Milchbauer Hauke Jaacks droht Haus und Hof in Rissen zu verlieren.
  • Milchbauer Hauke Jaacks droht Haus und Hof in Rissen zu verlieren.
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Immobilienhändler schnappt sich Hof: Existenz vernichtet! Hamburger Milchbauer vorm Aus

Rissen –

Die Lage spitzt sich dramatisch zu: Offenbar bleibt die Hamburger Wirtschaftsbehörde hart. Sie gibt grünes Licht, damit ein Immobilienhändler sich in Rissen einen Reiterhof bauen darf. Und zwar dort, wo jetzt der Milchhof Rissen ist. Damit wäre wohl die Existenz eines der letzten Milchbauern der Stadt vernichtet. Hauke Jaacks müsste seine Hofstelle abgeben. Er, seine Familie und seine 340 Kühe und Rinder wären obdachlos.

Zwar hatten Grüne, SPD und Linke im Bezirk Altona den Senat noch aufgefordert, die Zustimmung der Stadt zu diesem Deal zurückzuziehen –  doch das stößt in der Wirtschaftsbehörde auf taube Ohren. Die Besitzerin darf ihre Flächen an den Immobilienhändler verkaufen, Pächter Jaacks muss weichen. Aus einer landwirtschaftlichen Fläche wird ein Reiterhof.

Trecker Hauke Jaacks auf dem Moorhof in Rissen.

Hauke Jaacks auf seinem Trecker. In der Arbeit auf seinem Hof geht er auf.

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Dabei gibt es allein im Westen der Stadt schon jetzt rund 20 Reiterhöfe, viele davon waren früher einmal Milchviehbetriebe. In ganz Hamburg gibt es laut Statistikamt 103 Reiterhöfe. Bauernhöfe mit Kühen gibt es dafür nur noch zehn. Hamburg wird mittlerweile größtenteils aus dem Umland versorgt.

Corona Krise zeigt: Regionale Produkte in Hamburg wichtig

Und gerade zeigt die Corona-Krise, wie wichtig regional produzierte Lebensmittel sind. Wenn Grenzen geschlossen werden, Lieferketten zusammenbrechen und Lebensmittelpreise in die Höhe schießen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betonte zuletzt, „die Bedeutung regionaler Erzeugnisse ist in der Krise gestiegen und wir tun alles, damit die Landwirte die Corona-Krise bestmöglich überstehen.“

Kühe auf dem Moorhof der Jaacks in Rissen.

Auf dem Moorhof werden 140 Milchkühe gehalten.

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Alles nur Sonntagsreden? Hamburg handelt zumindest ganz anders. Die Wirtschaftsbehörde findet das Konzept des Reiterhofs „überzeugend“ und der neue Betreiber wolle ja auch „eine landwirtschaftliche Nutzung etablieren, nämlich eine Pferdezucht und Pensions-Pferdehaltung“, so Sprecher Christian Füldner. Der Reiterhof sei quasi ebenso zu bewerten, wie ein Bauernhof.

Video: So glücklich können Milchkühe sein

Appelle an Bürgermeister: Retten Sie Milchhof Rissen

Jetzt schaltet sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) ein. Sie appelliert an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), einzuschreiten. „Hier wird gerade ein Präzedenzfall in Deutschland geschaffen, wie außerlandwirtschaftliche Investoren gegenüber aktiven Landwirten bevorteilt werden, indem sie einfach ein landwirtschaftliches Konzept vorlegen“, sagt Berit Thomsen, AbL-Landesgeschäftsführerin.

Kälber in ihrer Box auf dem Milchhof Jaacks in Hamburg Rissen.

Ein paar Kälber gucken neugierig aus ihrer Box auf dem Milchhof Jaacks in Rissen.

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Die Folge: Bodenpreise explodieren und die Flächen werden mehr und mehr zum Spekulationsobjekt. Insbesondere, da viele Investoren durch das niedrige Zinsniveau dringend Anlageobjekte suchen und vor Negativzinsen fliehen. Das weiß natürlich auch das Bundeslandwirtschaftsministerium und blickt besorgt auf die Entwicklung.

Julia Klöckner: Investoren gewinnen, Landwirte verlieren

Klöckner: „Die außerlandwirtschaftlichen Investoren sind die großen Gewinner auf dem Bodenmarkt, aktive Landwirte sind die Verlierer.“ Bundesweit seien seit 1993 1,1 Millionen Hektar an andere Nutzungen verloren gegangen, seit 2005 seien die Kaufpreise um 193 Prozent angestiegen.

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Drohende Folge: Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen immer größer werden, um diese Kauf- und Pachtpreise noch erwirtschaften zu können und auf Dauer steigen für Verbraucher die Preise für Lebensmittel (oder sie kommen aus dem Ausland, wo es billiger ist).

Ein Pferd guckt aus seiner Box in einem Reitstall.

Ein Pferd guckt in einem Reitstall aus seiner Box. Wie groß die Anlage in Rissen werden soll, ist nicht bekannt. Die Pläne sind nicht öffentlich.

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Zudem widerspricht der Agrar-Deal um den Milchhof Rissen auch noch dem gerade erst im Oktober 2019 verabschiedeten Agrarpolitischen Konzept der Stadt Hamburg. Darauf weist Astrid Matthiae vom Ernährungsrat Hamburg hin. Da heißt es nämlich: „Wichtiges politisches Ziel ist es, dass in Hamburg auch in Zukunft die große Vielfalt gartenbaulicher und landwirtschaftlicher Produktion erhalten bleibt, die durch Familienbetriebe oder andere innovative Unternehmensformen getragen wird.“

Auch Astrid Matthiae hat dem Bürgermeister einen Brief geschrieben. Aber ob die viele Post an Peter Tschentscher den Milchhof noch retten kann? Derzeit sieht es nicht danach aus.

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