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  • Foto: imago images/Chris Emil Janßen

Kiez-König: Das denkt Corny Littmann über Corona und Hygiene-Maßnahmen

Nachdenklich und erschüttert wirkt Corny Littmann (67), Gründer der drei Schmidt-Bühnen auf dem Kiez, beim Interviewtermin im leeren Theaterfoyer. Besonnen formuliert er, wie es seinen geliebten Theatern geht, warum er Glück im Unglück hatte und warum er nun dennoch fast alle Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken musste. Was bleibt, ist Hoffnung.

MOPO: Wie hart treffen die Beschränkungen die Schmidt-Theater-Familie?
Corny Littmann: Doppelt hart: Zum einen können wir alle unseren Beruf nicht mehr ausüben. Zum zweiten ist es für ein so großes Unternehmen wie die Tivoli GmbH wirtschaftlich schwierig.

Die ersten Wochen haben Sie überbrückt bekommen, nun mussten Sie auf die anhaltende Schließung reagieren. Wie sieht das aus?
Fast alle Mitarbeiter, ungefähr 95 Prozent, sind in Kurzarbeit. Nur die Mitarbeiter aus dem Vertrieb sind noch im Büro. Sie müssen Kartenbestellungen aus der Vergangenheit bearbeiten. Etliche tausend Kunden müssen benachrichtigt werden und Wertgutscheine erhalten.

Sie haben mit vielen Freiberuflern zu tun. Wie ist die Stimmung bei denen?
Versteht sich von selbst, dass keiner froh darüber ist. Aber wir sind ein gesegnetes Land, weil wir überhaupt Kurzarbeit und Soforthilfe haben. Amerikanische Musicaldarsteller am Broadway sind von heute auf morgen arbeitslos, kriegen gar keine Unterstützung und haben eine ungewisse Zukunft. So gesehen sind die deutschen Künstler größtenteils in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Das heißt nicht, dass die Einschränkungen nicht schmerzhaft sind.

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Welche Einschränkungen nerven Sie persönlich am meisten?
Dass es nicht die Möglichkeit gibt, sich mit mehr als zwei Menschen auf einmal zu treffen. Dieses dauerhafte Kleinstgruppengeschehen ist nervig.

Wie lange können die drei Theater durchhalten, wenn die Lage so bleibt?
Unter der Voraussetzung, dass wir keinerlei Hilfe von Dritten erhalten, nur noch einige Monate, ohne dass ich sage, ob es drei, vier oder fünf sind. Mit staatlicher Hilfe, die uns in Aussicht gestellt worden ist, sicherlich länger. Noch haben wir keine Zusage, aber die Hilfsbereitschaft der Kulturbehörde, insbesondere unseres Kultursenators Carsten Brosda, ist außerordentlich. Wir sind in einer Sondersituation, weil wir keine subventionierte Privatbühne sind. Trotzdem sind wir die Bühne in Hamburg mit den meisten Zuschauern, wenn man die Musicals außen vor lässt. Wir erhalten auch Unterstützung von Freunden des Theaters, von Kunden, die auf die Einlösung ihrer Gutscheine verzichten. Aber das stopft nur ein kleines Loch.

„Schmidtflyx“ mit Elena Zvirbulis als Blondie und Wolfgang Trepper

„Schmidtflyx“ mit Elena Zvirbulis als Blondie und Wolfgang Trepper

Foto:

Schmidts Tivoli

Haben Sie schon einen Plan, wie der Betrieb aussehen könnte, falls Sie wieder öffnen dürfen?
Wir arbeiten an verschiedenen Plänen für die drei Theater. Wenn das Infektionsgeschehen weiter so nachlässt wie bisher, können wir darüber reden. Das ist Voraussetzung. Es geht darum, Ansammlungen größerer Gruppen zu vermeiden. Es geht also um Ein- und Auslass und möglicherweise die Toiletten. Im Tivoli sind wir in einer guten Lage, denn wir können über mindestens sechs verschiedene Stellen Gäste ein- und auslassen. In Südkorea gibt es am Theatereingang sogenannte Desinfektionsduschen, in anderen Ländern wird Fieber gemessen. Summa summarum gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, die man ergreifen muss, die aber möglich sind. Was nicht möglich ist, ist eine Abstandsregelung von 1,5 Metern. Denn da wären wir bei einem Drittel der Kapazität. Das ist nicht realisierbar. Aber mit einer Zweidrittel-Besetzung in einem Theater wären Vorstellungen realisierbar.

Das würde sich wirtschaftlich lohnen?
Lohnen … na ja. Es rechnet sich, sage ich mal.

Das klingt alles sehr besonnen. Haben Sie Forderungen?
Ich habe die stille Hoffnung, dass die Frage der Gastronomie – Restaurants und Außengastronomie – in dieser Woche geklärt wird. Auf dem Spielbudenplatz sind Abstandsregelungen ohne Weiteres zu realisieren. Ich erwarte, dass diese Woche Entscheidungen fallen, die es uns ermöglichen, zumindest Teilbereiche in der Gastronomie wieder zu öffnen.

Sie haben als eines der ersten Theater auf die Schließungen reagiert und mit „SchmidtFlyx“ dreimal wöchentlich eine Live-Show gesendet.
Wir wollen Unterhaltung in die deutschen Wohnzimmer bringen und nicht nur dieses deprimierende Geschehen, das 24 Stunden am Tag über den Äther läuft. Wir wollen eine Show machen, die „coronafrei“ ist. Wo es nicht immer nur darum geht, wie schrecklich alles ist.

Wieso mussten Sie die Live-Shows auf jetzt einmal im Monat reduzieren?
Wir mussten den Betrieb runterfahren. Auf null. Wir senden montags, mittwochs und freitags alte Folgen der „Pension Schmidt“. Die Live-Show machen wir einmal im Monat. Alle, die da mitmachen, machen das freiwillig und ohne Bezahlung. Verantwortungsvoll müssen wir mit dem Worst-Case-Szenario planen: Was ist, wenn es erst im nächsten Frühjahr weitergeht?

Wenn die Politiker sagen würden, dass Sie öffnen dürfen – wann könnten Sie starten?
Quasi sofort. Wir brauchen nur einen sehr kurzen Vorlauf. Aber wie sieht so ein Start aus? Ich vermute, dass wir nicht das Phänomen der Friseure haben werden, denen die Menschen die Läden einrennen. Natürlich würden Menschen ins Theater kommen, aber von null auf hundert – da wäre ich skeptisch. Auch in der Musicalszene wird es für einige Unternehmen, die nicht so regional verankert sind wie wir, schwierig. Das betrifft vielleicht nicht den „König der Löwen“, aber ich kann mir vorstellen, dass es die anderen drei Musicals in der Stadt hart treffen wird. Hamburg hat gute Chancen, weiter Musical-Hauptstadt Deutschlands zu sein, aber für Spielstätten in anderen Städten wird es schwierig.

Was ist mit den Schmidt-Premieren wie „Der letzte Ritt nach San Fernando“ und „Trash Island“?
Premieren und Produktionen werden verschoben. In Zwei-Wochen-Abständen stellen wir das auf den Prüfstand. Wir sind vorsichtig damit, uns endgültig von Vorstellungen zu verabschieden. Wir wollen jetzt nicht Vorstellungen im November, Dezember canceln, um in zwei Monaten zu sagen, wir spielen doch. Das Spielbudenfestival wollten wir Ende Juli machen. Es ist jetzt schon klar, dass wir es Ende Juli und wahrscheinlich auch nicht im Oktober machen können. Dann müssen wir das aufs nächste Jahr verschieben.

Wie lange dauert es, bis sich die drei Theater von der Krise erholen?
Wir werden mit Sicherheit bis Ende nächsten Jahres damit beschäftigt sein. Auch weil wir den Zuschauern, die nicht kommen konnten, die Möglichkeit geben wollen, zu einem späteren Zeitpunkt zu kommen. Wenn in einer ausverkauften Vorstellung dann 30 bis 40 Prozent Menschen mit Wertgutscheinen sitzen, fehlt das abends in der Kasse. Wir haben Glück gehabt, ein erfolgreiches 2019 und somit Rücklagen gehabt zu haben. Zufall war, dass wir die Unternehmensgewinne nicht wie üblich an die beiden Gesellschafter, Norbert Aust und mich, ausgeschüttet haben. Das hätten wir normalerweise im Februar oder März getan. Dadurch, dass wir das nicht getan haben, hatten wir eine größere Rücklage.

Wie fühlen Sie sich in diesem dauerhaft leeren Theater?
Das Schmidtchen war bei der Produktion von „SchmidtFlyx“ nicht leer, weil wir da ein kleines Studio reingebaut haben. Im Schmidt-Theater bin ich nur wenige Male gewesen. Das ist ein richtig gruseliger Anblick. Die Bühne ist so leer, da ist alles weggeräumt. Das ist spooky.

Träumen Sie mal: Wenn Sie wieder öffnen dürfen – was wäre das Erste, was Sie tun? 
Es gibt Fantasien, auch von Kollegen, dass wir eine Quasi-Wiedereröffnung feierlich begehen.

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