Hamburgs Gangster machen Millionen mit illegalen Daddelautomaten
Sie stehen in trostlosen Bistros, dubiosen Kneipen, Shisha-Bars oder Kulturvereinen, sehen harmlos aus und blinken bunt – vor allem aber bringen sie ihren Besitzern Millionen ein, vorbei an Steuer und Staat: Das Geschäft mit illegalen Automaten boomt. Die Strukturen haben sich regelrecht in die deutschen Kommunen gefressen, warnen Experten. Hamburg gilt als Hotspot der Szene. Kriminelle erwirtschaften Gewinne in Millionenhöhe – auch, weil die manipulierten Automaten für Spielsüchtige noch gefährlicher sind als ihre legalen Gegenstücke.
Sie stehen in trostlosen Bistros, dubiosen Kneipen, Shisha-Bars oder Kulturvereinen, sehen harmlos aus und blinken bunt – vor allem aber bringen sie ihren Besitzern Millionen ein, vorbei an Steuer und Staat: Das Geschäft mit illegalen Automaten boomt. Die Strukturen haben sich regelrecht in die deutschen Kommunen gefressen, warnen Experten. Hamburg gilt als Hotspot der Szene. Kriminelle erwirtschaften Gewinne in Millionenhöhe – auch, weil die manipulierten Automaten für Spielsüchtige noch gefährlicher sind als ihre legalen Gegenstücke.
Es geht um Sucht, Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Illegales Glücksspiel ist ein Problem, das nicht nur Spieler oder die legalen Anbieter betrifft, sondern alle. Denn die Gewinne gehen in die Millionen – am Fiskus vorbei, direkt in die Taschen von Kriminellen.
Wer an illegales Glücksspiel denkt, hat meist verschwiegene Pokerrunden in Hinterzimmern im Sinn. Die gibt es zwar auch – aber das große Geld wird mit Automaten gemacht. Und die verteilen sich über das ganze Hamburger Stadtgebiet. Die Spielhöllen sind als Bistros und Kneipen getarnt, umgeben von einer Aura der Trostlosigkeit – die Einrichtung beschränkt sich meist auf einen Tresen und wenige Tische, manchmal hängt ein Fernseher an der Wand. Wer eine Kleinigkeit essen will oder auf eine Auswahl an Getränken hofft, sucht schnell das Weite.
Hamburg: Spielhöllen in Hinterzimmern von Bars und Bistros
Die illegalen Geldautomaten haben die Betreiber dieser „Bistros“ in Hinterzimmer oder in die Keller gestellt, genau so läuft es in Wettannahmestellen oder Kulturvereinen. Besonders viele illegale Automaten gibt es in Wilhelmsburg, Billstedt und auf St. Pauli.
Das sind zumindest die Erkenntnisse von Jürgen Trümper, Gründer des „Arbeitskreises gegen Spielsucht“, der im Rahmen einer deutschlandweiten Feldstudie 2021 auch 150 Spielorte in Hamburg untersuchte. 135 davon stufte er als illegale Spielorte ein, 15 als „Problemgastronomie“. Vor allem Fun-Game-Automaten dominieren demnach Hamburg – Automaten, in die Spieler Geld hineinstecken und Punkte sammeln, während die Auszahlung durch den Wirt erfolgt.

Illegale und legale Glücksspielautomaten sind dabei kaum voneinander zu unterscheiden. Eine Prüfplakette der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ist zwar vorgeschrieben, es gibt jedoch auch ausrangierte Altgeräte mit Plakette, die – meist von Firmen aus Osteuropa – mit verbotener Software bespielt und erneut verkauft werden.
Illegale, manipulierte Automaten haben keine Limits
Illegale Glücksspielautomaten haben im Gegensatz zu legalen keine Begrenzungen: Weder beim Spieleinsatz noch bei der Spieldauer, Gewinnen oder Verlusten. Etliche Geräte sind so manipuliert, dass sie zunächst Gewinne ausschütten, dann jedoch umgestellt werden können – ein extremes Verlustgeschäft für die Spieler.
„Den knapp 1000 legalen Geräten in den Spielhallen stehen ungefähr 3000 illegale Geräte in Hinterzimmern und fragwürdigen Cafés gegenüber. Dort wird der Jugend- und Spielerschutz mit Füßen getreten und mit manipulierten Geräten erwirtschaften Kriminelle enorm hohe Umsätze – all das an der Steuer vorbei!“, sagt Gundolf Aubke, Vorsitzender des Hamburger Automaten-Verbands zur MOPO.

Hamburg entgehen dabei tatsächlich enorme Summen. Da Experten bei illegalen Spielautomaten von einem Gewinn von 10.000 Euro pro Gerät und Monat ausgehen, wären das bei 3000 illegalen Geräten im selben Zeitraum insgesamt 30 Millionen Euro.
„Die Aufstellung und Auszahlung von illegalen Fungames scheint in Hamburg eine Form von ,illegaler Normalität‘ zu sein“, schreibt Trümper im Fazit seiner Studie. Die Selbstverständlichkeit, mit der illegale Automaten in offen zugänglichen Räumen aufgestellt sind, „verblüfft und macht nachdenklich“.
Polizei hat kaum Handhabe beim illegalen Glücksspiel
Illegales Glücksspiel ist ein Delikt der Dunkelfeldkriminalität, also eine Straftat, die nicht angezeigt wird, sondern um die sich die Polizei selbst bemühen muss – ähnlich dem Drogenhandel. „Das für Kriminelle überaus einträgliche Geschäft mit dem illegalen Glücksspiel wird in Hamburg nahezu gar nicht verfolgt“, sagt Jan Reinecke, Landeschef beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Die Polizei sei mit der Abarbeitung der angezeigten Straftaten bereits vollkommen überlastet, so dass für die Dunkelfeldkriminalität in der Regel keine Ressourcen mehr übrig seien.
Einen Einblick in das Ausmaß illegalen Glücksspiels in Hamburg bekamen die Beamten bei ihren Einsätzen während der Corona-Pandemie. Bei der Kontrolle der Corona-Maßnahmen kamen sie in Lokale, die sonst nie behelligt werden – und wurden sehr häufig fündig. Manchmal flog eine illegale Pokerrunde auf, sehr häufig aber fielen den Beamten illegale Automaten in die Hände. Doch mit dem Wegfall der Maßnahmen gibt es für die Polizei keine Grundlage mehr, regelmäßig unauffällige Gaststätten zu kontrollieren.
Es braucht die Zusammenarbeit mit den Bezirksämtern, sagt Reinecke: Das Bezirksamt Harburg nehme hier eine „lobenswerte Vorreiterrolle“ ein, weil sie bei der Bekämpfung des illegalen Glücksspiels in dem Bezirk eng mit dem Kriminalpolizei zusammenarbeitet. Vom Bezirksamt Wandsbek heißt es auf MOPO-Nachfrage, man habe 2022 und 2023 mehrere Anzeigen wegen illegalen Glücksspiels erstattet und entsprechende Hinweise weitergegeben. Man arbeite ebenfalls eng mit dem zuständigen LKA zusammen. Das Bezirksamt stellt bei Kontrollen der Gewerbe- und Lebensmittelüberwachung im Gaststättenbereich regelmäßig illegale Geldspielautomaten oder Wett-Terminals fest, so die Sprecherin zur MOPO.
Gewerkschaft der Polizei fordert enge Zusammenarbeit
Laut Erkenntnissen der Polizei sind auch kriminelle Clans in das Glücksspiel involviert. In den Lokalen wird oft Geld gewaschen, heißt es in einem Positionspapier der Gewerkschaft der Polizei Hamburg (GdP). Doch das ist nur die eine Seite – auf der anderen stehen die Menschen, die spielsüchtig sind. Sie werden an den illegalen Geräten ohne Limit ausgebeutet, verschulden sich und geraten in Abhängigkeiten. „Da zerstören Menschen ihre Leben“, sagt GdP-Hamburg-Vize Lars Osburg.
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Die GdP fordert daher unter anderem die regelmäßige Erstellung von Lagebildern, gemeinsame Besprechungen von Staatsanwaltschaft, Polizei, Zoll, Steuerfahndung und Bezirksämtern, sowie regelmäßige gemeinsame Einsätze von Polizei, Zoll und Ordnungsbehörden. Auch die Einrichtung einer Spezialabteilung bei der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung illegalen Glücksspiels sei wichtig.