K.o.-Tropfen aus dem Netz: So schnell kam ich an die Vergewaltigungsdroge
K.o.-Tropfen sind seit Jahrzehnten ein Mittel von Kriminellen, um Ahnungslose zu betäuben, sie dann auszurauben oder sexuell zu missbrauchen. Opfer haben meist Bewusstseinsstörungen, sodass der oder die Täter:in mit ihnen machen kann, was er oder sie will. Das Paradoxe: Der Wirkstoff ist legal. Ich wollte wissen, wie einfach es ist, daran zu kommen.
Ich sitze an meinem Küchentisch und arbeite, als es an meiner Tür klingelt. Der Paketzusteller steigt die Treppen zu mir in den zweiten Stock und überreicht mir ein kleines Päckchen. „Vorsicht Glas“, warnt mich die Aufschrift auf dem Karton.
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K.o.-Tropfen sind seit Jahrzehnten ein Mittel von Kriminellen, um Ahnungslose zu betäuben, sie dann auszurauben oder sexuell zu missbrauchen. Opfer haben meist Bewusstseinsstörungen, sodass der oder die Täter:in mit ihnen machen kann, was er oder sie will. Das Paradoxe: Der Wirkstoff ist legal. Ich wollte wissen, wie einfach es ist, daran zu kommen.
Ich sitze an meinem Küchentisch und arbeite, als es an meiner Tür klingelt. Der Paketzusteller steigt die Treppen zu mir in den zweiten Stock und überreicht mir ein kleines Päckchen. „Vorsicht Glas“, warnt mich die Aufschrift auf dem Karton.
Auf meiner Küchenzeile öffne ich vorsichtig das Paket und sehe erstmal nur Luftpolsterfolie. Langsam wickle ich sie auf, bis ich schließlich ein kleines braunes Flässchen in der Hand halte. Etwas Flüssigkeit ist wohl während des Transports ausgeflaufen, die Flasche klebt. Hinter dem Glas befinden sich 20 Mililiter von einem Zeug, das mich vollkommen ausknocken könnte – oder gar umbringen. Ich habe K.o.-Tropfen bestellt.
Gamma-Butyrolacton, kurz GBL, heißt eine der Substanzen, die für K.o.-Tropfen verwendet werden. Anders als bei Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) sind der Besitz und der Handel damit nicht strafbar. Der Wirkstoff eignet sich auch hervorragend, um Farb-, Öl-, Klebe- und Graffitirückstände zu entfernen. Daher ist er in einigen Reinigungsmitteln enthalten. So auch in dem Reiniger für Sekundenkleber, den ich einfach im Internet bestellt habe.
Hamburg: Warum kann ich den Wirkstoff von K.o.-Tropfen so leicht kaufen?
Ganz so einfach, wie sich eine neue Hose bestellen, war es zwar nicht – wirklich schwer aber auch nicht. Vor der Bestellung musste ich Kontakt mit dem Online-Händler aufnehmen. „Durch Missbrauch des zur Reinigung notwendigen Inhaltsstoffes (GBL) werden wir dieses Produkt nicht mehr ohne Kontaktaufnahme an Privatpersonen in Deutschland verkaufen“, heißt es auf der Website.
„Ich benötige einen Reiniger für Klebstoff“, schrieb ich also dem Unternehmen. Als Antwort folgte eine kurze Danksagung für das Interesse am Produkt und die Frage, um welchen Klebstoff es sich dabei handele. Ich antwortete: „Sekundenkleber“.
K.o.-Tropfen bestellen: Sicherheitsmaßnahmen halten mich vom Kauf nicht ab
Rund 30 Minuten später erhielt ich einen Link, um das Produkt bestellen zu können. Schockiert, wie einfach es ist, sich den K.o.-Tropfen-Stoff zu kaufen, fügte ich im selben Moment das Fläschen in den Warenkorb. Nach der Bezahlung via Paypal – Kosten: 21,02 Euro – dauerte es dann genau drei Tage, bis es schließlich bei mir zu Hause auf dem Küchentisch steht.
Nur ein paar Tropfen davon könnten mich komplett außer Gefecht setzen. Christiane Lieb, Geschäftsführerin von „Sucht Hamburg gGmbH“, beschreibt die Wirkung der Substanz: „Innerhalb kurzer Zeit tritt eine sehr starke Müdigkeit ein, die zu einem sehr tiefen Schlaf bis hin zu Bewusstlosigkeit führen kann“.
Und: „Die Betroffenen können sich meist an nichts mehr erinnern“, sagt sie. Aber das Ganze kann auch ein noch böseres Ende nehmen. „Schlimmstenfalls kann es auch zu einer Atemlähmung mit Todesfolge kommen“, sagt Lieb.
Es ist ein beängstigendes Gefühl, eine Vergewaltigungsdroge vor sich stehen zu haben. Die Gefahrensymbole auf dem Fläschchen zeugen von Respekt. Nach jedem Mal, wenn ich die Flasche halte, wasche ich im Anschluss meine Hände. Die Flüssigkeit ist farblos, riecht kaum. Ein paar Tropfen im Getränk würden also nicht auffallen.
K.o.-Tropfen in Hamburg: Was sagen Statistiken?
Nach Auskunft des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) wird das dortige Institut für Rechtsmedizin (IfR) entweder durch die Polizei oder von Privatpersonen mit der Untersuchung von Verdachtsfällen der Verabreichung sogenannter K.o.-Tropfen beauftragt. Dies ergeht aus einem Schreiben des Senats vom Okotober 2021. Im vergangenen Jahr (bis Oktober) wurden dort 41 Personen nach K.o.-Tropfen untersucht – davon waren 33 weiblich und zwei männlich.
Konkrete Statistiken über den Einsatz von K.o.-Tropfen führt die Hamburger Polizei nicht. Lediglich Straftaten wie zum Beispiel gefährliche Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung werden erfasst, dazugehörige Mittel wie beispielweise „Gamma-Butyrolacton (GBL) / Liquid Ecstasy / K.o.-Tropfen“ nicht. Weshalb zu Anzahl der Straftaten, Angaben zu Tatverdächtigen und Tatörtlichenkeiten in diesem Zusammenhang nichts gesagt werden kann.
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Und was mache ich nun mit dem Zeug? Einen Sekundenkleber muss ich zufällig gerade nicht lösen. Ehrlich gesagt möchte ich, dass die gefährliche Flüssigkeit so schnell wie möglich aus meiner Wohnung verschwindet. Und ich hoffe, dass ich niemals wieder in Kontakt mit Gamma-Butyrolacton oder Ähnlichem komme! Das Fläschen landet im Müll.