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Kaufhof an der Mö: Wie es sich anfühlt, nach 43 Jahren den Job zu verlieren

Altstadt –

Die Kunden waren so begierig auf die Waren, er kam fast nicht hinterher. Kaum hatte er Koffer aus dem Lager geholt und sie in seiner Abteilung schön drapiert, waren sie auch schon verkauft und er musste neue holen. Lange her. Friedrich Köhne (59), den alle nur Fiete nennen, hat die besten Zeiten der Kaufhäuser erlebt, nun erlebt er die schlechtesten. Er gehört zu den rund 200 Menschen, die bei Galeria Kaufhof an der Mönckebergstraße arbeiten und im nächsten Monat ihren Job verlieren werden – nach 43 Jahren. 

Fiete Köhne, groß, schwarze Kleidung, hat ein stoisches Gemüt. In der jetzigen Lage ist das sehr hilfreich. Sich über den Verlust seines Arbeitsplatzes zu grämen oder gar zu verzweifeln, das ist nicht sein Ding. „Auch wenn das alles jetzt nicht schön ist, versuche ich nach vorn zu schauen. Nützt ja nichts, es muss ja irgendwie weitergehen“, sagt er nüchtern. 

Kaufhof in Hamburg: Mitarbeiter muss nach 43 Jahren gehen

Wenn er von seinem beruflichen Werdegang erzählt, klingt es wie eine Zeitreise durch die Geschichte des Hamburger Einzelhandels. Am 1. September 1977 hatte er seinen ersten Tag als Azubi in der Lederwarenabteilung von Horten – ein Kaufhaus, das später von Kaufhof geschluckt wurde. „Damals hatten wir noch Kurbelkassen“, erinnert sich Fiete Köhne. Später wurde er Leiter der Buchabteilung.

Schaufenster von Galeria Kaufhof

Mitarbeiter haben Zettel in ein Schaufenster geklebt. 

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Florian Quandt

Eine schöne Zeit, erinnert er sich. Es gab viel Fachpersonal, um die Kunden bestens zu beraten, das Miteinander mit den Kollegen war gut. „Wir waren das einzige Kaufhaus, das schwarze Zahlen schrieb“, sagt er. Die Leute kaufen gewaltig, wie er es nennt. „Damals hatten sie noch nicht so viel. Heute hat ja jeder schon alles“, sagt Fiete Köhne. 

Einzelhandel in Hamburg: So änderten sich die Öffnungszeiten

Gern erinnert er sich an die Arbeitszeiten zurück. Montag bis Freitag 10 bis 18.30 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr, der erste Samstag im Montag bis 18 Uhr. Schön war das! Im Oktober 1989 kam der lange Donnerstag bis 20 Uhr. Ab November 1996 mussten Fiete Köhne und seine Kollegen werktags bis 20 Uhr ran. 

1999 dann der Schock: Horten wurde vom Konkurrenten Kaufhof übernommen, die Filiale wurde geschlossen. Fiete Köhne erlebte genau das, was er jetzt wieder durchmachen muss. Sorgen um die Zukunft, Trauer um den Arbeitsplatz, gestresste Kunden bei der Rabattschlacht. „Es war nicht schön. Man hat ja lange für den Laden gearbeitet und immer sein Bestes gegeben“, sagt er. Ein Mitarbeiter war beim Ausverkauf allein für ein halbes Stockwerk zuständig. „Das war schon krass.“ 

Fiete Köhne wechselte von Horten zu Kaufhof nebenan

Er hatte das Glück, zu Kaufhof ins Gebäude nebenan wechseln zu können, seine Betriebszugehörigkeit blieb erhalten. Er fing als Erstverkäufer im Untergeschoss als Süßwarenverkäufer an, er kümmerte sich um Bestellungen und Lagerbestände. Eine schöne Zeit, erinnert sich. Einmal rettete er einer Kundin sogar das Leben. Sie war in seiner Abteilung zusammengebrochen, er rief schnell den Notarzt. „Nach ein paar Tagen kam sie zu mir mit einer großen Schachtel Pralinen und bedankte sich, weil ich ihr das Leben gerettet hatte. Das hat mich gefreut“, sagt er. 

Vor ein paar Jahren wechselte er an die Kasse. Nun macht er schon wieder eine Schließung mit. „Ein Abverkauf ist psychisch sehr anstrengend. Die Kunden können sehr fordernd sein. Aber es gibt auch viele nette“, sagt er. Derzeit ist er meist in der Haushaltswarenabteilung tätig und kassiert und kassiert und kassiert. Die Preise sind bis zu 70 Prozent reduziert, der Andrang gewaltig.  

Galeria Karstadt Kaufhof: Drei der sieben Häuser schließen

Die Filiale in der Mönckebergstraße 3 gibt es seit 53 Jahren, sie gehört zu den drei Häusern der insgesamt sieben Häuser von Galeria Karstadt Kaufhof, die in Hamburg geschlossen werden. Auch die Filialen in Bergedorf und Wandsbek müssen sich verabschieden. Deutschlandweit schließt der Konzern knapp 50 der 171 Häuser. Karstadt Sports gleich gegenüber macht ebenfalls dicht. 

Karstadt Bergedorf

Auch Karstadt in Bergedorf muss schließen. 

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Florian Quandt

Wie es ab November mit ihm weitergeht, weiß Fiete Köhne noch nicht. Um abschlagfrei in Rente gehen zu können, fehlen ihm noch zwei Beitragsjahre. Er würde gern Verkäufer bleiben. „Es macht mir Spaß, Kunden zu beraten und ihnen ein gutes Gefühl zu geben“, sagt er. 

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Mit seinen 43 Jahren Betriebszugehörigkeit gehört Fiete Köhne zu den langjährigsten Mitarbeitern, nur zwei Kollegen sind mit 44 und 47 Jahren länger dabei als er. Am 17. Oktober wird Kaufhof das letzte Mal für die Kunden geöffnet sein.

Fiete Köhne wird dann noch einmal den Betriebseingang betreten, in den alten Paternoster steigen und zu seiner Kasse fahren. Wie er sich beim Gedanken daran fühlt? „Da mache ich mir noch keine Kopf drum, ich kann ja eh nichts ändern“, sagt er, ganz der stoische Fiete Köhne eben.

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