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  • Friseurmeisterin Julia Dieck in ihrem Salon Nova Hairstudio am Neuen Wall. Die 30-Jährige kämpft derzeit – wie viele Friseurbetriebe in Hamburg – um ihre Existenz.

Keine Corona-Hilfe: Verzweifelte Friseurin: „Man fühlt sich von der Politik verlassen!“

Innenstadt –

Der Corona-Lockdown macht den Unternehmern schwer zu schaffen. Die finanzielle Not ist groß. Besonders Friseure und Kosmetiker sind hart betroffen. Viele von ihnen stehen vor dem Aus. In einem virtuellen Treffen mit Finanzsenator Dressel und Wirtschaftssenator Westhagemann konnten einige jetzt ihrem Ärger Luft machen. Eine von ihnen ist Friseurmeistern Julia Dieck. Sie sagt: „Man fühlt sich von der Politik verarscht!“

Die 30-Jährige ist Geschäftsführerin vom „Nova Hairstudio“ am Neuen Wall in der City. Seit drei Jahren betreibt sie den Salon, der bis zur Schließung am 16. Dezember auch gut lief. Doch jetzt leidet sie wie viele ihrer Kollegen unter finanziellen Nöten.

Dezember-Coronahilfen: Berechnung auf Vorjahresumsatz 

Vom Staat hat sie noch keine Unterstützung erhalten. Denn die Dezember-Coronahilfen richten sich nur an Unternehmen, die auch im November bereits geschlossen waren. Weitere Coronahilfen wie das Überbrückungsgeld II richteten sich nach dem Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr. Und der war in ihrem Fall nicht groß genug. „Uns stehen diese Hilfen nicht zu, weil wir so schnell gewachsen sind“, so Dieck. „Wir haben uns inzwischen vergrößert, den Salon ausgebaut und mehr Personal eingestellt. Das wird bei diesen Hilfen gar nicht berücksichtigt“. 

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Ihre zehn Angestellten befinden sich in Kurzarbeit. „Allerdings musste ich das erst einmal vorfinanzieren. Wir bezahlen ja auch das HVV-Ticket und betriebliche Altersversorge. Da bleibt man noch auf einem Teil der Kosten sitzen“, so die 30-Jährige.

Julia Dieck bei einer Online-Konferenz

Die 30-Jährige nahm am Freitag an einem virtuellen Treffen unter dem Motto „Corona-Krise: Wo bleibt die Hilfe für Friseure und Kosmetiker?“ teil, zu dem die Hamburger Handwerkskammer eingeladen hatte.

Foto:

Patrick Sun/ Patrick Sun

Wie hoch ihre monatlichen Kosten sind, will sie nicht verraten. „Aber man kann sich natürlich denken, dass die Mieten am Neuen Wall hoch sind”, sagt sie. „Wenn mich meine Familie nicht unterstützen würde, könnte ich schon im nächsten Monat meine Miete nicht mehr bezahlen. Man fühlt sich von der Politik verarscht und sitzengelassen mit seinen Sorgen und Geldnöten. Ich kann nicht verstehen, warum man sich jetzt etliche verschiedene Hilfen ausdenkt, die kompliziert sind und wo viele Unternehmer rausfallen. Wir brauchen sofort Hilfe und nicht erst in drei, vier Monaten.“ 

„Corona-Krise: Wo bleibt die Hilfe für Friseure und Kosmetiker?“ 

In einem virtuellen Treffen mit Finanzsenator Andreas Dressel und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann machte sie ihrem Ärger Luft. Unter dem Motto „Corona-Krise: Wo bleibt die Hilfe für Friseure und Kosmetiker?“ hatte die Hamburger Handwerkskammer am Freitagnachmittag 100 Friseur*innen und Kosmetiker*innen zu einer Online-Veranstaltung eingeladen, um ihre aktuelle Situation zu schildern.

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Denn die Lage ist ernst. Von den 200 Millionen Euro „Novemberhilfe“, die in Hamburg beantragt wurden, kam laut Handwerkskammer bisher nur gut ein Drittel bei den Unternehmen und Gewerbetreibenden an. Bei der „Dezemberhilfe“ wurde von den beantragten 135 Millionen sogar nur ein knappes Drittel (und nur in Form von Abschlägen) ausgezahlt. Und die angekündigte „Überbrückungshilfe III“ lässt weiter auf sich warten: Erst Mitte Februar soll die Beantragung möglich sein.

Finanzsenator: Software schuld an Verzögerung

Bis dahin sollen laut Finanzbehörde dann zumindest die noch ausstehenden Novemberhilfen fließen. „Geplant ist, dass circa 90 Prozent der Anträge auf Novemberhilfe bis Mitte Februar zur Zahlung angewiesen werden können“ so Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) zur MOPO. „Bei den restlichen zehn Prozent wird es sich voraussichtlich um Fälle handeln, die Rückfragen beziehungsweise weiteren Klärungsbedarf mit sich bringen. Dementsprechend kann man hier nicht genau sagen, wann die Auszahlung erfolgt.“

Online-Konferenz Screenshot Andreas Dressel

Bei dem virtuellen Meeting stellte sich auch Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) den Fragen der Friseur*innen und Kosmetiker*innen.

Foto:

Patrick Sun/ Patrick Sun

Als Grund für die Verzögerung nannte er die späte Bereitstellung der für die Auszahlung notwendigen Software, die durch den Bund zu verantworten ist. „Wir werden beim Bund weiter Druck machen, damit die Überbrückungshilfe endlich in dem Tempo und in der Qualität an den Start geht, wie es die Situation erfordert. Unsere Zusage gilt weiterhin: Wir kämpfen für Unternehmerinnen und Unternehmer und für die Arbeitsplätze, die mit den jeweiligen Unternehmen verbunden sind (…).“

So versprach er in dem Treffen den verzweifelten Unternehmern schnelle und unbürokratische Hilfe. Keiner solle pleite gehen, weil sich die Beantragung der Überbrückungsgelder verzögere. Hierzu sei man mit der Hamburgischen Investitions- und Förderbank in Vorbereitungen.

Hamburger Handwerkskammerpräsident: Viele Betriebe stehen vor dem Aus 

Rund anderthalb Stunden dauerte die Veranstaltung, an der auch Niels Weidner, der Leiter der Betriebsberatung der Hamburger Handwerkskammer sowie ihr Präsident, Hjalmar Stemmann, teilnahmen. Auch er findet die Lage besorgniserregend: „Nach 13 Wochen ohne Einnahmen, aber mit laufenden Kosten sind die Folgen im Friseur- und Kosmetik-Handwerk alarmierend. Viele Betriebe stehen vor dem Aus. Nur Verständnis seitens der Politik lindert deren Not nicht”, meint Stemmann „Friseure und Kosmetiker brauchen Geld. Wenn der Bund nicht in die Puschen kommt, muss die Stadt helfen, das Sterben auf Raten zu stoppen. Und wir brauchen endlich eine Perspektive für unsere Betriebe.“

Eine Perspektive wünscht sich auch Julia Dieck: „Wenn man ja wenigstens wüsste, wie lange man noch durchhalten muss. Warum lässt man uns so warten? Ich verstehe nicht, dass der Staat beschließt, alles zu schließen, wenn er es offenbar gar nicht bezahlen kann.“ Zumindest eines lässt sie hoffen: „Ich weiß, wenn wir wieder öffnen, rennen uns die Kunden wieder den Laden ein. Und darauf freuen wir uns.“

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