Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen – wie Hamburg abschneidet
Negativer Trend: Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen. Das ergibt die neue sogenannte Iglu-Studie, die alle fünf Jahre international die Lesekompetenz von Kindern vergleicht. Bei der Iglu-Erhebung von 2017 lag der Anteil dieser Gruppe in Deutschland „nur“ bei 19 Prozent. Wie Hamburg dasteht und was die Schulbehörde tut, damit die Entwicklung sich umkehrt.
Negativer Trend: Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen. Das ergibt die neue sogenannte Iglu-Studie, die alle fünf Jahre international die Lesekompetenz von Kindern vergleicht. Bei der Iglu-Erhebung von 2017 lag der Anteil dieser Gruppe in Deutschland „nur“ bei 19 Prozent. Wie Hamburg dasteht und was die Schulbehörde tut, damit die Entwicklung sich umkehrt.
Beim Blick auf die 2021 während der Coronakrise erhobenen Zahlen des Iglu-Rankings (internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) sieht die Lage zunächst gar nicht so schlecht aus. Deutschlands Schüler liegen sowohl im OECD-Vergleich als auch im europäischen Vergleich absolut im Mittelfeld bei der Lesekompetenz. Das liegt allerdings nur daran, dass auch die anderen Länder sich nicht mit Ruhm bekleckern und sich teils stark verschlechtert haben.
Iglu-Studie: Deutschland im Mittelfeld
An der internationalen Spitze befinden sich in dieser Studie Singapur, Hongkong, Russland, England, Finnland und Polen. Schlechter als Deutschland schneiden auf europäischer Ebene Frankreich und Spanien ab – international im Keller sind Jordanien, Ägypten und Südafrika.

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) sagt dazu: „Es handelt sich weniger um ein spezielles Problem des deutschen Schulsystems, sondern um ein generelles Problem. Das deutsche Schulsystem kann sich diesem Trend leider nicht entziehen. Deshalb ist Deutschland jetzt genau wie alle anderen Länder gefordert, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.“
TU Dortmund: Schüler mit Problemen bis ins Berufsleben
Dass andere Länder auch große Probleme haben, hilft den deutschen Schülern natürlich wenig. So bewerten die Autoren der Studie von der TU Dortmund: „Der Anteil der betroffenen Schülerinnen und Schüler mit großen Leseschwierigkeiten ist inzwischen alarmierend hoch. Die betroffene Gruppe muss mit großen Schwierigkeiten im weiteren Verlauf der Schul- und Berufszeit rechnen.“
Lässt man die anderen Länder außen vor und blickt nur auf Deutschland, so zeigt sich im Vergleich zur Iglu-Studie von 2017 ein weiterer großer Rückgang der Lesekompetenz. Zudem geht die Schere zwischen guten und schlechten Schülerinnen und Schülern noch weiter auseinander. „In Deutschland, den Niederlanden und Schweden zeigt sich eine problematische Entwicklung“, heißt es dazu in dem Bericht.
Corona-Pandemie ein Faktor der Studie
Dabei ist laut den Forschenden der Zuzug von nichtdeutschen Muttersprachlern ein Faktor, aber kein zentraler. Das gleiche gelte für die Pandemie-Situation während der Tests, die computerbasiert stattfanden. Was aus Sicht der Forscher auch kein Grund für schlechtere Leistungen sein könne.
Nele McElvany, Wissenschaftliche Leitung von Iglu 2021, erläutert: „Die pandemiebedingten Beeinträchtigungen und die sich verändernde Schülerschaft erklären nur einen Teil dieses Leistungsabfalls. Es muss klar festgehalten werden, dass der Trend absinkender Schülerleistungen bereits seit 2006 besteht und die problematische Entwicklung in unserem Bildungssystem in den letzten Jahren durch diese Aspekte nur verstärkt wurde.“
Schulen seit Pisa-Schock wenig verbessert
Die Autorinnen und Autoren stellen der deutschen Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus: Die von der Kultusministerkonferenz (KMK) vor mehr als 20 Jahren im Zuge des sogenannten Pisa-Schocks formulierten Ziele für die Weiterentwicklung der Bildung in Deutschland seien an vielen Stellen verfehlt worden.
Hamburgs Schulsenator Rabe sieht eine deutliche Auffälligkeit, die in den Schulen recht leicht behoben werden könnte: „Auffällig ist, dass Kinder in Deutschland im Unterricht sehr wenig lesen. Mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Lesezeit in der Schule von 141 Minuten liegt Deutschland im Ländervergleich auf einem der letzten Plätze. Im EU-Durchschnitt lesen Kinder rund 200 Minuten pro Woche in der Schule.“
Hamburg: Ties Rabe lobt Maßnahmen der Schulen
Nach seiner Einschätzung, die durch Testungen untermauert wird, steht Hamburg gut da. Rabe: „Wir konnten in Hamburg aufgrund umfangreicher Leseförderung trotz der langen Schulschließungen als einziges Bundesland die Leseleistung zehn Jahre lang auf dem gleichen Niveau stabilisieren, während in allen anderen Ländern und Staaten die Lesekompetenzen zurückgegangen sind.“
Dadurch habe sich Hamburg im Vergleich der 16 Bundesländer trotz seines hohen Anteils von Kindern aus bildungsfernen Familien deutlich von Platz 14 im Jahr 2011 auf Platz 3 im Jahr 2021 verbessert. Rabe:„ Erfolg ist also möglich, wenn sich Schule stärker auf die Kernkompetenzen konzentriert und wissenschaftlich erprobte Unterrichtsmethoden anwendet.“
Geholfen haben dabei laut Rabe in Hamburg Maßnahmen wie etwa frühkindliche Sprachtests, gezielte Sprachförderung mit Förderunterricht schon vor der Einschulung, Lerntests, zusätzliche Sprachkurse für Grundschüler mit Problemen, zusätzliche Lesezeiten von 20 Minuten an jedem Schultag und das Lesen im Chor (fördert Lesesicherheit und -flüssigkeit).
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Die Iglu-Tests werden seit 2001 im Fünf-Jahres-Rhythmus durchgeführt. Verantwortlich ist das Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund. Gefördert wird das Projekt von der KMK und dem Bundesbildungsministerium. Die aktuelle Erhebung stammt von 2021. Mitgemacht hatten rund 4600 Schüler aus 252 vierten Klassen in Deutschland. Sie bekamen jeweils Sach- und Erzähltexte und dazugehörige Verständnisaufgaben, die sie an Laptops lösen mussten. International nahmen rund 400.000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil.