• Doktor Peer Briken arbeitet am UKE als Leiter des Institutes für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie.
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Immer mehr Kinderporno-Fälle im Norden: Sexualforscher: „Pädophilie ist behandelbar“

Eppendorf –

Die Fallzahlen im Bereich der Kinderpornografie sind im Norden erschreckend hoch. Viele – aber nicht alle – der Nutzer sind pädophil, haben also eine sexuelle Neigung zu Kindern. Doch wie entwickelt sich solch eine Pädophilie? Kann man sie heilen? Die MOPO sprach mit Dr. Peer Briken, dem Leiter des Institutes für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am UKE.

MOPO: Herr Briken – wie entwickelt sich bei Menschen die sexuelle Neigung zu Kindern?

Peer Briken: Dafür gibt es sehr unterschiedliche Gründe, über die wir bis heute nur eingeschränktes Wissen haben. Es gibt einen unspezifischen biologisch-konstitutionellen Anteil (zum Beispiel genetisch, während der Schwangerschaft), der oft mit problematischen Erfahrungen wie Vernachlässigung, eigenen Erlebnissen, sexuellen Missbrauchs oder Misshandlung in eine Wechselwirkung eintritt.

Für die Zeit um die Pubertät, manchmal auch früher, werden bedeutsame sexuelle Erfahrungen geschildert, die durch den Hormonanstieg in der Pubertät eine besondere Dynamik erfahren können. Offenbar spielen sowohl überstarke sexuelle Tabus als auch die nicht ausreichende Berücksichtigung von Grenzen oder Schamgefühlen im Umfeld in Kindheit und Jugend eine Rolle.

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Wann tritt diese Neigung in der Regel auf?

Oft bemerken Jugendliche das in der Zeit der Pubertät oder im frühen Jugendalter. Es kann aber auch später sein.

Was sind weitere Ursachen für Pädophilie?

Wir wissen, dass eigene traumatische Erfahrungen von Bedeutung sind und diese sich auch in biologischen, zum Beispiel hormonellen Faktoren, Hirnbotenstoffen (Neurotransmittern) und der Verarbeitung sexueller Reize im Gehirn niederschlägt, ebenso wie in psychologischen Faktoren.

„Der Großteil hat kein ausschließliches Interesse an Kindern“

Ist Pädophilie behandelbar?

Ja, wir haben heute Therapieangebote, die das Risiko, dass Personen – erneut oder auch erstmalig – einen Kindesmissbrauch begehen oder Missbrauchsabbildungen nutzen, behandeln können. Wenn das sexuelle Interesse an Kindern sehr ausgeprägt ist und es kein Interesse an Sexualität mit Erwachsenen gibt, geht es in der Therapie weniger um Veränderung des sexuellen Interesses als um Erhöhung der Selbstkontrollfähigkeiten und um die Entwicklung von Handlungsalternativen.

Aber der Großteil der Personen hat kein ausschließliches Interesse an Kindern, sondern hier geht es um das Ausweichen. Da erkunden wir die Gründe für das Ausweichen und helfen den Patienten Handlungsalternativen zu entwickeln, um neue Erfahrungen, vor allem in Beziehungen zu machen.

Trifft Pädophilie ausschließlich nur Männer?

Nein, wir wissen heute, dass es in der Allgemeinbevölkerung auch einen Anteil von ca. 0,1-0,4% Frauen gibt, die im Laufe des Lebens einmal ein sexuelles Interesse an Kindern erlebt haben. Allerdings suchen Frauen bisher selten Hilfe. Wir haben zu diesem Thema aktuell ein neues Forschungsprojekt initiiert.

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