen Lampentechnologien geforscht. Auch auf den Dächern der Supermärkte wird es künftig ganze Felder geben, auf denen Salat, Obst und Kräuter angebaut werden, um die langen Lieferwege zu vermeiden. Auch dafür gibt es derzeit schon Testmärkte.
Gehen wir denn künftig noch im Supermarkt einkaufen?
Wir werden in den Großstädten aus Schnelligkeit und Bequemlichkeit definitiv noch mehr oder sogar ausschließlich beim Lieferdienst unsere Einkäufe bestellen. Was sich in den Supermärkten auch noch ändern wird: Die Industrie wird sich weiter mit ökologischem Verpackungsmaterial auseinandersetzen. Derzeit wird an Verpackungen aus Bananenschalen und Kartoffel-Maisstärke geforscht. Idealerweise ist die Verpackung oder Einkaufstüte in Zukunft abbaubar und löst sich innerhalb von zwölf Monaten vollständig auf und nicht erst in 400 bis 600 Jahren.
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Gibt es weitere nachhaltige Trends der Zukunft?
Schon in naher Zukunft wird sich ein Trend weiter entwickeln: schon verarbeitete Lebensmittel wieder in den Kreislauf zu bringen. Die Firma Knärzje, zum Beispiel, braut Bier aus altem Brot, das normalerweise weggeschmissen wird. Ein Teil des Braumalzes wird durch das alte Brot ersetzt. Außerdem werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass mehr Obst und Gemüse, das nicht perfekt aussieht, in den Supermärkten gelistet wird, so genannte Misfits. So wird nichts aussortiert und weggeschmissen.
Kochen wir noch selbst?
Auf jeden Fall! Durch Instagram sind viele Leute interessierter am Kochen und Backen. Leute lassen sich auf Social Media dafür feiern, was sie kochen, und suchen nach Anerkennung. Sie sind permanent auf der Suche, Neues ausprobieren zu können. Ich bekomme allein bis zu 20 Bilder pro Woche von Menschen, die unsere Rezepte vom ,Home Office Lunch‘ nachgekocht haben und mir das Ergebnis stolz präsentieren.