Demo in Hamburg: „Ein Schwangerschaftsabbruch darf keine Straftat sein!“
In den USA ist das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch gerade gekippt worden. Auch Polen und Ungarn haben die Gesetze so verschärft, dass Abtreibungen praktisch verboten sind. Es ist eine Entwicklung, die weltweit vor allem bei Frauen für Empörung sorgt. Am Mittwoch ab 17 Uhr demonstrieren zahlreiche Hamburger:innen anlässlich des internationalen „Safe Abortion Day“ auf dem Rathausmarkt. Die MOPO sprach mit der pro familia-Vorsitzenden Kerstin Falk, die zu den Demo-Anmelder:innen gehört. Sie erklärt, warum der Paragraph 218 gestrichen werden sollte, Kanada für Deutschland ein Vorbild sein kann – und was sich an deutschen Universitäten ändern muss.
In den USA ist das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch gerade gekippt worden. Auch Polen und Ungarn haben die Gesetze so verschärft, dass Abtreibungen praktisch verboten sind. Es ist eine Entwicklung, die weltweit vor allem bei Frauen für Empörung sorgt. Am Mittwoch ab 17 Uhr demonstrieren zahlreiche Hamburger:innen anlässlich des internationalen „Safe Abortion Day“ auf dem Rathausmarkt. Die MOPO sprach mit der pro familia-Vorsitzenden Kerstin Falk, die zu den Demo-Anmelder:innen gehört.
MOPO: Frau Falk, in Deutschland ist der Paragraf 219a, der Ärzt:innen verbot, über Abtreibungen zu informieren, gerade abgeschafft worden. Warum gehen Sie trotzdem noch auf die Straße?
Kerstin Falk: Die Abschaffung des §219a war ein wichtiger Schritt. Denn die jahrzehntelange Kriminalisierung hat dazu geführt, dass in Deutschland inzwischen ein Mangel an Ärzt:innen herrscht, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Folge ist, dass Frauen manchmal tagelang suchen müssen, bis sie einen Arzt oder eine Ärztin finden, die den Abbruch vornehmen. Dabei gehen sie das Risiko ein, Fristen zu überschreiten. Das darf nicht so bleiben.
Was muss also weiter geschehen?
Auch der Paragraf 218 muss gestrichen werden, der Schwangerschaftsabbruch muss raus aus dem Strafgesetzbuch! Ein Schwangerschaftsabbruch darf keine Straftat sein. Frauen müssen in Deutschland das Recht haben, selbst über ihren Körper und ihre Schwangerschaft zu entscheiden. So wie es in vielen anderen europäischen Ländern der Fall ist.
Aber durch den Kompromiss, der damals mit der Einführung einer Beratungspflicht gefunden wurde, ist es für Frauen doch faktisch möglich, abzutreiben. Was ist an Beratungen so verkehrt?
Ich habe nichts gegen Beratungen. Wir beraten die Frauen ergebnisoffen und stärken sie darin, die richtige Entscheidung für sich zu treffen. Aber das Beispiel der USA zeigt auch, dass Gesetze von einem Tag auf den anderen wieder geändert werden können. Wenn die Beratungspflicht hier wieder gestrichen würde, hätten wir wieder eine Situation wie in den 70er Jahren. Hinter der deutschen Regelung steckt immer noch die Annahme, dass ein rigides Abtreibungsrecht davon abhält, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Dabei ist das einfach nicht zutreffend. Keine Frau nimmt das auf die leichte Schulter, meistens ist es eine schwere Entscheidung, die u.a. auch einen operativen Eingriff bedeutet.
Pro familia Hamburg fordert Legalisierung von Abtreibung
In der Diskussion wird oft das Beispiel Kanadas genannt, wo Abtreibungen seit 1988 legal sind. Warum könnte Kanada ein Vorbild für uns sein?
In Kanada gibt es keine Fristen oder andere gesetzliche Beschränkungen, die einer Frau den Zugang zu einer Abtreibung verwehren. Ein Schwangerschaftsabbruch wird wie ein ganz normaler ärztlicher Eingriff behandelt. Dennoch ist die Abbruchquote sehr niedrig. Das beweist, dass Verbote nichts bringen. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass Kanada die geringste Müttersterblichkeit der Welt hat.
Wie könnte eine Regelung für Deutschland aussehen?
Wir brauchen eine Fristenregelung ohne Beratungspflicht. So wie es die meisten unserer europäischen Nachbarn haben. Frauen haben dort das Recht auf einen Abbruch. Dadurch ist die medizinische Versorgung gewährleistet. Ergänzend dazu muss es ein Recht auf Verhütung geben. Heißt: Krankenkassen müssen die Kosten für Verhütungsmittel übernehmen. Durch das Projekt „Kostenübernahme Verhütungsmittel“ hier in Hamburg wissen wir, dass Frauen gute und langfristige Methoden zu Empfängnisverhütung wollen. Aber nicht alle können sich die 500 bis 600 Euro für eine Spirale leisten.
Glauben Sie, dass die Entkriminalisierung reicht, um den Mangel an Abtreibungsmöglichkeiten in Deutschland zu beheben?
Nein, das allein wird wohl nicht reichen. Schwangerschaftsabbrüche werden an den Universitäten bisher nicht gelehrt. Viele junge Gynäkolog:innen bieten es auch deshalb nicht an, weil sie es nicht gelernt haben. Hier müssen die Curricula verändert werden, damit die Eingriffe fachkundig ausgeführt werden und sicher sind.