Immunsystem stärken: Experte erklärt, wie es geht – und deckt Corona-Irrtum auf
Gefühlt liegt derzeit in jedem zweiten Hamburger Haushalt mindestens eine Person mit Husten und Schnupfen flach. Tragen die Corona-Pandemie und das Maskentragen daran eine Schuld? Wie stärken wir das Immunsystem wirklich? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen – und räumt mit aktuellen Irrtümern auf.
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Gefühlt liegt derzeit in jedem zweiten Hamburger Haushalt mindestens eine Person mit Husten und Schnupfen flach. Tragen die Corona-Pandemie und das Maskentragen daran eine Schuld? Wie stärken wir das Immunsystem wirklich? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen – und räumt mit aktuellen Irrtümern auf.
Hat unser Immunsystem in der Coronazeit verlernt, gegen Erreger anzukämpfen?
„Nein“, sagt Dr. Michael Groening, ärztlicher Leiter im Medizinischen Versorgungszentrum Groß-Sand in Wilhelmsburg: „Das immunologische Gedächtnis eines Erwachsenen resultiert aus den Infektionen der vergangenen Jahrzehnte und bleibt erhalten.“ Dass wir uns trotzdem in jedem Winter einen Schnupfen einfangen, liegt daran, dass Erkältungsviren sich schnell verändern. Darum kann man sich gegen einen grippalen Infekt auch nicht impfen lassen, sondern nur gegen Influenza.
Die Kinderkliniken sind am Limit. Warum erkranken Kinder so viel schwerer als Erwachsene?
Dr. Groening: „Kleinkinder reagieren auf banale Infekte mit hohem Fieber, weil das ‚Abkochen‘ der Viren zunächst das einzige Gegenmittel des Körpers ist. Gleichzeitig werden Abwehrzellen gebildet, die Antikörper bilden und wenn der Erreger das nächste Mal auftaucht, hat das Immunsystem die passende Abwehrwaffe parat.“ Während der Pandemie waren die Kinder aber von allen Erregern abgeschirmt und nun treffen die Viren auf ein Immunsystem, das noch nicht viele Antikörper, also Waffen, ausbilden konnte.
Helfen Vitaminpillen dem Immunsystem?
Viele Patienten lassen auf eigene Kosten ihre Blutwerte im Labor überprüfen, um gegebenenfalls zur Stärkung der Abwehr Vitamine oder Spurenelemente zu ergänzen. Dr. Groening hält davon wenig: „Bei einem gesunden Menschen kann man die Immunabwehr nicht objektiv messen. Und die Grenzwerte etwa für Vitamine sind wissenschaftlich oft gar nicht haltbar. Da werden künstlich Menschen als krank eingestuft.“ Liegt etwa der Wert für Vitamin D unter der empfohlenen Höhe, ist das für einen jungen Mann unproblematisch. Frauen jenseits der Menopause brauchen Vitamin D aber für die Knochendichte (also auch nicht für das Immunsystem). Vitamin C schützt nachweislich die Schleimhäute und es schadet auch nicht, jeden Morgen eine Sprudeltablette zu trinken, aber Orangen oder Kiwis haben denselben Effekt.
Was ist mit kalten Duschen?
Dass die kalte Brause am Morgen messbar die Abwehrkräfte stärkt, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Es gibt zwar eine deutsche Studie mit Lungen-Patienten, die nach einer Kaltwasser-Behandlung nach Kneipp mehr Immunzellen im Blut hatten, allerdings wurden nur 20 Probanden untersucht. Eine niederländische Studie kam zu der Vermutung, dass Kaltduscher zwar nicht seltener krank werden, sich aber oft trotz Krankheit gesund genug zum Arbeiten fühlen.
Kann man überhaupt etwas tun, um sein Immunsystem zu stärken?
Vitaminreiche Ernährung, Bewegung und ausreichender Schlaf tun der Abwehr gut – und Stressvermeidung, was derzeit ja vielen Menschen schwer fällt. Dr. Groening: „Das Immunsystem unterliegt auch psychischen Einflüssen, darum werden viele Menschen krank, wenn sie sich nach einer Phase großen Anstrengung plötzlich entspannen.“