„Kindeswohl gefährdet“: Was ist da im Flüchtlingsheim von Sternipark los?
Wohin mit den vielen minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, die nach Hamburg kommen? Fünf Einrichtungen für die Jugendlichen unterhält die Stadt, eine sechste gab sie vor einem Jahr in die Hände des privaten Trägers Sternipark – und mit dessen Heim in Bahrenfeld gibt es nun Probleme: Die jungen Bewohner klagen über Hunger, Überfüllung und schlechte Betreuung, gar einen Suizidversuch. Die Bezirkspolitik zeigt sich alarmiert von den Schilderungen, die die Teenager im Altonaer Jugendhilfeausschuss vortrugen. Sternipark, seit 30 Jahren in Hamburg im Kita-Business aktiv, weist alle Vorwürfe von sich.
- Deutsch (Deutschland)
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Wohin mit den vielen minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, die nach Hamburg kommen? Fünf Einrichtungen für die Jugendlichen unterhält die Stadt, eine sechste gab sie vor einem Jahr in die Hände des privaten Trägers Sternipark – und mit dessen Heim in Bahrenfeld gibt es nun Probleme: Die jungen Bewohner klagen über Hunger, Überfüllung und schlechte Betreuung, gar einen Suizidversuch. Die Bezirkspolitik zeigt sich alarmiert von den Schilderungen, die die Teenager im Altonaer Jugendhilfeausschuss vortrugen. Sternipark, seit 30 Jahren in Hamburg im Kita-Business aktiv, weist alle Vorwürfe von sich.
67 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, alle männlich und zumeist aus Afghanistan, sind derzeit in dem zweistöckigen Zweckbau an der Theodorstraße untergebracht. Im Dezember 2022 kam der Notruf aus der Sozialbehörde: Der Bezirk möge zustimmen, dass der Träger Sternipark in dem leerstehenden Gebäude eine Erstversorgungseinrichtung (EVE) für junge Flüchtlinge einrichtet, der Bedarf sei riesig. Der Bezirk genehmigte 48 Plätze, die inzwischen auf 67 aufgestockt wurden. 21 Jugendliche haben derzeit keinen amtlichen Vormund, wie aus einer Anfrage der Linken hervorgeht.
Sie bekämen nicht ausreichend zu essen, erklärte ein 16-Jähriger nun den Ausschussmitgliedern. Als er morgens um sieben Uhr in den Frühstücksraum kam, sei nichts mehr dagewesen. In einem NDR-Bericht war ein Handyvideo zu sehen, von einem nahezu leeren Tisch, dazu schildert eine Übersetzerin, dass die Jugendlichen zum Frühstück meist nur Saft und Toastbrot bekämen, erst nach einem kritischen Artikel sei Käse hinzugekommen. Auch ein Vierbettzimmer, aufgenommen von einem Handy, zeigte der NDR, die Übersetzerin sprach dazu von fehlender Privatsphäre der Jugendlichen.
Sternipark-Chefin weist die Vorwürfe zurück
Gegenüber der MOPO weist Sternipark-Chefin Leila Moysich die Vorwürfe zurück: „Vereinzelte Jugendliche haben den Wunsch geäußert, statt einer vollwertigen Verpflegung mit einem reichhaltigen Frühstücksbuffet, einer warmen Mittagsmahlzeit und einem warmen Abendessen sowie diversen Zwischenmahlzeiten lieber Bargeld ausgezahlt zu bekommen.“ Eine Bargeldauszahlung sei aber – abgesehen von Taschen- und Bekleidungsgeld – in der Vereinbarung mit der Stadt nicht vorgesehen.
Das Konzept sehe Vollversorgung vor: „Natürlich bekommen die Jugendlichen in der Einrichtung ausreichend zu essen.“ Das Aufstellen weiterer Stockbetten sei notwendig, sonst müssten Jugendliche in Zelten schlafen. Die bisherige Berichterstattung – auch die „taz“ hatte berichtete – sei „nicht in Ordnung“, so Moysich. Gegen den NDR gehe man nun rechtlich vor.
Die Ombudsstelle in der Kinder- und Jugendhilfe verzeichnet hingegen bereits 33 Beschwerden aus der Sternipark-Einrichtung: „So eine Fülle haben wir noch nie zu einem einzelnen Träger bekommen“, sagt Lisann Mayer von der Ombudsstelle zur MOPO. Die Jugendlichen klagen über zu wenig zu Essen, aber auch über psychische Notsituationen: „Viele Missstände sind von den Jugendlichen dokumentiert.“ Auch die Schilderung eines Suizidversuchs halte sie für glaubhaft, so die Sozialarbeiterin. Diesen schließt Leila Moysich im NDR-Bericht kategorisch aus, auch die Sozialbehörde hat darüber keine Kenntnis.
Zahlreiche Beschwerden bei der Ombudsstelle
Bei der Ombudsstelle haben sich laut Lisann Mayer auch Fachkräfte gemeldet: „Uns erreichten Schilderungen von Lehrern, dass die Jugendlichen aus der Theodorstraße nicht angemessen bekleidet zur Schule gekommen seien. Das Kleidergeld sei nicht ausgezahlt worden.“
Auch Sozialarbeiterin Morasah Mazloumsaki, die den Jugendlichen als Dolmetscherin zur Seite steht, zeigt sich gegenüber der MOPO erschüttert: „Ich glaube denen. Sie sind mutig genug, um Hilfe zu rufen.“ Völker Vödisch, Linken-Abgeordneter und Mitglied im Altonaer Jugendhilfeausschuss, hält die Schilderungen ebenfalls für glaubhaft: „Ich hatte den Eindruck, sie empfinden wirklich Not. Ich sehe in der Einrichtung das Kindeswohl gefährdet.“
Die Sozialbehörde gibt sich auf MOPO-Nachfrage zurückhaltend: „Der Sozialbehörde sind die Beschwerden bekannt“, so Sprecher Wolfgang Arnhold: „Im Übrigen sind Beschwerden über das Essen wegen der unterschiedlichen Essgewohnheiten in den Herkunftsländern eine der am häufigsten auftretenden Beschwerden bei allen Trägern.“ Man sei im Gespräch.
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Der Linken-Abgeordnete Vödisch fragt sich hingegen, warum überhaupt ausgerechnet Kita-Betreiber Sternipark als einziger privater Träger einer Ersteinrichtung für minderjährige Flüchtlinge ausgewählt wurde: „Das Vergabeverfahren an Sternipark erschien uns intransparent.“
Sternipark ist im Bezirk Altona als schwieriger Partner bekannt. Eine mit städtischer Unterstützung gekaufte Villa für eine Kita in Othmarschen steht seit 2017 leer, weil Sternipark und Bezirk sich lange nicht über eine von Sternipark gewünschte massive Vergrößerung der Immobilie einigen konnten.