Impfpflicht für alle – was dafür und was dagegen spricht
Kaum ein Thema sorgt gerade für mehr Diskussionen in Deutschland als die Frage nach einer allgemeinen Impfpflicht. Während sich Impfgegner zusehends radikalisieren, rudern immer mehr Politiker zurück und fordern nun doch eine solche Verpflichtung. Am Mittwoch kam die lang ersehnte Positionierung des Deutschen Ethikrates.
Derweil zogen am vergangenen Samstag 11.500 Menschen durch Hamburg, um gegen eine mögliche Impfpflicht zu demonstrieren. „Nein zur Impfpflicht!“, „Impfdiktatur beenden“ und „Pflege steh auf! Lieber gefeuert als geimpft!“ stand auf den Plakaten. Der Ton wird rauer.
Kaum ein Thema sorgt gerade für mehr Diskussionen in Deutschland als die Frage nach einer allgemeinen Impfpflicht. Während sich Impfgegner zusehends radikalisieren, rudern immer mehr Politiker zurück und fordern nun doch eine solche Verpflichtung. Am Mittwoch kam die lang ersehnte Positionierung des Deutschen Ethikrates. Das Gremium spricht sich mehrheitlich für die Ausweitung der gesetzlichen Impfpflicht aus – jedoch unter Auflagen.
11.500 Menschen zogen am vergangenen Samstag durch Hamburg, um gegen eine mögliche Impfpflicht zu demonstrieren. „Nein zur Impfpflicht!“, „Impfdiktatur beenden“ und „Pflege steh auf! Lieber gefeuert als geimpft!“ stand auf den Plakaten. Der Ton wird rauer.
Am 10. Dezember hatte die neue Ampel-Koalition bereits die Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal beschlossen. Sie soll ab März 2022 gelten.

Und während diese von zahlreichen Politikern noch vor einigen Monaten kategorisch ausgeschlossen wurde, sprechen sich immer mehr von ihnen mittlerweile auch für eine allgemeine Impfpflicht aus. So bezeichnete Bundeskanzler Olaf Scholz eine Pflichtimpfung gegen Covid-19 als dringend erforderlich. „Wir wissen, dass wir eine hohe Impfquote brauchen“, sagte der SPD-Politiker.
Dagegen hatte eine Gruppe von 20 FDP-Politikern rund um den Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki sich in einem Antragsentwurf klar gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Kubicki sagte, dass diese „seinem ganzen Menschenbild“ widersprechen würde.
Ethikrat befürwortet eine Ausweitung der Impfpflicht – unter Bedingungen
Auch in der rot-grün-gelben Regierung herrscht also Uneinigkeit in dieser Frage. Deshalb setzten die Politiker große Hoffnungen auf eine Entscheidung des Deutschen Ethikrates. Der Rat ist ein unabhängiges Gremium, das die Bundesregierung in ethischen Fragen der Corona-Pandemie berät. Der Ethikrat sprach sich in einem 27-seitigen Papier am Mittwoch schließlich für eine Ausweitung der Impfpflicht auf die gesamte Bevölkerung aus. Doch das gewünschte klare Signal war das nicht. Denn in dem Papier zeigt sich, dass auch der Ethikrat in dieser Frage gespalten ist.
Zwar sprachen sich 20 der 24 Mitglieder generell für eine Ausweitung der berufsbezogenen Impfpflicht aus und betonten, dass „hohe Impfquoten entscheidend sind, um in eine kontrollierte endemische Situation zu kommen“. Diese Impfpflicht müsse begleitet werden von einer Reihe von Maßnahmen. So müsse es flächendeckende und niedrigschwellige Impfangebote mit ausreichend Impfstoff geben. Außerdem empfehlen die Experten die direkte Einladung von Impfverpflichteten, ein datensicheres nationales Impfregister sowie eine „kontinuierliche Evaluation und Begleitforschung“.
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Uneinigkeit herrscht jedoch in der Frage, für welche Bevölkerungsgruppen die Verpflichtung gelten soll. 13 Ratsmitglieder befürworteten die Ausweitung auf alle in Deutschland lebenden impfbaren Erwachsenen. Nur so könne man das Ziel einer „nachhaltigen, dauerhaft tragfähigen und gerechten Beherrschung der Pandemie“ erreichen, die Intensivstationen langfristig entlasten und die Gefahr von ständig wiederkehrenden Kontaktbeschränkungen verringern, die vor allem junge Menschen belasteten.
Ethikrat bisher gegen allgemeine Impfpflicht
Sieben Mitglieder des Ethikrates sehen das anders. Sie empfehlen eine Beschränkung der Impfpflicht auf besonders gefährdete Menschen – alte oder vorerkrankte. Ein solches „risikodifferenziertes Vorgehen“ sei das „mildere und damit verhältnismäßigere Mittel, um eine Überlastung des Gesundheitswesens, speziell der Intensivstationen, zu vermeiden“, heißt es in dem Papier. In diesen Bevölkerungsgruppen sei der persönliche Nutzen der Impfung höher und eine Impfpflicht deshalb besser zu rechtfertigen.
Bisher hatte sich der Ethikrat stets zurückhaltend geäußert, was eine allgemeine Impfpflicht betrifft. Noch im Juli hatte die Vorsitzende Alena Buyx sogar die berufsbezogene Impfpflicht für unnötig erklärt. Damals hatte sie auf andere Schutzmöglichkeiten und hohe Impfraten in den entsprechenden Berufen verwiesen. Seine neue Positionierung begründet der Ethikrat mit einer „veränderten Faktenlage“.
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