Kiez-Veteran verarmt: Das bittere Ende des Star-Club-Besitzers
Sein Zuhause hat Horst Fascher als Museum in eigener Sache gestaltet. Plakate und Bilder aus den Sechzigern pflastern die Wände der Zwei-Zimmer-Wohnung, die der 86-Jährige heute am Rande des Kiezes bewohnt. Fast all die Exponate drehen sich den legendären Star-Club und die Musiker, die ihn zum rocken brachten – allen voran die Beatles, für die der Star-Club die erste Station auf ihrem Weg zum musikalischen Weltruhm war. Nun wird er 87 Jahre alt – das Lebensgefühl des Rock 'n' Roll, das war einmal.
Sein Zuhause hat Horst Fascher als Museum in eigener Sache gestaltet. Plakate und Bilder aus den Sechzigern pflastern die Wände der Zwei-Zimmer-Wohnung, die der 86-Jährige heute am Rande des Kiezes bewohnt. Fast all die Exponate drehen sich um den legendären Star-Club und die Musiker, die ihn zum rocken brachten – allen voran die Beatles, für die der Star-Club die erste Station auf ihrem Weg zum musikalischen Weltruhm war.
Fascher war der Mann, der das möglich machte. Den Star-Club hat er 1962 mitbegründet, er holte die Bands, die sich in dem Club an der Großen Freiheit 39 (St. Pauli) die Klinke in die Hand gaben, aus England und den USA nach Hamburg. The Animals, Bill Haley, Chuck Berry, Little Richard, Jimi Hendrix, Ray Charles, Fats Domino, The Everly Brothers und Jerry Lee Lewis – sie alle haben hier gastiert.

Das Plakat zur Eröffnung des Clubs am 13. April 1962 hat einen Ehrenplatz in Faschers Flur bekommen: „Die Not hat ein Ende! Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei“, kündigt es an: Rock ’n‘ Roll statt deutscher Schlager, ein Club für die Musik und das Lebensgefühl einer Genration, die aus den Zwängen der Adenauer-Ära ausbrechen will. Jede Nacht Live-Musik von nicht nur einer, sondern vier Bands, bis morgens um 6 Uhr. Vom ersten Abend an sind die Beatles – damals noch unbekannt – am Start. 500 Mark pro Mann und Woche, so viel Geld haben die Pilzköpfe noch nie an Gage erhalten. Insgesamt 79 Mal stehen die „Fab Four“ bis Ende 1962 auf der Bühne und begründen damit ihre Weltkarriere.
Horst Fascher ist ein echter Junge vom Kiez
Flüchtlingskind, Kiezjunge, Hamburger Boxmeister im Fliegengewicht, Vietnam-Freiwilliger: Faschers Leben kannte viele Facetten, doch nur eine hat ihn weltweit bekannt gemacht, nur eine zählt für ihn heute noch: Die Star-Club-Zeit. Rund 60 Jahre ist das her. Doch auf den 64 Quadratmetern, die Fascher bewohnt, hat er die Zeit einfach mal kurz angehalten. Auch wenn diese an dem Mann, der am 5. Februar 87 Jahre alt wird, nicht spurlos vorbeigegangen ist. Der Körper ist müde geworden, Fascher schiebt ihn gestützt auf einen Gehwagen durch seine Wohnung. Das Essen kommt auf Rädern von der Hamburger Tafel. Faschers Partnerin Heidi musste vergangenen August in einer Dementen-WG untergebracht werden. Das Lebensgefühl des Rock ’n‘ Roll, das war einmal.

Doch wenn Fascher die Anekdoten aus seiner großen Zeit erzählt und sie zu kleinen Heldengeschichten formt, dann leuchten die Augen des bärtigen alten Mannes unter der Brille. Nichts ist vergessen, auf der Festplatte hinter Faschers Schädeldecke hat das Alter keine einzige Erinnerung gelöscht. Die Geschichten von damals sind so viel lustiger als die Gegenwart und so sprudeln die Anekdoten aus Fascher nur so heraus. Bizarre und zugleich anrührenden Erinnerungen an die wilden, goldenen Star-Club-Zeiten.
Beatles brachten ein Schwein mit vom Fischmarkt
Am häufigsten hat Horst Fascher wohl die Geschichte von den Beatles und dem Ferkel erzählt, das die Pilzköpfe aus einer Laune heraus auf dem Fischmarkt erstanden, an der Leine über den Kiez führten, bis sie von den Beamten der Davidwache gestoppt wurden. Fascher musste sie auslösen und brachte sie – samt Schwein – in einer Wohnung in der Großen Freiheit unter, die das Ferkelchen vollkackte. Ungerührt ließen die Beatles den Kot einfach liegen und drückten ihre Zigarettenstummel darin aus. „Wir haben jetzt neben dem Schweinchen noch einen Igel in der Wohnung“, kalauerte die Band, als sie Fascher das wenig ästhetische Kunstwerk präsentierte. Das Ende vom Lied: Die Putzfrau musste ran und das Ferkel beendete sein kurzes Leben in einer nahen Metzgerei.

Nicht selten verbrachten die Pilzköpfe die Nächte nach einem Konzert mit Freunden und einer Horde Groupies in der besagten Wohnung in der Großen Freiheit, in der es nur ein WC gab, das nach exzessiven Bierkonsum fast immer besetzt war. Und als John Lennon den Druck nicht mehr aushielt, da habe er sich einfach auf den Balkon gestellt – give piss a chance.
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Während er auf die Straße urinierte, achtete der Musiker nicht darauf, dass unter ihm gerade eine ganze Gruppe morgendlicher Kirchgänger auf dem Weg zum Gottesdienst die Freiheit überquerte. Sich den Rest auszumalen, überlässt Fascher seinen Zuhörer:innen.
Fascher kommt 1965 ins Gefängnis
1965 folgte die Zäsur, als Fascher eine zweijährige Haftstrafe antreten musste, nachdem der Boxmeister im Streit um die Gunst einer Frau einem Matrosen einen rechten Haken versetzt hatte und dieser mit seinem Hinterkopf anschließend auf einem Stein aufschlug. Schädelbruch lautete die Diagnose, schwere Körperverletzung mit Todesfolge das Urteil. Nach seiner Entlassung auf Bewährung erhielt Fascher die Auflage, den Kiez nicht zu betreten.
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So heuerte er 1967 gemeinsam mit dem Musiker und guten Freund Tony Sheridan mitten in den Kriegswirren in Vietnam an, wo er die amerikanischen Soldaten musikalisch betreut. Wieder zurück in Hamburg versucht Fascher die guten alten Zeiten wieder lebendig zu machen: 1976 eröffnet er den „Star-Club II“ am Großneumarkt (Neustadt). Doch der neue Laden kann nie an die Erfolge des legendären Star-Clubs anknüpfen – 1969 schließen sich seine Pforten endgültig.

Geblieben sind Erinnerungen auf Papier. Was nicht an den Wänden hängt, und an den Star-Club erinnert, das ist in Kisten verstaut. Horst Fascher hat alles gesammelt, doch was sich für Schätzchen in den etwa 40 Kartons, von denen einige in seiner Wohnung, die meisten aber im Keller lagern – das weiß er selbst nicht so genau. Stolz zeigt er die zahlreichen Briefe, die Paul McCartney ihm schrieb und die gemeinsamen Fotos. Paul McCartney war es, der die Beerdigung von Faschers Sohn bezahlte, der noch als Kleinkind an Kindbettfieber starb. Der eine Widmung für Faschers Autobiographie verfasste, damit sich das Buch noch besser verkauft. Und mit dem er – die Erinnerung ist da nicht mehr ganz präzise, zuletzt vor etwa drei Monaten telefoniert habe, auch um ihn um etwas Geld zu bitten, für einen neuen Gehstuhl. Denn die Rente ist spärlich, Fascher hat viel gelebt und wenig gespart. Paul habe ihn mit freundlichen Worten bedacht, doch Geld, nein Geld sei nicht auf seinem Konto eingegangen. 60 Jahre sind dann doch eine lange Zeit. Da kann auch eine alte Liebe schon mal ein wenig Rost ansetzen.