Kahlschlag bei Gerry Weber: Das Sterben der Modeläden
Für Shopping-Begeisterte ist es eine der Top-Adressen der Stadt: In der schicken Einkaufspassage Hamburger Hof am Jungfernstieg ist die Damenmodemarke „Gerry Weber“ seit 2005 mit einem Flagshipstore vertreten. Doch dann am Dienstag der Schock: Das Unternehmen holt zum Kahlschlag aus, gibt das Ende der Filiale bekannt. Viele Experten sehen darin nur den Anfang einer viel schlimmeren Krise.
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Für Shopping-Begeisterte ist es eine der Top-Adressen der Stadt: In der schicken Einkaufspassage Hamburger Hof am Jungfernstieg ist die Damenmodemarke „Gerry Weber“ seit 2005 mit einem Flagshipstore vertreten. Am Dienstag der Schock: Das Unternehmen gab das Ende dieser und weiterer Filialen in Hamburg bekannt. Die Pleitewelle in der Textilbranche hat damit eine weitere Kette erfasst. Viele Experten sehen darin nur den Anfang einer viel schlimmeren Krise, die unsere Innenstädte drastisch verändern könnte.
Der stationäre Modehandel verzeichnet Pleite um Pleite: Nachdem in der jüngeren Vergangenheit schon die Hamburger Unternehmen „Tom Tailor“, „Görtz“ und „Peek & Cloppenburg KG Düsseldorf“ Insolvenz anmelden mussten, traf es im April den Modehändler „Gerry Weber“ aus Halle: Dessen Retail-Tochter, in der das Filialgeschäft gebündelt ist, gab seine Zahlungsunfähigkeit bekannt. Am Montag wurde das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet.
„Gerry Weber“ schließt die Hälfte seiner Hamburger Filialen
Im Zuge dessen gab „Gerry Weber“ nun bekannt, dass 122 der 171 Filialen schließen müssen, davon drei in Hamburg: Neben der Filiale am Jungfernstieg machen die Stores im EKZ Farmsen und im Rahlstedt-Center bis September 2023 dicht.
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Das Unternehmen möchte sich künftig wieder auf sein Kerngeschäft, den Großhandel, fokussieren, erklärte Firmenchefin Angelika Schindler-Obenhaus. Die Expansion hin zu einem großen Filialnetz habe sich als nicht zukunftsfähig herausgestellt – alle defizitären Standorte müssten deshalb schließen.
Erhalten bleiben die Geschäfte in Bergedorf, im Elbe-Einkaufszentrum (Osdorf) und im Alstertal-Einkaufszentrum (Poppenbüttel). Durch die Sanierungsmaßnahmen werden nach Unternehmensangaben bundesweit rund 350 Vollzeitarbeitsplätze wegfallen. Der gesamte Konzern, „Gerry Weber International“, beschäftigt etwa 2100 Mitarbeiter.
„Der klassische Modehandel hat seine Daseinsberechtigung verloren“
Manch einer sah die Entwicklung kommen. Jochen Strähle, Professor an der Fakultät Mode und Design an der Hochschule Reutlingen, sagte schon 2019: „Der klassische Modehandel hat seine Daseinsberechtigung verloren.“ Onlinehändler seien der stationären Konkurrenz vielfach überlegen – in Punkto Logistik, Lagerung und den Sortimentsgrößen.
Das zeigen ein paar simple Zahlen: Von 2019 bis 2022 wuchs der Onlineumsatz mit Kleidung und Schuhen um ein Drittel. 19 Milliarden Euro gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für Kleidung im Internet aus, das entspricht fast 30 Prozent der Gesamtausgaben in diesem Bereich.
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Durch den Kostendruck dünnten die Filialen ihr Verkaufspersonal immer weiter aus. Darunter leidet vor allem die Kundenberatung – der letzte große Vorteil der Filialen gegenüber dem Onlinehandel.
Die Branche leidet gleich doppelt unter der Inflation
Das Siechtum vieler Filialhändler beschränkt sich indes nicht auf die Modebranche. Der Handelsverband Deutschland (HDE) prognostizierte im April einen Rückgang der Einzelhändler in Deutschland. Rund 9000 Geschäfte werden der Schätzung zufolge noch in diesem Jahr aufgeben. Zum Vergleich: In den Jahren vor der Corona-Pandemie waren es etwa 5000 Schließungen jährlich.
Dazu mache die hohe Inflation den Händlern gleich doppelt zu schaffen – durch die Kostensteigerungen für die Geschäfte einerseits und die sinkende Kaufkraft der Kunden andererseits. Und dann kommt noch der Imageschaden für die gebeutelte Branche: Jede prominente Insolvenz macht es für bestehende Firmen schwieriger, an Kredite und gute Mitarbeiter zu kommen, beklagt der Branchenverband BTE.
Handelsverband: Ohne Einzelhandel haben Innenstädte keine Zukunft
„Angesichts der Zahlen der letzten Jahre müssen in allen Innenstädten und bei der Politik alle Alarmglocken läuten“, sagte HDE-Präsident Alexander von Preen. „Ohne erfolgreichen Einzelhandel haben die Stadtzentren kaum Zukunftsperspektiven.“
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