Sex am Regal, Nackte an der Kasse: Sie leitet Deutschlands krassesten Discounter
Mona kann sich einfach nicht dran gewöhnen. Wenn Leute im Discounter um sie herumschleichen, tuscheln und sich irgendwann endlich trauen, sie nach einem gemeinsamen Foto zu fragen. „Den Hype um meine Person kann ich nicht verstehen. Ich bin doch bloß die Leiterin eines Supermarktes“, sagt Ramona Koch (41). Nicht irgendein Supermarkt. Die Frau mit dem nahezu nahtlos tätowierten Körper, den Piercings und knallrot gefärbten Haaren ist Leiterin des Penny-Marktes an der Reeperbahn. Der wohl bekannteste Discounter Deutschlands – der Mona zwar regelmäßig wahnsinnig macht, aber auch zu ihrem Zuhause geworden ist.
Fotos lehnt die Frau, die von vielen Kunden „Chefin“ genannt wird, generell ab. Sie möchte nicht auf irgendeinem Instagram-Kanal von irgendwem zu sehen sein. Zumal sie bei der Arbeit häufig im Stress ist und mit hochrotem Kopf durch den Laden wirbelt. Nicht die Momente, in denen die Filialleiterin fotografiert werden möchte.
- Deutsch (Deutschland)
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Mona kann sich einfach nicht dran gewöhnen. Wenn Leute im Discounter um sie herumschleichen, tuscheln und sich irgendwann endlich trauen, sie nach einem gemeinsamen Foto zu fragen. „Den Hype um meine Person kann ich nicht verstehen. Ich bin doch bloß die Leiterin eines Supermarktes“, sagt Ramona Koch (41). Nicht irgendein Supermarkt. Die Frau mit dem nahezu nahtlos tätowierten Körper, den Piercings und knallrot gefärbten Haaren ist Leiterin des Penny-Marktes an der Reeperbahn. Der wohl bekannteste Discounter Deutschlands – der Mona zwar regelmäßig wahnsinnig macht, aber auch zu ihrem Zuhause geworden ist.
Fotos lehnt die Frau, die von vielen Kunden „Chefin“ genannt wird, generell ab. Sie möchte nicht auf irgendeinem Instagram-Kanal von irgendwem zu sehen sein. Zumal sie bei der Arbeit häufig im Stress ist und mit hochrotem Kopf durch den Laden wirbelt. Nicht die Momente, in denen die Filialleiterin fotografiert werden möchte.
Ramona Koch: Der Penny auf dem Kiez ist ihr Zuhause
Erst kürzlich kam wieder ein Typ in den Laden und flippte völlig aus, als er Mona sah. „Hey, krass. Du bist ’ne Legende. Wir kennen dich alle.“ Höchst unangenehm für die Penny-Markt-Chefin, die viele aus dem TV kennen. Nur ein einziges Mal machte Mona eine Ausnahme. Als sie vor der Tür eine rauchte und eine Familie um ein Foto bat. Die kleine Tochter im Rollstuhl. „Wenn dich da so ein kleines Mädchen anhimmelt – da konnte ich nicht anders.“
Nicht nur im Laden wird die Frau erkannt. Manche Passanten brüllen quer über die Straße, wenn sie sie sehen. „Das ist für mich problematisch. Ich habe ja auch mal Freizeit. Da will ich nicht darüber nachdenken, mich immer zu 100 Prozent benehmen zu müssen“, sagt die Frau, die alleine in Schnelsen lebt und gerne mit ihrem „ausgewählten Kreis Bekloppter“ unterwegs ist.
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Obwohl: Benehmen – das macht Mona selbst als Filialleiterin nicht immer. Und das ist es auch, was sie an ihrem Job so sehr liebt. „Du kannst bei uns im Laden ‚Scheiße‘ sagen. Das kannst du in Blankenese nicht.“ Um dort arbeiten zu können, müsste sie sich auch erst mal wieder „runtertherapieren“ von der Reeperbahn. „Nicht, dass ich komplett gestört bin, aber der Umgang ist auf dem Kiez einfach anders.“
Vom Anzugträger bis zum Obdachlosen hat sie alles im Laden. Sogar Schulklassen, die mit Reisebussen vorfahren. Nur um ein Foto im Penny-Markt zu machen. „Was stimmt mit denen nicht? Früher sind wir mit der Klasse ins Kiekeberg-Museum gegangen, heute geht man zu Penny. Ganz schön irre.“ Ohnehin erlebt sie ziemlich schräge Sachen im Laden. Sex in der Getränkestraße. Entblößte an der Kasse. Mona hat schon so einiges gesehen.
Massen an Pfandsammlern sind auf dem Kiez Standard
Standard sind für sie dagegen die Massen an Pfandsammlern. Jeden Morgen stehen sie Schlange. Manche schon 45 Minuten bevor der Laden öffnet. Immer wieder kriegen sie sich in die Haare. Wer zuerst dran war. Wer die Automaten zu lange nutzt. „Wenn mir das zu blöd wird, mache ich die Automaten einfach aus. Gestritten wird bei mir nicht.“ Meistens sind es Anwohner, die sich aufregen. Wenn ein Sammler den Automaten blockiert und sie ihre fünf Flaschen nicht abgeben können. Für Mona klare Sache. „Sollen die Anwohner doch mittags ihre Flaschen abgeben. Die wissen genau, dass morgens die Sammler da sind.“
Pfand kassieren – ein häufig lukratives Geschäft. Viele kommen mit einem Einkaufswagen voller Flaschen. Und gehen mit 150 bis 200 Euro. Die fetteste Kohle machte ein Sammler, der immer nur einmal im Monat kam. Er musste sich vorher anmelden, Handschuhe mitbringen und die Automaten danach selber leeren. „Das war mir zu blöd. Der hat Flaschen im Wert zwischen 800 und 1000 Euro da reingepfeffert.“
Corona & Lockdown: Für die Penny-Chefin furchtbare Zeit
Mona ist froh, dass die Sammler wieder da sind. Waren sie während des Lockdowns doch lange weg. Für die Chefin eine furchtbare Zeit. „Da hast du selbst die Junggesellenabschiede vermisst.“ An das Partyvolk samstagmorgens muss sich Mona allerdings noch immer gewöhnen. Harte Kost. „Die stolpern mit sechs Promille aus der Kneipe. Ich habe null Promille, bin quarkig und nicht ausgeschlafen. Da findet man definitiv nicht dieselben Dinge witzig.“ Eine Gruppe Halbstarker, die im Gang Fußball mit einer Melone spielt. Gar nicht lustig. Ein Typ, der sich in die Tiefkühltruhe legt. Auch nicht witzig. Allerdings harmlos. Viel mehr zu schaffen macht ihr das Aggressionspotenzial, das Samstagmorgens in den ersten drei Stunden immer sehr hoch sei. Da ist Mona angespannt. „Du merkst schon vorher, wenn es kracht und du wieder eingreifen musst.“
Zupacken muss die Chefin regelmäßig. Großes Problem seien Junkies, die pöbeln und klauen. Oder Jungs, die meinen, den Dicken machen zu müssen. „Ich kann aber auch ganz gut Eier zeigen. Meistens klappt es, dass wir sie rauskriegen, ohne dass etwas passiert.“ In den ersten Jahren sei das anders gewesen. Da wurde sie häufiger angegriffen. Das Schema ist in der Regel gleich. Drogenabhängige klauen Alkohol, Croissants oder Süßigkeiten. Mona bremst sie aus und fordert die Ware zurück. Wenn sie sich weigern, bringt die Chefin sie zu Boden und alarmiert die Polizei. „Wenn Diebe Programm wollen, können sie Programm haben. Ich prügele mich nicht mit denen, aber ich lass mir auch nicht auf der Nase rumtanzen.“
Mona nennt das „Tänzchen“. Dabei hat sie sich schon mal eine Rippe, einen Finger und die Nase gebrochen. Ganz schön hart. Die Frau mit den Tätowierungen und Piercings zuckt die Schultern. „Das sind Gott sei Dank nur Kleinigkeiten. Und es hat sich schnell rumgesprochen, dass mit mir nicht gut Kirschen essen ist. Jetzt hab’ ich meine Ruhe.“
Zumindest größtenteils. Diebe sind trotzdem nach wie vor im Laden. Klar, wenn da ein Zwei-Meter-Typ steht und ihr die eingesteckte Schokolade nicht zurückgeben will, hat Mona auch mal Angst. Aber die meisten geben ihr die Waren zurück und bekommen Hausverbot. Auf der Straße grüßen und sie mit Respekt behandeln – das macht sie trotzdem. Immer wieder kommen auch Diebe, die sich bei ihr entschuldigen. „Die kriegen noch eine zweite Chance und dürfen wieder in den Laden.“
Wie viele Leute Hausverbot haben, kann Mona nicht sagen. Sehr viele. Aber nicht nur wegen Diebstahls und Pöbeleien. Manche bekommen auch ein eintägiges Hausverbot, weil sie sehr stark riechen. Oder weil sie permanent rumbrüllen. Wie Dynamo-Mike. Einer ihrer anstrengendsten Kunden. Insbesondere weil er bis über beide Ohren in sie verknallt sei. „Würde er rauskriegen, wo ich wohne, würde er mit Klampfe vor meinem Haus stehen.“ Einmal schrieb er der Chefin einen Liebesbrief. In der Überzeugung, dass sie ihn animiert hätte. Dadurch, dass sie an einem Tag ausnahmsweise einmal keinen Pferdeschwanz trug. Mona muss ihre Haare nach hinten geworfen haben. Dynamo-Mike voller Hoffnung. Er schrieb, dass sie ihn ja gar nicht so ‚scheiße‘ finden könne, wenn sie solch eine Geste vor seinen Augen machen würde.
Die Frau mit der kurzen Hose haut sich lachend auf das tätowierte Bein und schüttelt den Kopf. „Wenn der zu voll ist und mir zu sehr auf den Sack geht, kommt er den Tag nicht mehr rein.“ Ist er denn jeden Tag da? Mona stößt ein langgezogenes, fast verzweifeltes „Ja“ aus. „Teilweise steht er von morgens um acht bis nachmittags um vier vor dem Laden und brüllt in einer Tour ‚Dynamo Dresden‘. Der ist nicht ganz knusper im Kopf. Aber würde nie jemandem etwas tun.“
Manche Penny-Kunden erzählen ihr von Problemen
Auch andere Kunden sind täglich da. Gerade ältere Anwohner bis zu sechsmal. Sehr einsame Seelen. Mona nimmt sich zwischendurch Zeit für ein Gespräch. Manche erzählen von Problemen mit dem Partner oder den Behörden. Von den Enkelkindern. Viele tratschen über die Nachbarn. „Ich bin Kindergärtnerin, Psychologin, Vertraute – einfach alles. Für unsere Stammkunden habe ich immer ein offenes Ohr.“
Besonders wichtig sind Mona die Obdachlosen. Viele treffen sich vor dem Penny-Markt. Das Kranken- und das Zahnarztmobil halten vor der Tür. Die Essensausgabe. Die Chefin kümmert sich um ihre „verlorenen Seelen“. Sie kauft von ihrem Geld Wasser, Melone, Eis, Aufschnitt und Brötchen. „Wenn es kalt ist, geh ich zum Beispiel zu Inge und bringe ihr eine Fünf-Minuten-Terrine. Sie hat keine Zähne mehr, der muss ich jetzt nicht mit einem Braten kommen.“ Für Mona kleine Gesten. Für die Obdachlosen so viel mehr.
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Mit nach Hause nimmt Mona die Schicksale nicht. „Daran würde ich kaputtgehen. Generell nehme ich nichts mehr mit nach Hause.“ Das war anfangs anders. Als sie vor neun Jahren die Filiale mit zwölf Mitarbeitern übernahm. Vorher war die gelernte Kfz-Mechanikerin, die vor 17 Jahren als Kassiererin bei Penny einstieg, Leiterin in der Schanze und Eimsbüttel. Auf den Kiez wollte sie eigentlich gar nicht. Doch ihr Bezirksleiter ließ nicht locker. Irgendwann stimmte Mona zu. Allerdings auf Zeit. In den ersten Monaten wollte die Chefin nur weg. Jeden Tag Stress. Jeden Tag Polizei. Irgendwann fing sie an, „alles rauszuschmeißen, was sich nicht benimmt“. Und auf einmal lief es. Heute fühlt sich der Laden wie ihr Zuhause an. „Das ist mein Baby.“ Aber Mona weiß: Irgendwann kommt der Tag, an dem sie gehen muss. An dem sie die Anstrengung nicht mehr schafft. Aber das wird noch dauern. Gerade erst hat sie ihren Vertrag um zwei Jahre verlängert.
Steckbrief Ramona Koch (41)
Spitzname und Bedeutung: Mona, Chefin oder manchmal auch Muddi Mona
Beruf/erlernte Berufe: Filialleiterin Penny-Markt Reeperbahn, Kfz-Mechanikerin
St. Pauli ist für mich … eine schöne andere Welt.
Mich nervt es, wenn … Kunden mich nach Selfies fragen.
Ich träume davon, … ein Haus am See zu haben.
Wenn mir einer blöd kommt, … komme ich blöd zurück.
Zum Abschalten… fahre ich zu meiner Familie an die Ostsee.
Als Kind … war ich scheiße. Ich hatte ständig Wutanfälle. Da hat nichts geholfen. Keine Ahnung warum. Ich hatte schon immer einen Dickschädel.
Meine Eltern … sind für mich nur meine Mutter. Sie ist mein Ein und Alles.
Vom Typ her bin ich … anders als andere. Glaube ich.