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Stefan Hensel
  • Stefan Hensel ist Hamburgs Antisemitismusbeauftragter.
  • Foto: picture alliance / dpa/Marcus Brandt

Interview: Wer steckt hinter den Anti-Israel-Protesten in Hamburg?

Bei Anti-Israel-Demonstrationen war es in Deutschland in den vergangenen Tagen vermehrt zu antisemitischen Handlungen gekommen. In Hannover verhinderte die Polizei unter anderem die Verbrennung einer israelischen Flagge. Die MOPO sprach mit Stefan Hensel, dem Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Hamburg und baldigen Antisemitismusbeauftragten der Stadt, über die Demonstrationen.

Auch in Hamburg bekundeten am Wochenende hunderte Menschen am Steindamm ihre Solidarität mit den Palästinensern im Konflikt mit Israel. Davor hatte der Rat der Islamischen Gemeinschaften (Schura) die „muslimischen und arabischen Gemeinden Hamburgs“ zur Teilnahme aufgerufen.

MOPO: Wer steckt hinter den pro-palästinensischen Demos in Hamburg?

Hensel: Wir haben gesehen, dass sowohl palästinensische als auch gar nicht primär politische Organisationen zu den Demonstrationen in Hamburg aufrufen. Dazu gehört zum Beispiel auch der Rat der Islamischen Gemeinschaften (Schura), also ein Zusammenschluss von vorwiegend muslimischen Organisationen. Das wundert mich, denn normalerweise sollten Religion und Politik zwei voneinander getrennte Prozesse sein.

Es sei denn, es geht um Friedensveranstaltungen. Die klaren Worte des Zentralrates der Muslime gegen Antisemitismus haben mich hingegen sehr gefreut.

Was wären Beispiele für solche Friedensveranstaltungen?

Beispielsweise gab es vor ein paar Tagen eine interreligiöse Veranstaltung, bei der in Dresden Juden, Christen und Muslime zu einem gemeinsamen Gebet für Frieden in Jerusalem zusammengekommen sind — ein Zeichen für friedliches Zusammenleben. Das ist ein Kontrast zu den Kundgebungen und Demonstrationen, auf denen die Lage in den vergangenen Tagen teilweise deutlich eskalierte und bei denen sichtlich keine Brücke zwischen den Konfessionen geschlagen werden sollte.

Nutzen verschiedene Gruppen also die Pro-Palästina-Demos für ihre eigenen Interessen aus?

Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Man kann spekulieren, dass solche Gruppen das ausnutzen wollen. Aber der Grund dafür wird mir nicht ganz klar, denn zum Frieden in unserem Land trägt das auf keinen Fall bei.

Es sind nicht die Araber oder die Muslime, sondern es sind Menschen, die diesen Konflikt in Israel für ihre eigenen Interessen instrumentalisieren, um so einen Konflikt zwischen den Religionen zu schaffen. Dabei ist das im Ursprung kein Konflikt zwischen den verschiedenen Religionen, sondern zwischen Extremisten.

Kann man Antisemitismus auf den Demonstrationen beobachten?

Wenn Menschen, wie in Gelsenkirchen, vor die Synagoge ziehen und die jüdische Gemeinschaft bedrohen, hat das überhaupt nichts mehr mit Israel-Kritik zu tun sondern man macht die Juden – noch dazu hier in Deutschland – für die derzeitige Situation verantwortlich – ein Klassiker des Antisemitismus‘.

Auf einigen sogenannten friedlichen Demos werden Plakate hochgehalten, auf denen das Land Israel von der Landkarte getilgt wird oder es werden israelische Fahnen verbrannt. Auch das ist ein klarer Fall von Antisemitismus.

Muss man als Mitglied der jüdischen Gemeinde in Hamburg jetzt Angst haben?

Die Angst vor einer Bedrohung ist in der jüdischen Gemeinde, auch in Hamburg, immer ein Thema und andauernd präsent. Solche Vorfälle wie in Gelsenkirchen tragen selbstverständlich dazu bei, dass sich viele die Frage stellen: Kann ich als Jude überhaupt noch hier leben?

Immer wieder erleben wir, wie Jüdinnen und Juden Wellen von Feindseligkeiten entgegenschlagen. Viele haben in anderen Ländern Bekannte und Verwandte und bekommen mit, wie traumatisch es für sie auch dort ist. Das dürfen wir als Gesellschaft nicht dulden, denn jeder muss sich hier in Hamburg sicher fühlen können.

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