Geplante Nachverdichtung: Der Kampf um Hamburgs Hinterhöfe
Da die Bevölkerung wächst und die Mieten weiter steigen, hat es sich Hamburgs Senat auf die Fahnen geschrieben, so viele Wohnungen wie möglich zu bauen. Nur im Ausnahmefall sollen dabei unbebaute Stadtrand-Flächen für Wohnungsbau planiert werden – im Fokus steht, so sieht es die Strategie „Mehr Stadt in der Stadt“ vor, die „innerstädtische Verdichtung“. Und da in den vergangenen Jahren bereits die meisten Baulücken geschlossen und viele Dachgeschoß-Böden zu Wohnungen umgebaut wurden, liegt nun der Fokus auf der Hinterhofbebauung – doch das bedeutet fast immer Zoff mit der Nachbarschaft. Wie auch in Bahrenfeld und Eimsbüttel.
Da die Bevölkerung wächst und die Mieten weiter steigen, hat es sich Hamburgs Senat auf die Fahnen geschrieben, so viele Wohnungen wie möglich zu bauen. Nur im Ausnahmefall sollen dabei unbebaute Stadtrand-Flächen für Wohnungsbau planiert werden – im Fokus steht, so sieht es die Strategie „Mehr Stadt in der Stadt“ vor, die „innerstädtische Verdichtung“. Und da in den vergangenen Jahren bereits die meisten Baulücken geschlossen und viele Dachgeschoss-Böden zu Wohnungen umgebaut wurden, liegt nun der Fokus auf der Hinterhofbebauung – doch das bedeutet fast immer Zoff mit der Nachbarschaft. Wie auch in Bahrenfeld und Eimsbüttel.
Mal sind es einzelne Gewerbebetriebe, mal kleine Wohnbauten, dann wieder verwucherte Grünflächen, die den Hinterhof-Wohnneubauten weichen müssen. Und fast immer klagen die Nachbarn, die neue Hinterhofbebauung sei zu massiv, verschatte die benachbarten Wohnungen und mache aus Oasen der Ruhe Orte des Lärms. Der Konflikt ist fast immer programmiert. Und oft fühlen sich die angestammten Anwohner:innen komplett von der Verwaltung und der Politik übergangen.

„All unsere Bedenken wurden beiseite gewischt, einen wirklichen Dialog mit den Anwohner:innen hat es nie gegeben“, klagt Hanna R. von Nachbarschaftsinitiative Bahrenfeld 68. Vor wenigen Tagen beschlossen Grüne und CDU in der Altonaer Bezirksversammlung den Hinterhof zwischen Ruhrstraße, Leverkusen-, Schützen- und Stresemannstraße mit drei fünfstöckigen Wohngebäuden, in denen etwa 110 Wohnungen untergebracht sind, zuzupflastern. Ein Votum gegen die Bedenken der Anwohner:innen, aber auch der SPD und der Linksfraktion. Die SPD, die das Mammut-Projekt für „städtebaulich nicht verträglich“ hält, hätte das Bauvolumen gerne um ein Geschoss reduziert, die Linke lehnte das „durch Grundeigentümer und Investoren bestimmte, einseitig den Wohnungszielzahlen“ folgende Projekt vollständig ab.

Nach der öffentlichen Planauslegung 2020 meldeten insgesamt 51 Anwohner:innen Kritik an, die sie mit insgesamt 436 konkreten Vorschlägen unterfütterten. 426 dieser Stellungnahmen ist die Altonaer Verwaltung „nicht gefolgt“ oder hat sie allenfalls „zur Kenntnis genommen“ – was faktisch dasselbe ist. Damit wurde „ein weiteres Mal das Signal ausgesendet, dass Bürgerbeteiligung nicht interessiert“, klagt nun die Initiative, die das Projekt seit Jahren kritisch begleitet und den geplanten Wohnungsbau grundsätzlich billigt. Sie hatte Dutzende Vorschläge vorgelegt, 13 große, nun der Motorsäge geweihte Hinterhofbäume zu erhalten und die Wohnblocks nicht ganz so nah an die bestehenden Wohngebäude zu bauen – konnte sich aber in keinem Punkt durchsetzen. „Es gab keinen einzigen Kompromiss, nur die Profitinteressen des Investors zählten und selbst die Bauvorgaben des Hamburger Klimaplans wurden nicht umgesetzt“, sagt Hanna R. frustriert über das Vorgehen der Verwaltung und der schwarz-grünen Bezirks-Mehrheit.
Kolonie „Sillemsalabim“ bekam die Kündigung
Noch schlimmer erwischte es die Künstler:innenkolonie „Sillemsalabim“, die in zweistöckigen Behelfsbauten in einem Eimsbüttler Hinterhof zwischen Sillem- und Rombergstraße residierte. Die zwölf Künstler:innen, die hier arbeiteten und zum Teil auch wohnten, wurden bereits im Herbst 2021 per Kündigung vor die Tür gesetzt, ihr Wohnraum ging so erst einmal verloren. „Gelebte Nachbarschaft, kulturelles Schaffen und ein kleines Biotop, welches zu einem guten und vielfältigen Stadtteilklima beitrug“, ist hier unwiederbringlich zerstört worden“, ärgert sich Nadine Faulhaber, eine der vertriebenen Künstler:innen. Dabei seien „solche kulturellen Kleinode die Korallenriffe der Stadt und üppig begrünte Höfe unabdingbar für ein funktionierendes Ökosystem“.

Doch statt bebaut wurde mit der Fläche nur spekuliert, das leergeräumte Areal von dem Bauunternehmer Kay Willy Böhm gewinnbringend an den Konzern Otto Wulf und die Indima-Verwaltungsgesellschaft weiterverkauft. Das von Bauschutt überhäufte Gelände ist nun durch einen Bauzaun des Neubesitzers gesperrt, doch offizielle Baupläne gibt es noch immer nicht. „Für das Teilgrundstück von rund 2000 Quadratmeter ist weiterhin eine Wohnnutzung geplant“, teilte Otto Wulf der MOPO mit – wie diese aussehen und wann sie fertig sein soll, dazu verweigerte der Baukonzern aber auch auf Nachfrage die Antwort.
„Ein Hof für alle“: Es geht auch anders
Dass es auch anders gehen kann, beweist die geplante Hinterhofbebauung zwischen Behringstraße und Friedensallee mit einer Flüchtlingsunterkunft. Schon früh hatten die in der Nachbarschafts-Ini „Ein Hof für alle“ zusammengeschlossenen Anwohner:innen und auch die Altonaer Bezirkspolitik gefordert, den Baukörper zu reduzieren und dafür direkt an der Friedensallee einen Neubau für einen Teil der unterzubringenden Flüchtlinge zu errichten.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburg: Hier sollen bis zu 1500 Geflüchtete einziehen
Zwei Jahre lang ignorierte die Sprinkenhof GmbH – auf Druck der Sozial- und der Wirtschaftsbehörde – alle Alternativplanungen der Nachbar:innen – nun lenkte sie ein. Die neuen Sprinkenhof-Planungen wirken fast wie eine Kopie der lange ignorierten Anwohner:innen-Pläne. Kein Wunder, dass Initiativensprecher David Schumacher von einem „beachtlichen Erfolg“ spricht, der am Ende zeige, dass eine alle Seiten zufriedenstellende Hinterhofbebauung möglich sei, wenn Baufirmen und Verwaltungsplaner:innen ein offenes Ohr für die Einwände der Nachbarschaft haben.