Der Auto-Boom in Hamburg geht zu Ende
Ist der Auto-Zenit in Hamburg überschritten? Die neuesten Zahlen legen das zumindest nahe: Seit 2014 stieg die Zahl der privat zugelassenen Pkw immer weiter an, ein Ende schien nicht in Sicht. Doch nach einem ersten Rückgang im Jahr 2021 ist die Zahl auch 2023 rückläufig. Ist das die Trendwende, die sich die von Anjes Tjarks (Grüne) geführte Verkehrsbehörde erhofft hat? Politiker werfen ihm vor, Autos mit Verboten aus der Stadt zu drängen und ihre Nutzer zu drangsalieren, Umweltschützer sind trotz der neuen Zahl unzufrieden.
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Ist der Auto-Zenit in Hamburg überschritten? Die neuesten Zahlen legen das zumindest nahe: Seit 2014 stieg die Zahl der privat zugelassenen Pkw immer weiter an, ein Ende schien nicht in Sicht. Doch nach einem ersten Rückgang im Jahr 2021 ist die Zahl auch 2023 rückläufig. Ist das die Trendwende, die sich die von Anjes Tjarks (Grüne) geführte Verkehrsbehörde erhofft hat? Politiker werfen ihm vor, Autos mit Verboten aus der Stadt zu drängen und ihre Nutzer zu drangsalieren, Umweltschützer sind trotz der neuen Zahl unzufrieden.
„Wir müssen erreichen, dass weniger Autos durch Hamburg fahren“, formulierte Verkehrssenator Anjes Tjarks sein Ziel bereits zu Beginn seiner Amtszeit. Natürlich solle niemandem verboten werden, einen Pkw zu besitzen, betonte er gleichzeitig. Es sei vielmehr wichtig, Alternativen wie den ÖPNV oder Car-Sharing besser auszubauen, damit die Hamburger von sich aus umsteigen.
Auto-Zahlen in Hamburg: Seit 2014 stiegen sie jedes Jahr an
Skepsis herrscht darüber in der Opposition. CDU-Verkehrsexperte Richard Seelmaecker wirft dem Grünen-Politiker vor, die Autos hauptsächlich durch Verbote aus der Stadt zu verdrängen: „Der Verkehrssenator setzt auf die Vernichtung von Stellplätzen und Bewohnerparken und erhöht dann massiv die Parkplatzgebühren.“
Fakt ist: Vergleicht man die Zahl der privaten Pkw zu Beginn jeden Jahres, geht die Kurve ab 2014 steil nach oben. Waren es vor neun Jahren noch 742.320 gemeldete Fahrzeuge, gab es im Jahr 2020 bereits 804.196. Das entspricht einer Steigerung von etwa acht Prozent. Dann ein Jahr später plötzlich der Einbruch: Anfang 2021 meldete das Statistikamt Nord „nur“ noch 799.434 Autos in Hamburg.
Eine Trendumkehr? Zunächst schien es nicht so, als die Zahlen für Anfang 2022 rauskamen: Mit 807.618 privat gemeldeten Autos war die Anzahl nicht nur viel größer als im Jahr 2021, sondern übertraf auch die Zahl im Jahr 2020. Aus den aktuellsten Daten, die der MOPO vorliegen, geht jedoch hervor, dass Anfang 2023 insgesamt 806.060 Pkw in Hamburg gemeldet sind. Ein kleiner Rückgang nur, aber immerhin schon zum zweiten Mal nach Jahren des Anstiegs.
Seelmaecker sieht in den Auswirkungen von Corona und dem Ukraine-Krieg eine mögliche Erklärung für den Rückgang. Sowohl Unternehmen als auch Privatleute zögerten, in Autos zu investieren. Dazu werden die Zahlen auch durch Betriebsverlagerungen oder temporäre Lieferschwierigkeiten beeinflusst. Übertragbar auf die ganze Stadt sind die Zahlen außerdem nicht: Ins Alstertal und in die Walddörfer zogen von 2017 bis 2022 sogar mehr Autos als Menschen: 3490 neue Autos stehen 3391 neuen Bewohnern gegenüber.
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Um von einer wirklichen Trendumkehr zu sprechen, ist es sicherlich noch zu früh. Der jahrelange Trend zu immer mehr Autos in Hamburg scheint aber gestoppt. Dem Hamburger BUND reicht das jedoch lange nicht. „Wir stecken fest im Stillstand. Nach wie vor kommen über 800.000 Autos auf knapp über eine Million Haushalte“, sagt der Vorsitzende Lucas Schäfer der MOPO. „Das ist weder mit den Klimazielen zu vereinbaren, noch mit dem enormen Flächenbedarf, den parkende Autos haben.“
Laut dem Umweltbundesamt wird ein privater Pkw durchschnittlich nur eine Stunde am Tag bewegt. Deshalb sollte es in der „Stadt der Zukunft“ maximal 150 zugelassene Autos pro 1000 Einwohner geben. In Hamburg sind es derzeit um die 440, auch diese Zahl ist über die Jahre stetig angestiegen: Die Zahl der Autos wuchs im Verhältnis stärker als die Zahl der Bewohner.
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„Um unsere Klimaziele zu erreichen, muss die Verkehrsbehörde noch deutlich schneller und stringenter vorgehen können als bisher“, fordert Schäfer. „So lange sich in der Stadt weiter um jeden einzelnen Parkplatz gestritten wird, verlieren wir viel zu viel Zeit.“ Tatsächlich ist der Hamburger Klimaplan ambitioniert: Bis 2030 sollen im Sektor Verkehr insgesamt 618.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Um das zu erreichen, sind es derzeit aber immer noch deutlich zu viele Autos.