Inzidenzen explodieren: Notruf aus Hamburger Gesundheitsamt
Während die Inzidenzen täglich neue Rekordwerte erklimmen, werden die Stellen im Gesundheitsamt zurückgefahren. Die Folge: Infizierte werden spät informiert, schriftliche Quarantäneanordnungen trudeln ein, wenn die Quarantäne schon fast beendet ist. Kontakte werden laut Anweisung nur noch in Ausnahmefällen vom Amt informiert. Ein Mitarbeiter eines Hamburger Gesundheitsamtes schildert gegenüber der MOPO massive Probleme.
„Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Bürgerinnen und Bürger“, sagt der Mann, der dafür zuständig ist, die Infizierten in einem Hamburger Bezirk über ihre positives Testergebnis zu informieren. Weil er seinen Arbeitgeber massiv kritisiert, will er seinen Namen nicht veröffentlicht wissen.
Während die Inzidenzen täglich neue Rekordwerte erklimmen, werden die Stellen im Gesundheitsamt zurückgefahren. Die Folge: Infizierte werden spät informiert, schriftliche Quarantäneanordnungen trudeln ein, wenn die Quarantäne schon fast beendet ist. Kontakte werden laut Anweisung nur noch in Ausnahmefällen vom Amt informiert. Ein Mitarbeiter eines Hamburger Gesundheitsamtes schildert gegenüber der MOPO massive Probleme.
„Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Bürgerinnen und Bürger“, sagt der Mann, der dafür zuständig ist, die Infizierten in einem Hamburger Bezirk über ihre positives Testergebnis zu informieren. Weil er seinen Arbeitgeber massiv kritisiert, will er seinen Namen nicht veröffentlicht wissen.
„Meine Aufgabe ist es, positiv getestete Menschen anzurufen, ihnen das Testergebnis mitzuteilen, Quarantäne zu verhängen, Vorerkrankungen und Symptome zu erfragen und abzuschätzen, ob mit einem schweren Verlauf zu rechnen ist, etwa, wenn der Angerufene ungeimpft ist“, sagt der Mitarbeiter. Manchmal sei es Detektivarbeit, die Telefonnummer der Infizierten herauszufinden, dann wird auch mal Amtshilfe über die Polizei angefordert.
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Das Problem ist aber ein anderes: „Inzwischen gibt es so viele positive Tests, dass wir die Vorgabe, die Menschen binnen 48 Stunden zu informieren, oft nicht mehr einhalten können.“ Menschen, die ohne Symptome infiziert sind, haben das Virus also möglicherweise längst weitergegeben, bevor der Anruf vom Gesundheitsamt kommt.
Quarantäne verhängen: Hamburger Gesundheitsämter zu langsam
Tatsächlich seien etwa positive Testergebnisse vom 18. November teilweise erst am 23. November mitgeteilt worden, so der Mitarbeiter. Auf eine Anfrage der Linken erklärt der Senat jedoch, dass in allen Bezirken außer Wandsbek die 48-Stunden-Frist eingehalten werde. Wandsbek, das besonders viele Fälle zu bearbeiten habe, brauche in Einzelfällen bis zu 72 Stunden, bis ein Infizierter erfährt, dass er sich angesteckt hat: „Bei Menschen mit Vorerkrankungen kann das schon gefährlich sein“, sagt der Mitarbeiter.
Es werden außerdem keine täglichen Kontrollanrufe gemacht, wie zu Beginn der Pandemie, um schwere Verläufe frühzeitig zu entdecken, kritisiert der Mitarbeiter: „Wir verlieren die Patienten aus den Augen.“ Auch werden keine Kontaktpersonen mehr vom Gesundheitsamt angerufen: „Während die Inzidenzen immer weiter steigen, wurden die Mitarbeiter in den Ämtern weniger“, so der Informant.
Hamburg: Kontaktnachverfolgung nur noch in Ausnahmefällen
Tatsächlich sind die Kollegen, die noch vor Monaten zur Verstärkung aus anderen Abteilungen in die Gesundheitsämter versetzt worden waren, inzwischen wieder zu ihren regulären Jobs zurückgekehrt. Und auch die Soldaten, die zeitweise mithalfen bei den Kontaktnachverfolgungen, sind längst nicht da. Von 964 Stellen (Ärzte, Verwaltungspersonal, Hilfskräfte), die die Gesundheitsämter im Mai 2021 meldeten, sind die Zahlen im November auf 689 gesunken, wie aus der Senatsantwort auf die Anfrage der Linken hervorgeht.
Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken kritisiert den Rückgang: „Der Senat erhält dieses und in den nächsten Jahren insgesamt 121 Millionen Euro vom Bund für den Personalaufbau und trotzdem entstehen keine dauerhaften Stellen.“
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Dass Infizierte aus dem Blickfeld geraten könnten, weist Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheitsbehörde entschieden zurück: „Kontaktpersonen werden nicht mehr informiert, weil inzwischen 85 Prozent der Erwachsenen geimpft sind. Die müssen sich nach einem Kontakt mit einem Infizierten nicht einmal testen lassen, und auch nicht mehr in Quarantäne.“ Infizierte seien aufgefordert, ihre Kontakte selbst anzurufen. Nur noch bei Ansteckungen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen oder Wohnunterkünften würden alle Kontakte vom Amt kontaktiert.
Und die Kontrollanrufe wurden durch ein Online-Symptom-Tagebuch ersetzt, in das die Infizierten täglich ihr Befinden eintragen sollen. Den Link dafür verschickt das Gesundheitsamt per Mail, erklärt Helfrich. Den Mitarbeiter überzeugt das nicht: „Menschen mit sprachlichen Hürden oder Ältere ohne Internet können mit dem Symptom-Tagebuch aber wenig anfangen.“ Er ist zunehmend verzweifelt: „Ich kann das mit meinem Gewissen eigentlich nicht mehr vereinbaren. Wir brauchen mehr Leute.“