Iranerin aus Hamburg erzählt: Warum ich auch hier vor dem Mullah-Regime zittere
Sie kontrollieren die Bevölkerung, unterdrücken sie und lassen ihre Sicherheitskräfte derzeit brutalst durchgreifen: Im Iran haben die Machthaber ein Regime des Schreckens errichtet. Ihr Einfluss ist bis nach Hamburg zu spüren: Die blaue Moschee an der Außenalster gilt als Teheraner Außenstelle – und wird schon lange vom Verfassungsschutz beobachtet. Eine in Hamburg lebende Iranerin erzählt in der MOPO, wie sie selbst hier in unserer Stadt vor dem Mullah-Regime zittert.
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Sie kontrollieren die Bevölkerung, unterdrücken sie und lassen ihre Sicherheitskräfte derzeit brutalst durchgreifen: Im Iran haben die Machthaber ein Regime des Schreckens errichtet. Ihr Einfluss ist bis nach Hamburg zu spüren: Die blaue Moschee an der Außenalster gilt als Teheraner Außenstelle – und wird schon lange vom Verfassungsschutz beobachtet. Eine in Hamburg lebende Iranerin erzählt in der MOPO, wie sie selbst hier in unserer Stadt vor dem Mullah-Regime zittert.
Um jeden Preis anonym bleiben. Das war Miriams Bedingung, bevor sie etwas über den Iran, ihre Sorgen und die aktuellen Proteste – ausgelöst durch den Tod von Mahsa Amini, die durch das gewaltvolle Vorgehen der iranischen Sittenpolizei starb – sagen wollte. Jede ihrer Aussagen in der aktuell aufgeladenen Situation könnte für sie oder ihre im Iran lebende Familie Folgen haben. Und das, obwohl sie seit fast 30 Jahren in Hamburg lebt – mehrere Tausend Kilometer entfernt von Teheran. „Ich engagiere mich aktivistisch, besuche regelmäßig Demonstrationen vor der Blauen Moschee “, so die 69-Jährige. „Jedes Mal wenn wir dort sind, versuchen sie, uns wegzutreiben, machen Videos oder fotografieren uns“, so ihre Schilderungen.
Blaue Moschee schon lange von Verfassungsschutz beobachtet
Mit sie meint Miriam die islamischen Geistlichen der Blauen Moschee. Schon lange ist bekannt, dass das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), so der offizielle Name, ein strategischer Außenposten des Teheraner Regimes ist. Bereits seit 1993 berichtet der Hamburger Verfassungsschutz immer wieder über den Einfluss des Zentrums. Wie die Behörde der MOPO mitteilt, tritt das IZH dabei nicht offen erkennbar islamistisch auf, „sondern inszeniert sich vielmehr als interkulturelle und interreligiöse Begegnungsstätte, um als Gesprächspartner in Politik, Kultur und Gesellschaft akzeptiert zu werden.“
Im Juli vergangenen Jahres bestätigten neue Dokumente erneut, dass das IZH ein „weisungsgebundener Außenposten Teherans“ ist, „mit dessen Hilfe der in der iranischen Verfassung verankerte Auftrag des weltweiten Exports der ,islamischen Revolution‘ umgesetzt werden soll.“ So wird der jeweils amtierende IZH-Leiter direkt vom iranischen Revolutionsführer eingesetzt – „und bekleidet dadurch die offizielle Vertreterrolle des Führers in Europa“, so der Verfassungsschutz.
Iranerin in Hamburg: Regierung wandte sich an ihre Familie
„Drohungen habe ich von der Moschee direkt nicht bekommen“, berichtet Miriam weiter. Aber laut der 69-Jährigen kontaktierten „Leute der Regierung“ ihre Familie im Iran bereits dreimal – „um ihnen zu sagen, ich solle mit meinem Verhalten hier in Hamburg aufpassen.“
Trotzdem: Miriam besucht weiter Anti-Regime-Demos. Vor der Blauen Moschee, vor dem iranischen Konsulat, am Wochenende war sie in der City dabei, als an mehreren Orten in der Stadt Kundgebungen gegen das Regime stattfanden. Dabei trägt sie als Tarnung immer eine Corona-Maske und eine Sonnenbrille. „Natürlich habe ich Angst, aber die Sicherheit, die ich hier in Deutschland habe, ist toll.“ Von einer bekannteren Aktivistin, die sich wie Miriam in der gleichen Organisation engagiert, weiß sie, dass sie unter Polizeischutz steht.
Derzeit ist es nicht viel, was die in Deutschland lebenden Iraner:innen von ihren Familien in der Heimat erreicht. WhatsApp und andere soziale Netzwerke sind seit Tagen von der Regierung abgeschaltet. Auch Miriam hat lange nichts von ihrer Familie gehört. Sie weiß, dass die Nichte einer Freundin während der Proteste verhaftet wurde. Niemand weiß aktuell, wo sie ist.
Iranerin in Hamburg: „Das ist ein Regime, das hat die Welt noch nicht gesehen“
„Meine Familie hat fast jeden Tag mit Sittenpolizei zu tun, seitdem Raisi an der Macht ist, sind sie noch viel schlimmer und härter“, berichtet sie. Miriam kennt zahlreiche Berichte von Freunden, die in Haft durch Schläge und Elektroschocks gefoltert wurden. „Das ist ein Regime, das hat die Welt noch nicht gesehen“, sagt sie.
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Dass das Regime durch die aktuelle Protestwelle kippt, glaubt sie nur, wenn die westlichen Länder helfen – und appelliert: „Wir rufen die westlichen Regierungen auf, sich an die Seite der Iraner zu stellen, wie sie sich an die Seite der Ukraine stellen.“ Sie selbst sagt, sie würde nichts lieber, als wieder in ihre aktuell so gefährliche Heimat reisen: „Meine Schwester ist alt, ich möchte sie so gerne noch einmal sehen. Ich habe großes Heimweh.“