„Die Wände kamen immer näher“: Wenn Kiffen Jugendliche in die Psychose treibt
„Mir war schlecht, schwindelig und ich übergab mich zwei Stunden lang, bis nichts mehr rauskam“, sagt Sophie. Die 18-Jährige ist eine von vielen deutschen Jugendlichen, die bereits in ihrem Leben gekifft haben. Ab Anfang nächsten Jahres soll die Droge in Deutschland legal sein – ein Schritt, der von den Gegnern scharf kritisiert wird. Ein zentrales Argument dabei: Der Jugendschutz werde durch die Legalisierung konterkariert. Die MOPO hat mit Hamburger Jugendlichen über ihre Erfahrungen mit dem Kiffen gesprochen. Sie berichten von Wahnvorstellungen, Schweißausbrüchen – und dramatischen Auswirkungen auf ihr junges Leben.
„Mir war schlecht, schwindelig und ich übergab mich zwei Stunden lang, bis nichts mehr rauskam“, sagt Sophie. Die 18-Jährige ist eine von vielen Jugendlichen, die bereits in ihrem Leben gekifft haben. Ab Anfang nächsten Jahres soll die Droge in Deutschland legal sein – ein Schritt, der von den Gegnern scharf kritisiert wird. Auch aus der Hamburger SPD kam zuletzt massiver Gegenwind. Ein zentrales Argument dabei: Der Jugendschutz werde durch die Legalisierung konterkariert. Mediziner sind alarmiert und warnen.
Dass Jugendliche oder junge Erwachsene zum Joint greifen, ist längst keine Seltenheit mehr. Bis zu zehn Prozent der zwischen 12- bis 17-Jährigen haben bereits Cannabis konsumiert, bei den 18- bis 25-Jährigen liegt die Zahl sogar bei 50 Prozent. Sophie war 16 Jahre alt, als sie Marihuana mal ausprobieren wollte. Sie dachte sich nicht groß was dabei. Bis sie auf einmal Halluzinationen vom Kiffen bekam. „Die Stimmen vom laufenden Fernseher kamen immer näher, die Wände auch.“ Auch einem Kumpel sei es schlecht ergangen. „Er war völlig schweißgebadet und schrie auf.“
Die Bundesregierung verspricht allerdings, den Kinder- und Jugendschutz durch die Legalisierung sogar noch zu stärken. Geplant ist unter anderem ein Verbot des Konsums im Eingangsbereich von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, auf Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten. 200 Meter Abstand müssen zu diesen Orten eingehalten werden. Außerdem sollen Präventionsprogramme ausgeweitet werden. Mediziner warnen hingegen vor einem regelrechten Cannabis-Hype – und den gravierenden Folgen.
Cannabis unter Jugendlichen eine weit verbreitete Droge
Auch Joshua (18), der im Norden von Hamburg wohnt, machte früh erste Erfahrungen mit der Droge. Er bekam in Berührung mit ihr, weil es zur Hip-Hop-Kultur dazugehört, mit der er sich gut identifizieren kann. Zum ersten Mal kiffte er mit 15 Jahren. In seinem Freundeskreis würden fast alle Gras rauchen, sagt er. Doch plötzlich bekam der Teenager Panikattacken. Der Hamburger beschloss, mit dem Kiffen aufzuhören – obwohl viele Freunde weitermachten. Bei einem der Kumpels habe der Konsum irgendwann sogar zu einer Psychose geführt, sagt Joshua.

Grundsätzlich erlaubt wird der Konsum für Menschen ab 18 Jahren. Bis zur 25 Gramm darf eine Person zukünftig straffrei besitzen. Der Bedarf soll entweder durch begrenzten Eigenanbau produziert werden oder in nicht gewerblichen Vereinigungen. Bei jungen Erwachsenen soll das Gras außerdem einen reduzierten THC-Gehalt haben und eine geringere Abgabemenge ist vorgesehen.
Experte warnt vor „schwerer Cannabisabhängigkeit“
Prof. Dr. med. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Suchtbereichs am UKE, sieht in Cannabis eine ernsthafte Gefahr für Jugendliche: „Es kommt bei Jugendlichen zu einer deutlich rascheren Suchtentwicklung als bei Erwachsenen. Grund hierfür sind die unreifen Hirne. Innerhalb von sechs Monaten kann sich bei jungen Menschen eine schwere Cannabisabhängigkeit entwickeln“. Am verheerendsten sei die Ausdünnung der weißen Hirnsubstanz. Dadurch komme es zu Lernstörungen und Intelligenzeinbußen, erklärt Thomasius.
Und er warnt: „Was sicherlich nicht hilft, ist die Legalisierung, wie sie jetzt vorgesehen ist. Dadurch wird Cannabis gehypt, was zu einer Zunahme des Konsums bei Jugendlichen führen wird. Junge Menschen werden so in die Cannabisabhängigkeit getrieben“, sagt Thomasius. Das würde medizinische sowie soziale Folgen mit sich bringen und die Bildungschancen einer jungen Generation deutlich verschlechtern.
Für Marie war der Joint wie ein Feierabendbier
Marie (18) rauchte zum ersten Mal mit 14 Jahren in der Schulpause auf einem Spielplatz. Sie besuchte damals ein Hamburger Gymnasium. „Ich habe nicht so viel gespürt und rauchte anschließend immer mal wieder auf Feiern.“ Dann kam die Pandemie und die Schule fand nicht mehr in Präsenz statt. „So traf sie sich mit vielen Freunden bereits tagsüber illegal im Park und kiffte regelmäßiger. „Man hatte nichts zu tun“, sagt sie.

Irgendwann wurde es für sie zur Routine, jeden Abend zu kiffen. „Es war wie ein Feierabendbier.“ Dass sie abhängig war, realisierte Marie erst so richtig, als sie darauf angesprochen wurde und ihr das Geld für den Stoff ausging. „Ich wurde viel gereizter und rauchte deswegen auch Zigaretten zwischendurch am Tag.“ Die Gereiztheit sorgte für zunehmenden Streit zwischen ihr und ihren Eltern.
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Marie wurde immer unmotivierter, verlor die Lust, in die Schule zu gehen. „Wenn man high ist, können keine guten Leistungen erbracht werden“, sagt sie. Dadurch hätte sie ihre Schullaufbahn verkackt.“ Irgendwann ging sie gar nicht mehr hin und brach ab. Marie hat das Gefühl, dass sie durch den Konsum „dümmer“ geworden ist. „Mir fällt es manchmal schwer, die richtigen Worte zu finden, zu formulieren.“ Sie hat bereits überlegt, das Kiffen zu lassen – doch bisher war die Angst vor dem Entzug zu groß.
Eine Legalisierung hält Marie trotzdem für richtig – denn es gebe starke Qualitätsunterschiede und so würde der Stoff wenigstens kontrolliert. Was sie sich außerdem von der Legalisierung erhofft: Dass sich mehr Menschen trauen, über ihre Sucht zu reden.