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„Keine Quoten-Frauen, keine Quoten-Migranten“: So tickt Hamburgs neue Grünen-Spitze

„Grüner wird’s nicht“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Wahlkampf. Damit wollte er seine Sozis stärken und den bisherigen Bündnis-Partner klein halten. Aufgegangen ist das nicht. Die Öko-Partei holte ein starkes Ergebnis – und will Hamburg jetzt ihren Stempel aufdrücken.

Und zwar als gleichberechtigter Koalitionspartner. Die Sozialdemokraten gingen zwar im Februar mit 39,2 Prozent als Sieger aus der Bürgerschaftswahl hervor – die Grünen verdoppelten allerdings ihr Ergebnis auf 24,2 Prozent.

Hamburg: Grüne wollen kein Juniorpartner der SPD sein

Nach den erfolgreichen, durch die Corona-Krise verzögerten, Koalitionsverhandlungen verfügt Rot-Grün nun über eine komfortable Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Eine starke Große Koalition – bei der die SPD jedoch weiter den Ton angibt? Zumindest entspricht das der Selbstwahrnehmung mancher Sozis.

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Die neue Grünen-Führung sieht das naturgemäß anders. „Ich habe nicht das Gefühl, dass wir um Anerkennung kämpfen müssen“, sagt die neue stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maryam Blumenthal. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe, auch weil wir uns schon lange kennen.“ Nicht unbedingt aus der Bürgerschaft, wo die Grünen mit zahlreichen neuen Gesichtern vertreten sind, zumindest aber aus den Bezirken, wo Abgeordnete und Kreis-Vorstände bereits in der Vergangenheit Bündnisse geschmiedet haben. Und die neue Koalition, die soll auch mindestens fünf Jahre halten – und kann Querelen überhaupt nicht gebrauchen.

Hamburgs Grüne: Keine Zeit zur Profilierung

„Es ist jetzt nicht die Zeit, sich politisch zu profilieren oder aneinander abzuarbeiten“, sagt Jennifer Jasberg, die gemeinsam mit Dominik Lorenzen vor wenigen Tagen die Fraktionsführung übernommen hat. Von politischen Grabenkämpfen hält sie nichts: „Wir müssen Partner sein. Fakt ist, dass die Bürger in unserer Stadt genau das wollen“, sagt sie. Dass Grüne und SPD gute Partner seien, hätte die vergangene Legislatur gezeigt. Die Bestätigung gab’s im Februar von den Wählern.

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Und die wollen auch jetzt wieder Ergebnisse sehen. „Wir arbeiten den Koalitionsvertrag ab“, sagt Dominik Lorenzen. Und darin stehen eben auch grüne Kernthemen wie Mobilitätswende, Umweltschutz und Ausbau der Wissenschaft. „Natürlich geht es in dieser Krisenzeit aber auch darum, klug und kompetent zu agieren, weil ganze Branchen zu implodieren drohen“, so Lorenzen mit Blick auf die Corona-Krise. Es geht eben auch darum, die Wirtschaft zu stärken.

Einmaliger Vorgang bei Hamburgs Grünen

Um die verschiedensten Themenfelder auf viele Schultern zu verteilen, gab’s bei den Grünen einen wohl einmaligen Vorgang: 31 von 33 Fraktionsmitgliedern – mit Ausnahme der Vorsitzenden – sind jeweils für ein Thema hauptverantwortlich.

„Wir sind personell hervorragend aufgestellt. Bei uns übernehmen alle Abgeordneten genau die Themen, für die sie brennen und ganz viele sind in den Fachbereichen echte Experten“, sagt Lorenzen. Ein Beispiel: Die Sprecherin für Tierschutz, Lisa Maria Otte, war zuletzt Kampagnenleiterin bei der Organisation Vier Pfoten.

Hamburg: Postenvergabe! Gibt’s Ärger bei den Grünen?

Das passt, keine Frage. Aber sind auch wirklich alle mit der Neu-Aufstellung der Grünen-Fraktion zufrieden? Immerhin sind weder Ex-Senator Till Steffen noch der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Farid Müller (durch Michael Gwosdz ersetzt) in der Fraktionsführung vertreten. Gibt’s da jetzt die große Enttäuschung, weil es eine gewisse Erwartungshaltung gab?

Möglich. Zumindest gab’s bei der Besitzung der Fraktions-Spitze keine Traum-Ergebnisse. Von 33 Stimmen holte Lorenzen 21, Jasberg sogar nur 19. Normal, heißt es bei den Grünen, die traditionell eine große interne Diskussionskultur flegen. Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank sprach zuletzt jedoch davon, dass die neue Führung nun viel Arbeit vor sich habe, um die Fraktion zu einen. Eine Spaltung erkennt die neue Spitze jedoch nicht, sie vermittelt nach außen hin sogar eine Spur Harmonie.

Bürgerschaft: Harmonie bei Hamburgs Grünen

„Wir sind Farid Müller aber auch Till Steffen sehr dankbar, dass sie uns mit ihrer Erfahrung zur Seite stehen“, sagt Lorenzen – mehr aber auch nicht. Fakt ist: Die Grünen wollen jetzt auch Bürgerschafts-Neulingen den Aufstieg ermöglichen. Nachwuchs-Hoffnung Rosa Domm beispielsweise wurde direkt als Schriftführerin ins Präsidium gewählt.

„Wir achten sehr darauf, Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund konkrete Wege in die aktive politische Gestaltung unserer Stadt aufzuzeigen und sie dabei zu fördern. Wir wollen, dass Politik die Gesellschaft abbildet“, sagt Maryam Blumenthal, die selbst einen Migrationshintergrund hat. Das allerdings sei kein Grund dafür, bei den Grünen in politische Ämter zu kommen.

Hamburgs Grünen setzen auf Fachwissen und Talent

„Bei uns gibt es keine Quoten-Frauen oder Quoten-Migranten. Bei uns gibt es Menschen, die aufgrund ihres Könnens ihre Positionen bekleiden“, so Blumenthal. Und künftig gibt es davon vielleicht noch viel mehr – weil die Grünen weiter Zuspruch erhalten.

„Wir haben bundesweit einen Mitgliederzuwachs, auch in Hamburg“, sagt Jennifer Jasberg. Die Menschen kämen zu den Grünen, weil sie unter anderem den Klimaschutz voranbringen oder dem Rechtsruck etwas entgegensetzen und Politik gestalten wollen. „Dem wollen wir gerecht werden“, sagt sie. Und zwar mindestens in den kommenden fünf Jahren. Damit Hamburg noch grüner wird.

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