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Jungfernstieg autofrei: „Sargnagel draufgeschlagen“: City-Händler fürchten um Existenz

Neustadt –

Er kann sich zu diesem Thema richtig in Rage reden. Fritz Ahrens ist einer beiden Inhaber des Leder-Ladens „Pyrate-Style“ in der Einkaufspassage Galleria an den Großen Bleichen – und äußerst verärgert. Es geht um den Jungfernstieg, der seit rund zwei Wochen autofrei ist. „Die Innenstadt ist ohnehin schon in einer schwierigen Lage, da muss man mit so einer Maßnahme nicht noch einen Sargnagel draufschlagen“, sagt er. Der Geschäftsmann und weitere Gewerbetreibende sehen sich in ihrer Existenz bedroht. 

Seit 16. Oktober sind Autos auf dem Jungfernstieg tabu, lediglich Busse, Taxen und Radfahrer haben freie Fahrt. Von abends um 21 Uhr bis morgens um 11 Uhr ist zusätzlich der Lieferverkehr zugelassen. Für alle gilt Tempo 30. Mit dieser Maßnahme will der Senat die Attraktivität der Hamburger Innenstadt steigern. 

Foto Händler gegen autofreien Jungfernstieg

Mehrere Gewerbetreibende sehen ihre Existenz aufgrund der Sperrung des Jungfernstiegs gefährdet. Von links: Pedram Nejad (Paisley/Hanseviertel), Fritz Ahrens (Pyrate-Style/Galleria Passage), Ole Stranka (Enoteca/Hanseviertel) und Rico Albert (Rooks & Rocks/Galleria Passage).

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Patrick Sun

Autofreier Jungfernstieg in Hamburg: Händler sind dagegen 

Fritz Ahrens, der schon vielen Prominenten seine Leder-Kreationen auf den Leib geschneidert hat, hält von dieser Maßnahme überhaupt nichts. „Ich höre immer, dass der Jungfernstieg eine Meile zum Flanieren werden soll. Ja, wer soll denn da Flanieren? Die Leute kommen doch kaum noch in die Innenstadt! Die Politik träumt sich da eine Innenstadt herbei, die es so nicht geben wird. Der autoarme Jungfernstieg wird ein verödeter Bereich werden“, sagt er wütend.

Den Autoverkehr in der Innenstadt zu reduzieren, sei eine falsche Maßnahme. „Es kommt doch keiner mit dem Rad zum Shoppen in die Innenstadt! Und mit teuren Tüten in die U-Bahn zu steigen, das wollen viele auch nicht”, sagt Fritz Ahrens. Viele seiner Kunden kämen mit dem Auto, gerade ältere Leute seien das gewohnt. Resümee des Leder-Fachmanns: „Der autofreie Jungfernstieg ist komplett am Handel vorbei gedacht.“ 

Autofreier Jungfernstieg: Kritik von Gewerbetreibenden

Ähnlich sieht es Rico Albert, einer der Geschäftsführer des Maßschneiders „Rooks & Rocks“, der seinen Laden ebenfalls in der Galleria-Passage an den Großen Bleichen hat. „Man versteht die politische Idee dahinter, die Innenstadt autofrei zu machen, aber wirtschaftlich ist das ein Schuss nach hinten. Viele Kunden kommen mit dem Auto aus anderen Städten zu uns und haben nun Schwierigkeiten, zu uns zu finden. Für uns ist das ganz bitter.“ Durch Corona seien Gewerbetreibende ohnehin schon in einer schwierigen Lage.  Er frage sich, warum die Händler vorab nicht zu ihrer Meinung befragt worden seien. 

Pedram Nejad betreibt im Hanse-Viertel die Maßschneiderei „Paisley“. Er sagt: „Die Entwicklung in der Innenstadt war auch vor Corona schon bedenklich. Steigende Mieten haben dazu geführt, dass es mehr Ketten geht und individuelle Geschäfte weniger werden. Was sollen die Leute denn noch für einen Grund haben, um in die Innenstadt zu gehen?“ Erschwerter Autoverkehr führt seiner Meinung dazu, dass künftig weniger Besucher in die Innenstadt kommen. 

Video: Autofreier Jungfernstieg – das sind die Pläne

Im Hanse-Viertel ist auch die Weinhandlung „Enoteca“. Shopmanager Ole Stranka rechnet nicht damit, dass er durch den autofreien Jungfernstieg zu mehr Kundschaft kommt. „Die meisten Kunden kaufen nicht eine Flasche Wein, sondern eine ganze Kiste. Die muss man auch nach Hause bekommen“, sagt er. 

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Und was sagt die Verkehrsbehörde zu den Bedenken der Händler? „Mit sehr starker Präsenz von Polizei und jetzt auch dem Landesbetrieb Verkehr haben wir in den vergangenen knapp zwei Wochen am Jungfernstieg die veränderte Verkehrsführung erklärt, damit alle Menschen ihre Ziele in der Innenstadt gut und schnell erreichen können. So können alle Parkhäuser in unmittelbarer Nähe – darunter das Hanseviertel Parkhaus und das Parkhaus Große Bleichen – weiter genutzt werden“, sagt Dennis Heinert, Sprecher der Verkehrsbehörde.

Autofreier Jungfernstieg – das sagt die Verkehrsbehörde

Man befände sich mit den Anliegern und ihren Vertretern für weitere Optimierungen in einem Dialog. Unabhängig davon verstehe man, dass die zweite Corona-Welle, die in ihren Auswirkungen alles überschatte, die Situation für die Einzelhändler in sehr kurzer Zeit sehr viel schwieriger gemacht habe.

So soll der Jungfernstieg in Hamburg künftig aussehen.

So könnte der Jungfernstieg in Hamburg künftig aussehen.

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Das Thema wird die Einzelhändler noch weiter beschäftigen, die Baumaßnahmen für den autofreien Jungfernstieg haben gerade erst begonnen. Derzeit wird der Radweg auf der Wasserseite wieder auf die Straße verlegt. Außerdem ist eine drei Meter breite Mittelinsel geplant. Im Frühjahr 2022 soll die Umgestaltung endgültig beendet sein. 

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