Klimaziele und sozialer Wohnungsbau: Senat mit großen Worten – aber kleineren Taten
MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über die radikalen Ankündigungen des rot-grünen Senats zu den Klimazielen und dem sozialen Wohnungsbau in Hamburg. Und warum diesen großen Worte nur kleinere Taten folgen können – was in seinen Augen aber auch genau richtig ist.
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MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über die radikalen Ankündigungen des rot-grünen Senats zu den Klimazielen und dem sozialen Wohnungsbau in Hamburg. Und warum diesen großen Worte nur kleinere Taten folgen können – was in seinen Augen aber auch genau richtig ist.
Starke Worte, radikale Ankündigungen. Auf dem Papier probt der Senat derzeit die Revolution. In den kommenden Wochen soll das CO2-Einsparziel der Stadt noch einmal kraftvoll nach oben korrigiert werden. Und für den Wohnungsbau sollen gar keine städtischen Flächen mehr verkauft, sondern nur noch zeitlich begrenzt in Erbpacht an Bauunternehmen vergeben werden. Doch die weitgehenden Beschlüsse haben einen Haken: Sie sind kaum umsetzbar.
Bei den Klimazielen machte der an die Umweltbehörde angebundene Klimabeirat in der laufenden Woche deutlich, dass der Senat dem Ziel weit hinterherhinke, auch nur 55 Prozent CO2 bis 2030 einzusparen und deshalb mehr als nur eine Schippe drauflegen müsse. „Will der Senat bis 2030 die 70 Prozent erreichen, muss er laut eigenen Berechnungen das Tempo der CO2-Minderung ab sofort verdreifachen“, weiß auch Paul Schmid, Sprecher des BUND Hamburg.
Die SPD wirft dem grünen Koalitionspartner schon seit Jahren vor, die Einsparziele immer höher zu stecken, ohne dass es eine realistische Strategie gäbe, sie auch wirklich umzusetzen. Doch weil die SPD nicht als klimapolitischer Bremser dastehen will, ist auch sie bereit, die CO2-Reduzierung bis 2030 um 70 Prozent nun festzuschreiben. Und die ist notwendig: Metropolen wie Hamburg müssten weltweit ihren Klimagas-Ausstoß in wenigen Jahren eminent reduzieren, sollen die katastrophalen Auswirkungen der Klimakatastrophe noch irgendwie in Grenzen gehalten werden.
Nicht anders sieht es beim Wohnungsbau aus: Hier meldete sich fast die komplette Wohnungswirtschaft mit der klaren Botschaft: Kommen die Erbpacht und die 100-jährige Sozialbindung für 1000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, die verhindern sollen, dass deren Zahl immer weiter schrumpft, dann kommt die Bautätigkeit in Hamburg komplett zum Erliegen. Wohnungsbau rechne sich unter solchen Voraussetzungen nicht mehr. Denn durch die Explosion der Baukosten und die ausbleibende Bundesförderung für energieeffizientes Bauen sei es schon jetzt nicht mehr rentabel, preisgünstige Wohnungen zu bauen.
Auch in Hamburg hieß es bislang: Eine Mietpreisbindung im sozialen Wohnungsbau, die über höchstens 30 Jahre hinaus geht, sei der Wohnungswirtschaft nicht zuzumuten und deshalb auch nicht durchsetzbar. Warum jetzt gehen soll, was bislang als unmöglich galt, bleibt ein Geheimnis. Deshalb muss man kein großer Prophet sein, um vorherzusagen: Die Jahre, in denen Hamburg sich mit 10.000 fertig gestellten Wohnungen brüsten konnte, sie sind erstmal vorbei, wenn der Senat seine Vorgaben ernst nimmt.
Die neuen Ziele markieren den endgültigen Bruch mit der Regierungsphilosophie von Ex-Bürgermeister Olaf Scholz. Für Scholz hieß „gut regieren“, nichts zu versprechen, was seine Regierung nicht halten kann. Das sieht jetzt anders aus: Nicht nur die Opposition ist sicher, dass der rot-grüne Senat die selbstaufgelegte Messlatte reißt. Selbst wenn er beim Klimaschutz und Wohnungsbau weitgehend erfolgreich ist, wird er sich vermutlich zu Recht vorwerfen lassen müssen, die hohen selbst gesteckten Ziele dann doch krachend verfehlt zu haben. Und folgen den großen Worten kleinere Taten, wird die Glaubwürdigkeit der Politik wieder einmal angekratzt werden. Die Erwartungen, die Rot-Grün heute schürt, wird Rot-Grün morgen jedenfalls kaum einlösen können. So stellt sich Hamburgs Stadtregierung derzeit eine Falle.
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Und trotzdem ist es inhaltlich richtig, hohe Ziele beim Klimaschutz und Wohnungsbau, den beiden Kernaufgaben des Senats, festzuschreiben. Denn nur ehrgeizige Ziele, an denen der Senat gemessen wird, werden in den Behörden eine ambitionierte Politik zur Folge haben. Selbst wenn der Senat seine nun neu formulierten Vorgaben nicht ganz erreicht, so ist es fast sicher, dass mit geringeren Vorgaben auch nur kleinere Brötchen gebacken würden.
Durch die neuen Zielfestlegungen machen Tschentscher, Kerstan, Stapelfeldt & Co sich angreifbar und stellen auch ihre Nachfolger:innen vor schwere Herausforderungen. Doch die Signalwirkung, die über Hamburg hinaus reicht, ist immens. Ob Klimaschutz oder Bodenpolitik: Auch in Frankfurt, München oder Berlin, wo die Probleme dieselben sind, schaut man auf Hamburg. Genau deshalb gilt: Der Senat verspricht gerade etwas, was er vermutlich nicht halten kann. Dass er es trotzdem tut, ist richtig.