Das Impfzentrum aus der Hölle
Impfungen wie am Fließband, keine Aufklärungsgespräche, drangvolle Enge: Das Impfzentrum am Hauptbahnhof wurde nach nur wenigen Tagen vom Bezirk geschlossen. Hinter der Chaos-Einrichtung steht ein Unternehmen, das sich als „Deutschlands erste virtuelle Klinik“ bezeichnet. Und ein Impfarzt, gegen den Ermittlungen laufen.
Was die Geimpften aus der dicht gemachten Einrichtung schildern, klingt unfassbar: „So einer schönen Frau kann man auch die Spritze in den Popo setzen, sagte der Arzt zu mir“, so eine Frau gegenüber der MOPO: „Dabei trug er die Maske unter der Nase.“
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Impfungen wie am Fließband, keine Aufklärungsgespräche, drangvolle Enge: Das Impfzentrum am Hauptbahnhof wurde nach nur wenigen Tagen vom Bezirk geschlossen. Hinter der Chaos-Einrichtung steht ein Unternehmen, das sich als „Deutschlands erste virtuelle Klinik“ bezeichnet. Und ein Impfarzt, gegen den Ermittlungen laufen.
Am 1. Dezember hatte das Impfzentrum des Unternehmens „Hammonia Hospital Virtuelle Klinik Betriebsgesellschaft mbH“ in der Wandelhalle im Hamburger Hauptbahnhof den Betrieb aufgenommen. Der Arztstempel in mehreren Impfausweisen zeigt den Namen eines Mediziners, der 2003 vom Hamburger Landgericht wegen gewerbsmäßigen Betruges und Körperverletzung zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde. Derzeit ermittelt die Hamburger Sozialbehörde gegen den fraglichen Arzt in anderen Zusammenhängen, wie eine Sprecherin der MOPO mitteilte.
Was die Geimpften aus der dicht gemachten Einrichtung schildern, klingt unfassbar: „So einer schönen Frau kann man auch die Spritze in den Popo setzen, sagte der Arzt zu mir“, so eine Frau gegenüber der MOPO: „Dabei trug er die Maske unter der Nase.“
Impfzentrum in der Wandelhalle des Hauptbahnhofs
Andere beschreiben die drei Impfkabinen, die unhygienisch und schäbig aus Sperrholzplatten zusammengeschustert gewesen sein sollen: „Es fanden keine Beratungsgespräche statt, niemand fragte, ob es sich um Erst-, Zweit- oder Boosterimpfung handelte“, so eine Betroffene. Es gab keinen Platz zur Überwachung nach der Spritze, niemand hat die Anmeldecodes kontrolliert, keiner der Mitarbeitenden habe ein Namensschild getragen. Die Folge: Keiner der Geimpften vom Hauptbahnhof weiß, ob überhaupt ein Arzt mit Zulassung anwesend war.
Jeder, der gekommen sei, sei sofort geimpft worden. Mit Anmeldung und Impfung war ich nach maximal fünf Minuten wieder draußen, schildert eine weitere Frau der MOPO. Sie sei so perplex gewesen, dass sie erst danach realisiert habe, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen kann.
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In der mittleren Kabine habe eine Schale mit aufgezogenen Impfspritzen gelegen, die von den beiden äußeren Kabinen durch ein Loch in der Trennwand zu erreichen war. „Theoretisch hätte ich die schätzungsweise 30 Spritzen mitnehmen können“, sagt eine weitere Geimpfte zur MOPO.
Irritiert habe sie den Impfer gefragt, warum die Spritzen ungesichert dort lagen. Warum? Was wollen sie damit?, habe dieser unbeirrt gefragt: „Dann hat er die Spritze ohne Schutzkappe auf eine Ablage gelegt – und mich mit der nicht mehr sterilen Spritze geimpft.“ Es sei so schnell gegangen, sie habe gar keine Zeit gehabt, auf eine neue Spritze zu bestehen.
Unhygienische Zustände im Impfzentrum am Hauptbahnhof
Patient:innen, die in den Kabinen geimpft wurden, konnten sich gegenseitig durch die Löcher beobachten: Die Vorhänge waren billig und durchsichtig, schildert es ein Mann, der als einer der letzten vor der Schließung am Mittwoch seinen Booster erhalten hatte.
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Nachdem sich Geimpfte mit ihren Beobachtungen an das Bezirksamt wendeten, wurde die Impfbude kontrolliert und gleich geschlossen, mit Hilfe der Polizei: „Es wurden Standards nicht eingehalten“, so die Erklärung aus dem Amt.
Impfzentrum: Massenabfertigung ohne Aufklärung
„Wie konnten die überhaupt bei der kleinen Fläche eine Zulassung erhalten? Hat das niemand geprüft?“, fragt sich eine Betroffene. Es gilt: Anders als Testzentren müssen Impfzentren nicht genehmigt werden. „Ein zugelassener Arzt kann überall Impfungen anbieten“, so Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirks Mitte auf MOPO-Nachfrage. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass da ein richtiger Arzt dabei war“, diesen Eindruck schilderten mehrere Patient:innen des „Impfzentrums aus der Hölle“, im Gespräch mit der MOPO.