In diesem Hamburger „Imbiss“ gibt es Kunst statt Currywurst
Zwei Künstler betreiben in Hamburg einen Imbiss der besonderen Art. Currywurst und Fritten sucht man hier vergebens. Das Interesse der Menschen ist trotzdem groß.
Zwei Künstler betreiben in Hamburg einen Imbiss der besonderen Art. Currywurst und Fritten sucht man hier vergebens. Das Interesse der Menschen ist trotzdem groß.
Ein Dutzend Tauben patroulliert über das Kopfsteinpflaster. Der Boden ist übersät von Kronkorken und Zigarettenstummeln. Die meisten Passanten gehen hier entweder zur Reeperbahn oder zur Elbe – stehen bleibt auf dem Hein-Köllisch-Platz (St. Pauli) eigentlich niemand. Ausgerechnet hier steht ein kleiner Anhänger mit integrierter Imbissbude. Vor der geöffneten Klappe warten bereits 20 „hungrige“ Menschen. Doch anstatt Currywurst mit Pommes gibt es Bilder, Skulpturen und Bücher.
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An einem Bistrotisch neben dem Anhänger steht Katharina Kohl. Zusammen mit dem Künstler D.G. Reiss hat die Malerin 2005 die „ambulante Kunstversorgung“ ins Leben gerufen. „Die meisten Gäste in Galerien und Ausstellungen interessieren sich bereits für Kunst. Mit dem ,Kunst-Imbiss‘ wollten wir ortsübergreifend die Grenzen auflösen. Also Menschen anziehen, die von Kunst sonst eher abgeschreckt sind“, sagt Kohl.
Die Malerin erzählt, dass der Wagen schon an über 100 verschiedenen Orten für „geistige Nahrung“ gesorgt hat. Verkauft wird hier aber nichts – dafür gehen viele „Gespräche und Begegnungen“ über die Theke. Überrascht ist die Malerin von Gästen, die sich „nach Jahren noch daran erinnern, was sie bei uns gesehen haben.“ Einmal kam eine Familie zum „Kunst-Imbiss“ und kam anschließend mit Verwandten wieder, um ihnen ihr Lieblingsfoto zu zeigen. Besonders erfüllend findet Kohl, wenn Menschen auf den „Kunst-Imbiss¶ zugehen und Fragen stellen. So trat zum Beispiel einmal ein Mann an die Theke und fragte, ob ihm jemand die Ausstellung von Mark Rothko in der Kunsthalle erklären könne. „Es war schön, dass er sich traute zu fragen“ meint Kohl und freute sich über ein langes Gespräch zu dem Thema „Wie lange dauert es eigentlich, ein Bild wirklich zu erkennen?“
Mythos: Kunst ist nur für Reiche da
In den 17 Jahren hat Kohl einiges gehört: „Viele Menschen haben mehr Ahnung von Kunst als sie glauben.“ Gerade in Stadtteilen wie dem Osdorfer Born oder auch Wilhelmsburg sind die Einwohner mit einem außergewöhnlichen Wissen über Kunst aufgefallen. Manchmal wurde an der Theke auch wild diskutiert. „Oft wird Kunst als etwas angesehen, was sich nur die Reichen leisten können. Hier, hinter der Klappe, ist sie aber für jeden da“, sagt Kohl.
Während hinter der Verkaufstheke gerade eine Lesung stattfindet, bleiben zwei Touristen neugierig stehen. Mehr als 150 Hamburger Künstler haben ihre Werke bereits im „Kunst-Imbiss“ ausgestellt. Darunter auch bekannte Künstler wie Christopher Schäfer, der das „Park Fiction“ entworfen hat. Neben der Größe gibt es auch andere Vorraussetzungen damit Künstler ihre Ware in der ehemaligen Pommessbude aufstellen können „Wichtig ist, dass eine Idee hinter dem Gesamtwerk steht“ so Kohl. Sie fügt hinzu: „Auch sollten die Künstler über ein Werk verfügen und keine Eintagsfliege sein.“
Bei Jugendlichen ist das Interesse eher gering
Auch Schulklassen würden ab and an vorbeikommen und ihre Projektwochen dort gestalten. „Das Interesse an Kunst ist bei Jugendlichen leider oft nicht so groß“. Doch einmal sind fünf Mädchen im Teenageralter auf Kohl und den Imbiss mit voller Begeisterung zugestürmt. „Wir standen in der Spitalerstraße und hatten eine Woche vorher in Wilhelmsburg ausgestellt. Die Mädchen haben uns von dort wiedererkannt. Neugierig und voller Freude standen sie dann vor unserer Theke,“ erinnert sich Kohl. Das war einer ihrer schönsten Momente.
Damit es nicht langweilig wird, wechselt der Imbiss immer wieder seinen Platz. Der Kurfürstendamm (Berlin) war bislang das exotischste Ziel. Am häufigsten steht er auf der Altonaer Bergstraße. „Das Bezirksamt Altona ist sehr kooperativ mit ihren Genehmigungen. Außerdem kommen dort so viele unterschiedliche Menschen vorbei.“ Auch die Nähe zur Bushaltestelle sei für Kohl äußerst praktisch. „Für nächstes Jahr überlegen wir gerade, ob im Takt des Busfahrplans Lesungen stattfinden sollen.“ Erst im Frühling werden nämlich wieder die Pforten geöffnet – im Winter macht der „Kunst-Imbiss“ Pause.